Neben dem Feuer saßen Jula und ihr Bruder Jakob in der Herdmulde und aßen die Morgensuppe. Dann beteten die beiden mit geneigten Gesichtern.
Jula erhob sich, warf die schweren Zöpfe zurück, die ihr auf die Brust gehangen, und sprach mit der Hand. Jakob nickte. Und während Jula die abgerahmte Milch des verwichenen Tages in den kupfernen Sudkessel schüttete und ihn mit dem Balken, an dem er hing, über die Herdflamme zog, verließ ihr Bruder die Hütte. Neben dem Brunnen setzte er sich in die Sonne und begann an der fliegenden Schwalbe zu schnitzen, die sich schon bald aus dem Holze lösen wollte.
In der Hütte sang Jula mit halber Stimme.
Ich weiß ein' Buben hübsch und fein,
Hüt du dich!
Der kann so falsch wie freundlich sein,
Hut du dich!
Er hat zwei Augen, die sind braun,
Hüt du dich!
Die gucken allweil durch den Zaun,
Hüt du dich!
Er hat ein lichtbraunfarbnes Haar,
Hüt du dich!
Und was er redt, das ist nit wahr,
Hüt du dich!
In der Tiefe des Almfeldes rasselten viele Schellen wirr durcheinander. Jula, beim Klang ihrer Stimme und beim Geprassel des neugeschürten Herdfeuers, achtete dieses Lärmes nicht. Und Jakob konnte ihn nicht hören. Doch als er einmal von seinem Schnitzwerk aufblickte, sah er da drunten die flüchtenden Rinder und sah, daß am Waldsaum ein Reiter, der aus dem Sattel gestiegen war, seinen Gaul an eine Lärche band.
Jakob erhob sich, säbelte aufgeregt in die Hütte, lallte einen schweren Laut und sprach mit den Händen.
Betroffen sah Jula den Bruder an. Eine leichte Röte glitt über ihr strenges, sonnverbranntes Gesicht. Dann lachte sie ein bißchen und steckte rasch die hängenden Zöpfe hinauf. Sie trat aus der Hütte. Doch als sie den dunkelbärtigen Spießknecht über das Ahnfeld heraufkommen sah, machte sie verwunderte Augen, schüttelte den Kopf, redete mit den Händen zu ihrem Bruder und kehrte wieder an den Herd zurück.
Es dauerte eine Weile, dann fiel ein schwarzer Schatten über die sonnige Türschwelle.
Mit freundlichem Gruße trat Marimpfel in die Hütte. Er sah nur die Hirtin. Jakob, um seine Mißgestalt zu verbergen, hatte sich hinter dem Sudkessel in den Herdwinkel gedrückt.
Jula erwiderte den Gruß des Spießknechtes. Der Anblick dieses Gastes war ihr keine Freude. Sie wußte: Hofleut sind wildes Volk, vor dem man sich hüten muß. Doch ruhig fragte sie: »Woher des Wegs?«
»Bei einem Grenzstein hab ich nachschauen müssen.« Marimpfel ließ sich auf die Bank nieder, wobei das Eisenwerk seiner Rüstung klirrte. Er guckte in der Hütte herum. »Ein schöner Herd! Ein feiner Käser! Wann ist denn der gebaut worden?«
»Das weiß ich nit.« Jula begann mit langer Holzspachtel den dampfenden Inhalt des Kessels aufzurühren. »Willst du Zehrung haben?«
Marimpfel lachte, und seine schwarzen Funkelaugen musterten die Gestalt der Hirtin. »Vergelts deinem Gutwillen! Aber Bauernkäs ist saurer Fraß.«
Jula furchte die Brauen. »Ich kann dir auch süßen geben, wenn du so schleckig bist.«
»Viel süßen Käs wirst du nit aufstellen können von den vierzehn Kühen, die ich gesehen hab. Oder hast noch mehr?«
»Siebzehn hab ich.«
»Und wieviel Ochsen?«
»Dreiundvierzig hab ich aufgetrieben. Und zwanzig Kalben dazu. Gottlob, es ist mir heuer noch kein Stückl im Bruchboden versunken. Hab einen friedsamen Sommer heuer, Gott soll ihn segnen.«
Marimpfel erhob sich. »Zwanzig Kalben? So?« Unter kurzem Lachen faßte er mit flinker Faust den Arm der Hirtin. »Und dazu noch ein Geißlein, mit dem gut bocken wär! Was meinst?«
Was Jula meinte, brauchte sie nicht zu sagen. Marimpfel las es in ihren zornblickenden Augen. Und plötzlich fühlte er an seinem Handgelenk einen groben Schlag.
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