Spricht famos. Das gäbe einen Frauenprediger! Laut. Vortrefflich! Nur begreif' ich nicht, wenn Sie so denken, warum Sie nicht einen Schritt weiter gehen, dann stünden Sie ja mitten auf unserem Boden, auf dem Boden der Wirklichkeit! Wer, wie Sie es im Bilde thaten, Herz und Mensch trennt, erhält eben zwei Begriffe; wir lassen sie beisammen und haben es daher mit wirklichen Menschen zu thun, die fügen sich, oder fügen sich nicht, die werden daher beherrscht oder bekämpft.

HELL im Eifer ausbrechend. Also hinweg mit allen Bildern – ich meine nicht den Bilderdienst, der auch dem Volke Greifbares bietet – hinweg damit, es spricht sich wirklich ohne sie viel leichter! Wenn's Menschen sind, die einerseits beherrscht werden oder bekämpft, so hat man anderseits nur wieder zwei Begriffe nicht zu trennen: die Kirche und die Priester – die sind eins und man hat es daher mit wirklichen Menschen zu thun, die herrschen oder bekämpfen.

FINSTERBERG erstaunt, mit freundlichem Kopfnicken. Ihr seid gelehriger, als ich sonst einen in Eurer Lage gefunden habe. – Ei, freilich, das ist die richtige Fährte. Menschen, wahrhafte Menschen sind auf beiden Seiten: die herrschenden und die beherrschten, die kämpfenden und die bekämpften.

HELL. Also Menschen auf beiden Seiten? Und jetzt erlaubt, wie halten wir denn von all diesen vielen einzelnen Personen den Irrtum ab? Bei seinem Herzen anfragen, das darf nun keiner, das ist nur ein Begriff – wo frägt er sonst nun an, und wenn ja einer ohne Irrtum wäre ...

FINSTERBERG lächelt, gewichtig. Den frägt man, eben den!

HELL. Ist der so bei der Hand? – Ich fürchte, dann fangen wir erst an die Begriffe ganz zu trennen! Wenn dort ein Herz nach Trost schmachtet, wenn hier ein Herz in wilder Leidenschaft mit sich ringt, und ich darf nicht Trost noch Frieden spenden, frei aus eigner Hand, muß erst Nachfrage halten: darf ich's auch, so wie ich's meine? Ei, dann, Herr Graf, dann könnt' es leicht geschehen, daß ohne Trost das Herz bricht, daß ohne Hilfe das Herz verdirbt – und, Herr Graf, ganz wirklich ist dann mit dem Begriff der ganze Mensch gestorben und verdorben!

FINSTERBERG trocknet sich den Schweiß. Mit Euch, lieber Pfarrer, spricht sich's doch verteufelt schwer. Ihr kommt doch immer wieder auf die Bilder zurück und Ihr malt grell. Ob Ihr trösten, ob Ihr helfen, beispringen dürft, das zu entscheiden ist in der Wirklichkeit nicht gar so schwer; Ihr müßt nur fragen, ob es auch der Sache, der heiligen Sache dient, ob Ihr so thut oder so.

HELL. Gut, aber man muß doch bei Personen fragen, ob's der Sache dient.

FINSTERBERG fährt wieder mit dem Tuche über die Stirne. Wir werden uns leichter verstehen, wenn wir uns ganz auf den Boden der Wirklichkeit begeben. Es geht nicht anders. Wenn ich mir erlauben dürfte, Sie auf Fehler aufmerksam zu machen, die Sie bisher in Ihrer Amtsthätigkeit gemacht, das dürfte Ihnen vielleicht besser frommen, als mein theoretischer Kurs.

HELL. Ei, ganz gewiß.

FINSTERBERG. Da ergibt sich ganz von selbst ein kleines Normale, denn durch Schaden wird man klug.

HELL. Jawohl, jawohl; doch dünkt mich das noch immer besser, als man wird – durch Nutzen dumm! Ich bitte, meine Fehler!

FINSTERBERG. Ja, ja, lassen Sie mich nur besinnen!

HELL. Sind ihrer so viele?

FINSTERBERG. Das nicht, das nicht, hähähä! Für sich. Mir scheint, der schraubt mich. Trocken belehrend. Ich will bei Ihrem größten Fehler, weil unverzeihlichsten, beginnen, wenn auch die andern gerade nicht die kleinsten sind. Jetzt, wo rings im Lande die fromme Stimmung im schönsten Flusse ist, wo das Volk zu den Versammlungen wallfahret, warum halten Sie Ihre Gemeinde davon ab?

HELL. Das thu' ich, ja, und heut und morgen thu' ich's und immer wieder. Das ist eine selbstmörderische Bewegung gegen das sich verjüngende Vaterland.

FINSTERBERG. Was Vaterland – mit solchen Gesetzen? Herr, dort ist unser Vaterland, jenseits Weist gegen die Berge, verbessert aber rasch die Richtung des Armes gegen den Himmel.