Ich fing von der Stunde an, Tiere so aufzusuchen und zu betrachten, wie ich bisher Steine und Pflanzen aufgesucht und betrachtet hatte. Sowohl jetzt, da ich noch in dem Gebirge war, als auch später zu Hause und bei meinen weiteren Wanderungen betrachtete ich Tiere, und suchte ihre wesentlichen Merkmale sowohl an ihrem Leibe als auch an ihrer Lebensart und Bestimmung zu ergründen. Ich schrieb das, was ich gesehen hatte, auf, und verglich es mit den Beschreibungen und Einteilungen, die ich in meinen Büchern fand. Da geschah es wieder, daß ich mit diesen Büchern in Zwiespalt geriet, weil es meinen Augen widerstrebte, Tiere nach Zehen oder anderen Dingen in einer Abteilung beisammen zu sehen, die in ihrem Baue nach meiner Meinung ganz verschieden waren. Ich stellte daher nicht wissenschaftlich, aber zu meinem Gebrauche eine andere Einteilung zusammen.
Einen besondern Zweck, den ich bei dem Besuche des Gebirges befolgen wollte, hatte ich dieses erste Mal nicht, außer was sich zufällig fand. Ich war nur im allgemeinen in das Gebirge gegangen, um es zu sehen. Als daher dieser erste Drang etwas gesättigt war, begab ich mich auf dem nächsten Wege in das flache Land hinaus, und fuhr auf diesem wieder nach Hause.
Allein der kommende Sommer lockte mich abermals in das Gebirge. Hatte ich das erste Mal nur im allgemeinen geschaut, und waren die Eindrücke wirkend auf mich heran gekommen, so ging ich jetzt schon mehr in das Einzelne, ich war meiner schon mehr Herr, und richtete die Betrachtung auf besondere Dinge. Viele von ihnen drängten sich an meine Seele. Ich saß auf einem Steine, und sah die breiten Schattenflächen und die scharfen, oft gleichsam mit einem Messer in sie geschnittenen Lichter. Ich dachte nach, weshalb die Schatten hier so blau seien und die Lichter so kräftig und das Grün so feurig und die Wässer so blitzend. Mir fielen die Bilder meines Vaters ein, auf denen Berge gemalt waren, und mir wurde es, als hätte ich sie mitnehmen sollen, um vergleichen zu können. Ich blieb in kleinen Ortschaften zuweilen länger, und betrachtete die Menschen, ihr tägliches Gewerbe, ihr Fühlen, ihr Reden, Denken und Singen. Ich lernte die Zither kennen, betrachtete sie, untersuchte sie, und hörte auf ihr spielen und zu ihr singen. Sie erschien mir als ein Gegenstand, der nur allein in die Berge gehört und mit den Bergen eins ist. Die Wolken, ihre Bildung, ihr Anhängen an die Bergwände, ihr Suchen der Bergspitzen, so wie die Verhältnisse des Nebels und seine Neigung zu den Bergen waren mir wunderbare Erscheinungen.
Ich bestieg in diesem Sommer auch einige hohe Stellen, ich ließ mich von den Führern nicht bloß auf das Eis der Gletscher geleiten, welches mich sehr anregte und zur Betrachtung aufforderte, sondern bestieg auch mit ihrer Hilfe die höchsten Zinnen der Berge.
Ich sah die Überreste einer alten, untergegangenen Welt in den Marmoren, die in dem Gebirge vorkommen, und die man in manchen Tälern zu schleifen versteht. Ich suchte besondere Arten aufzufinden, und sendete sie nach Hause. Den schönen Enzian hatte ich im früheren Sommer schon der Schwester in meinen Pflanzenbüchern gebracht, jetzt brachte ich ihr auch Alpenrosen und Edelweiß. Von der Zirbelkiefer und dem Knieholze nahm ich die zierlichen Früchte. So verging die Zeit, und so kam ich bereichert nach Hause.
Ich ging von nun an jeden Sommer in das Gebirge.
Wenn ich von den Zimmern meiner Wohnung in dem Hause meiner Eltern nach einem dort verbrachten Winter gegen den Himmel blickte, und nicht mehr so oft an demselben die grauen Wolken und den Nebel sah, sondern öfter schon die blauen und heiteren Lüfte, wenn diese durch ihre Farbe schon gleichsam ihre größere Weichheit ankündigten, wenn auf den Mauern und Schornsteinen und Ziegeldächern, die ich nach vielen Richtungen übersehen konnte, schon immer kräftigere Tafeln von Sonnenschein lagen, kein Schnee sich mehr blicken ließ, und an den Bäumen unseres Gartens die Knospen schwollen: so mahnte es mich bereits in das Freie. Um diesem Drange nur vorläufig zu genügen, ging ich gerne aus der Stadt und erquickte mich an der offenen Weite der Wiesen, der Felder, der Weinberge. Wenn aber die Bäume blühten und das erste Laub sich entwickelte, ging ich schon dem Blau der Berge zu, wenngleich ihre Wände noch von mannigfaltigem Schnee erglänzten. Ich erwählte mir nach und nach verschiedene Gegenden, an denen ich mich aufhielt, um sie genau kennen zu lernen und zu genießen.
Mein Vater hatte gegen diese Reisen nichts, auch war er mit der Art, wie ich mit meinem Einkommen gebarte, sehr zufrieden. Es blieb nämlich in jedem Jahre ein Erkleckliches über, was zu dem Grundvermögen getan werden konnte. Ich spürte desohngeachtet in meiner Lebensweise keinen Abgang. Ich strebte nach Dingen, die meine Freude waren und wenig kosteten, weit weniger als die Vergnügungen, denen meine Bekannten sich hingaben. Ich hatte in Kleidern, Speise und Trank die größte Einfachheit, weil es meiner Natur so zusagte, weil wir zur Mäßigkeit erzogen waren, und weil diese Gegenstände, wenn ich ihnen große Aufmerksamkeit hätte schenken sollen, mich von meinen Lieblingsbestrebungen abgelenkt hätten. So ging alles gut, Vater und Mutter freuten sich über meine Ordnung, und ich freute mich über ihre Freude.
Da verfiel ich eines Tages auf das Zeichnen. Ich könnte mir ja meine Naturgegenstände, dachte ich, eben so gut zeichnen als beschreiben, und die Zeichnung sei am Ende noch sogar besser als die Beschreibung. Ich erstaunte, weshalb ich denn nicht sogleich auf den Gedanken geraten sei.
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