Ich komme! Hält stille. Laß noch ein wenig die kühle Morgenluft dir die heiße Stirne fächeln – laß diesen Sturm in deinem Innern erst vorübergehen – laß es ruhig werden in dir – mach dir klar, was du mußt, damit du es auch vermagst! Denk dich Aug' in Aug' vor ihr – denk dir, wie du ihr ehrliches Ja hörst – denk dir, wie du ihre Hand faßt und in die eines andern legst. Schlägt die Hände vors Gesicht. O du vermagst es nicht! Läßt die Hände darauf sinken. Du vermagst es nicht, ohne zu zeigen, wie dich's im Innersten erschüttert – und du willst noch von Entsagung jenen ehrlichen Seelen reden, die dich für stärker, für besser hielten, als du bist! Auffahrend. Du mußt es können!
Choral mit Orgel.
Die Stimmen der Gemeinde! Sie mahnen mich! Die Hand am Herzen. Was ziehst du dich zusammen, kindisch Herz, um nur für ein Bild Raum zu lassen, Nach der Kirche. wo doch die alle dort in dir ein Fleckchen wollen, das sie beherbergt? O, werde wieder weit, wie ich dich brauche, wie du es immer warst gewesen, wenn es sonst ein Opfer galt, und so wie sonst, wenn es gebracht ist, dann magst du höher schlagen! Nicht in ihr Auge will ich blicken, unverwandt auf die Gemeinde will ich schauen! War doch kein Opfer noch umsonst! O laß dich ganz von Opferfreudigkeit durchdringen, blick über alles aus ins Land der Zukunft und grüße mit vernarbten Wunden die Brüder jener Tage, denen dieses Kleid nicht mehr den Kampf zwischen Schande und Entsagung zur Pflicht macht! – O, wär't ihr jetzt zugegen, ihr, die ihr mir jede Anerkennung weigert – bei dieser Stunde, in der ich mich aus tausend Qualen gerungen – nun solltet ihr mir doch sagen müssen, was ich ja einzig nur zu hören wünsche: Daß ich gethan, was man von mir erwartet!
Voller Accord, mit dem Orgel und Choral verstummt.
HELL stark. Ich komme! Rasch ab in die Kirche.
Vierte Scene.
Ueber den Steg, von wo sie früher abgegangen, Sepp, Bauern, der Schulmeister von Altötting, der eine Tasche an einem Riemen um den Hals trägt, in ihrer Mitte.
SCHULMEISTER noch hinter der Scene. Nur keine Gewalt, ich verwarne euch!
SEPP indem er ruckweise den Schulmeister auf die Scene stößt. Komm nur, fürcht dich net, 's g'schieht dir nix!
SCHULMEISTER. Ich mache die ganze Gemeinde dafür verantwortlich, wie mir mitgespielt wird.
EINIGE BAUERN. Aber Sepp, was hast denn mit'n Schulmeister?
SEPP. Seids nur stad, es kommt gleich! Schon seit gestern siech ich den Lump' da im Dorf bald ums Pfarrhaus und d'Kirch' herumschleichen, bald bei alte Betschwester und Brüder aus- und einschliefen; da hab' ich mir gleich denkt, der führt sicher was gegen 'nen Pfarr' im Schild und – na, er soll euch's nur selber sag'n, was er bringt!
SCHULMEISTER. Gut – gut – das will ich – aber das bitt' ich dich, verirrte Gemeinde, unterbreche mich nicht und bedenke, ich bin hier in höherem Auftrage!
SEPP. Red nit so lange herum, ich weiß schon was d' bringst, du müßt' es nit Weibern auf'bunden hab'n.
SCHULMEISTER. Geliebte, das Reich Antichrists ist nahe ...
SEPP. Red nit vom jüngsten Tag – bleib bei der Stangen – red vom Pfarrer!
SCHULMEISTER. Geliebte! Hört nicht auf diesen Ketzer, hört auf mich! Das Reich des Antichrist ist nahe und die gläubigen Scharen müssen sich zum Kampfe gegen ihn rüsten; überall hat er sich eingeschlichen, er hat hohe Würden im Lande an sich gerissen und setzt sich selbst vor den Augen des verblendeten Volkes auf die Kanzel! Aber die wahrhafte Frömmigkeit erblickt ihn unter jeder Larve und so hat sie ihn denn auch unter euch erkannt.
BAUERN. Unter uns?!
SCHULMEISTER. Unter euch! Und führt ihn darum aus eurer Mitte hinweg, damit er fürder eure Seelen nicht verderbe. Hier in dieser Tasche bringe ich die Formel, die ihn hinwegbannt – ja, Geliebte, ich kann sagen: ich stecke den Antichrist eurer Gemeinde in die Tasche! Der Wolf wird von der Herde hinweggejagt und der Hirte kehrt wieder!
SEPP. Verstehts ös dem sein Vorbeterdeutsch? Einfach in unsrer Sprach' heißt's: unsern Pfarrer jagen s' fort und ein' andern setzen s' uns her, der euch wieder 's Raufen und Saufen um 'n Beichtgroschen derlaubt!
BAUERN. Was, der Pfarrer soll fort?
SCHULMEISTER. So ist es.
JUNGE BURSCHEN auf ihn eindringend. Dös gibt's net!
SEPP indem er den Schulmeister scheinbar gegen die Eindringenden deckt und ihm dabei heimlich Püffe erteilt. Halt, laßts 'n gehn, er steht unter mein' Schutz!
EIN ALTER BAUER. Wir hab'n's allweil denkt, dös kann so in derer Dicken not furtgehn – 's Konsisturi!
MEHRERE ALTE BAUERN gedehnt, unisono. Ja – 's Konsisturi!
SCHULMEISTER. Es wurde zuerkannt, dekretiert und ausgeführt, und mich beauftragte insbesondere ein Befehl des edlen Grafen von Finsterberg, dem Exkommunikanten zu intimieren, daß er vorab seiner Pfarre verlustig, jeglicher priesterlicher Funktion von Stunde ab unfähig und verbunden sei, sich sofort dem Konsistorialgerichte zu stellen, wo ihn für alle seine aufgehäuften Sünden die Sühne und Buße erwartet, welche – wie wir gläubig hoffen wollen – seiner Seele zum Heile gereichen möge!
JUNGE BURSCHE.
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