Hat man auch alles versucht, sie ins Leben zurückzurufen? Ich will doch selbst –

BRIGITTE. Der Physikus is schon am Ort, alles hab'n s' 'than frottiert, aderlassen; aber 's hilft nix, das arme alte Leut bleibt tot. Der Wurzelsepp rennt wie narrisch im Ort herum.

 

Sechste Scene.

Vorige. Die Thüre wird aufgerissen, in derselben erscheint bleich, verstört, mit wirrem Haar Wurzelsepp.

 

BRIGITTE. O du mein, da is er!

SEPP tritt ein und sagt zu Brigitte tonlos. Allein will ich mit'n Pfarrer reden.

HELL zu Brigitte. Geh nur!

BRIGITTE. Aber, Hochwürden –

HELL. Geh, Brigitte, und laß uns allein.

 

Brigitte ab.

 

 

Siebente Scene.

Sepp und Hell. Pause, während welcher Hell einen Stuhl faßt und ihn hinter Sepp rückt.

 

SEPP scheu. Ich dank', es that sich net schicken, ich kann schon noch stehn. Ich wollt' nur, ich könnt' mich leichter mit dir reden.

HELL gütig. Erschwere ich es dir?

SEPP. Nein, du hast recht, ich bin selber d'Schuld. Lauernd. Aber du, du hast ja damals g'sagt, du tragst mir nix nach, wann i a – wann i a alles ausplauder'? Ich weiß, du halt'st dein Wort! Aber mir verschnürt's doch die Red', daß ich zu dir kommen muß.

HELL. Fasse dich und rede; wenn du weißt, daß ich mein Wort halte, was ängstigt dich?

SEPP. Ich weiß, wie's auf der Welt zugeht, Dienst um Dienst, und ich möcht' gern wieder mit dir auf gleich werden. Trocknet sich den Schweiß von der Stirne. Du brauchst dich nit um die dummen Bauern zu ärgern, ich kann ja sagen, daß alles derlogen war und ein' Jux draus machen.

HELL ernst. Das lasse, da hast du nichts mehr gut zu machen, das ist vorbei, alles vorbei! Von mir weiter keine Rede, komme auf deine Angelegenheit!

SEPP ängstlich. Ich komm' lieber morgen, heut könnt'st nit aufg'legt sein, mich anzuhör'n, morgen, wenn's ruhiger im Ort worden ist, komm' ich wieder, da hör mich an und sei g'scheit, Pfarrer, denk auf dein' Vorteil, ich – ich hab' schon ein derspart's Sacherl daheim, wann's a nit viel is, denk halt christlich, ich komm' morgen! Wendet sich.

HELL. Halt! Zu zweien Malen, Sepp, bist du in mein Haus gedrungen; das erste Mal geschah es in keiner freundlichen Absicht, das zweite Mal, ich weiß es – bei dieser leidvollen Stunde – geschieht es in keiner schlimmen. Beide Male trat'st du mir nicht offen entgegen, beide Male kamst du lauernd an mich herangeschlichen; hinter lauernde Demut verbargst du deinen Haß, um mir zuzurufen: zwei Wege ins Elend und keiner ins Freie – und doch, siehe, ich gehe den dritten Pfad, den Weg des Leidens zur Pflicht und auf diesem begegne ich dich! Als ich dies Kleid anzog, hab' ich dem traurigen Anrechte des Hasses, wieder zu hassen, entsagt, dem ewig menschlichen an dem Leid habe ich – konnte ich nicht entsagen; das Leid ist so allgemein wie das Sonnenlicht und wir alle haben oder nehmen teil daran; warum nun verbirgst du hinter lauernde Angst auch dein Leid? Kann dich nicht einmal der Schmerz als Mensch zu Menschen sprechen lehren? Und wenn dir das Mißtrauen mit tausend Fasern im Herzen wurzelte, es soll, es muß heraus! Jetzt habe ich dich da, wo ich dich haben wollte, aber ich freue mich nicht darüber, denn mich bewegt's im Tiefsten der Seele, daß ich dich jetzt markten und feilschen sehen muß. Rede mit halben Worten, stammle unter Thränen und ich will dich verstehen, nur rede mir menschlich! Du willst mir erst Dienst gegen Dienst, dann Geld bieten?! Willst du, daß ich eure Hütte aus den Händen der Gläubiger löse, hast du ein Stück Vieh zu verkaufen? Was willst du denn, daß du mir so sprichst zur nämlichen Stunde, da in deiner Hütte der Leib zum letztenmal auf das Lager gebettet wird, der dich getragen, da das Herz stille steht, unter dem du gelegen, da die Augen gebrochen sind, die manche kummervolle Nacht über dich gewacht haben, da die Lippen geschlossen sind, die oft für dich gebetet!

SEPP sinkt laut schluchzend in den Stuhl.

HELL rückt einen Stuhl nahe an den Sepps und legt dann die Hand beruhigend auf dessen Knie. Sepp!

SEPP erhebt sich aus seiner gebeugten Stellung und blickt den Pfarrer an.

HELL. Rede getrost, ich weiß es nun, du wirst mich um nichts bitten, was ich dir versagen kann und darf.

SEPP trocknet sich die Augen und sieht den Pfarrer groß an. Du kannst's! Mir und ein' jeden!

HELL. Was wäre das?

SEPP. Du weißt, mein' Mutter hat ihr'n Leb'n selbst ein End' g'macht, es laßt sich nicht laugnen; ich sag' dir aber, wenn sie auch letzte Zeit nimmer in d'Kirch' kämma is, sie war doch a fromm's Weib, sie hat ihr Lebtag viel g'halten auf a ehrlich's christlich's Begräbnis, sie hat selbst von ihr'n armseligen Spinnverdienst was auf d'Seit' g'legt aufs letzte, was sie sich g'wünscht hat, Ausbrechend.