Ich habe es dieser Tage gedacht: wenn mir nun meine Schwester am Leben geblieben wäre, wer weiß, wäre sie noch bei mir? Ein braver Mann hätte sie vielleicht von mir weg in sein Haus geführt – und da dachte ich denn auch an dich, ich dachte mir, da du dich einmal zu dienen entschlossen hast, da dir hier nichts abgehen wird, daß du bei mir bleiben wirst, daß du mich nicht verlassen wirst!

ANNERL gibt ihm die Hand. Mein Lebtag net! Kleine Pause, sie zieht ihre Hand aus der seinen. Gute Nacht, Hochwürden!

HELL. Gute Nacht!

ANNERL zurückkehrend. Und darf ich das Kreuzel offen tragen vor ganz Kirchfeld?

HELL. Gewiß! Warum fragst du?

ANNERL. Ich hab' nur g'fragt, daß ich weiß, was dir recht ist! Nach allem andern frag' ich nimmer! Recht, recht gute Nacht! Ab.

HELL. Gute Nacht, Anne!

 

Dritte Scene.

HELL allein. Sei mir gegrüßt, du heiliger Hauch des lange verlorenen Familienlebens, das wieder mit diesem Kinde in mein Haus gezogen ist! Wieder, wie einst in den Tagen, wo ich eifrig über meinen Studien saß, wird eine helle freundliche Stimme an mein Ohr schlagen, wieder, wenn ich das Auge von meinen Büchern hebe, werde ich in ein frisches, heiteres Antlitz blicken – und wieder werde ich wissen: ich bin nicht allein, ich muß auf der Hut sein vor mir selbst, muß jedes Fleckchen, das vielleicht dem Entfernteren unbemerkbar ist, aber in der Nähe doch übel auffällt, sorgfältig in all meinem Denken und Handeln löschen – und jenes Leben, das immer auf andere vorab Rücksicht nimmt, muß mir wieder zur zweiten Natur werden und nur wer so lebt, versteht dich, du Gott der Liebe! Und nur der, der ein Herz in den engen Grenzen seines Hauses recht erfaßt und verstehen lernt, der weiß sie alle zu fassen, alle zu verstehen, die Herzen, die in der weiten Welt pochen und hämmern, denn was auch die Welt an ihnen gesündigt, aus der Hand des Schöpfers sind sie doch gleichgeartet hervorgegangen – eine schwache zitternde Magnetnadel, über die die Ströme des Lebens hinziehen und sie vielfach ablenken, die sich aber doch nicht irre machen läßt und ihren Norden sucht ... die ewige Liebe!

 

Vierte Scene.

Hell. Wurzelsepp schwingt sich über den Zaun.

 

HELL durch das Geräusch aufmerksam gemacht, wendet sich. Wer ist da?

SEPP eine kurze Pfeife schmauchend, kommt vor. Guten Abend!

HELL. Du, Sepp!!!

SEPP immer demütig, bis die ändernde Anmerkung kommt. Ich hab's ja g'wußt, daß d' mich doch kennst, wenn ich auch in kein' Kirchen komm!

HELL. Was führt dich noch so spät hierher?

SEPP. Ich bin eigentlich schon lang da – seit nachmittag schleich' ich da um'n Pfarrhof und seit einer Viertelstund' lieg' ich da hinterm Zaun.

HELL. Du horchtest, spioniertest? Pfui!

SEPP. Aus Zeitlang!

HELL gelassen. Wenn ich das gelten lasse, was weiter führt dich dann zu mir?

SEPP. Nichts – nichts – nur bedanken will ich mich, weil ich mich da hinterm Zaun so gut unterhalten hab'!

HELL. Du hast dich auf krummen Wegen, mit hinterlistigen Worten an mich herangeschlichen ... Sepp, du hast nichts Gutes im Sinn.

SEPP auflachend. Haha! Du bist schlau!

HELL. Als Freund der offenen That und der offenen Rede fasse ich dich denn gerade an, wo ich dich treffe und frage dich: Warum beobachtest du mein Thun und Lassen heimlich und versteckt? Was kommst du wie ein Dieb in der Nacht in mein Haus?

SEPP gehässig. Weil ich dein Feind bin!

HELL. Mein Feind? Du irrst!

SEPP. Ich weiß recht gut, wen ich mein' – und ich sag' dir's ja, daß ich dich mein'!

HELL. Mein Feind! So habe ich denn einen Feind? Ich hätte das nicht gedacht! Was für Ursache habe ich dir je gegeben, mein Feind zu sein? – Sepp, du thust unrecht, auch dann unrecht, wenn du – wie ich fürchte – nur der Feind des Kleides bist, das ich trage.

SEPP. Drüber woll'n wir nit streiten, du tragst es ja ein mal doch das G'wand.

HELL.