Niemand aber konnte den Reisekameraden erblicken; er hatte sich gerade hinter den Thron gestellt und hörte und sah alles. Die Hofleute, die nun hereinkamen, waren fein und vornehm, aber der, welcher ordentlich sehen konnte, merkte wohl, wie es damit zusammenhing. Es waren nichts weiter als Besenstiele mit Kohlköpfen darauf, in die der Zauberer Leben gehext und welchen er gestickte Kleider gegeben hatte. Aber das war ja auch gleichgültig, sie wurden doch nur zum Staate gebraucht. Nachdem nun etwas getanzt worden war, erzählte die Prinzessin dem Zauberer, daß sie einen neuen Freier erhalten habe, und fragte deshalb, woran sie denken solle, um ihn am nächsten Morgen danach zu fragen, wenn er nach dem Schlosse komme. »Höre,« sagte der Zauberer, »das will ich Dir sagen! Du sollst etwas recht Leichtes wählen, denn so fällt er gar nicht darauf. Denke an Deinen Schuh. Das rät er nicht. Laß ihm dann den Kopf abhauen, doch vergiß nicht, wenn Du morgen Nacht wieder zu mir herauskommst, mir seine Augen zu bringen, denn die will ich essen!« Die Prinzessin verneigte sich tief und sagte, sie werde die Augen nicht vergessen. Der Zauberer öffnete nun den Berg, und sie flog wieder zurück, aber der Reisekamerad folgte ihr und prügelte sie so sehr mit der Rute, daß sie tief seufzte über das starke Hagelwetter, und sich, so sehr sie konnte, beeilte, durch das Fenster in die Schlafstube zu gelangen; aber der Reisekamerad flog zum Wirtshause zurück, wo Johannes noch schlief, löste seine Flügel ab und legte sich dann auch auf das Bett, denn er konnte wohl ermüdet sein. Es war ganz früh am Morgen, als Johannes erwachte, der Reisekamerad stand auch auf und erzählte, daß er diese Nacht einen ganz sonderbaren Traum von der Prinzessin und ihrem Schuh gehabt habe, und bat ihn deshalb, doch zu fragen, ob die Prinzessin nicht an ihren Schuh gedacht haben sollte, denn das war es ja, was er von dem Zauberer im Berge gehört hatte. »Ich kann ebenso danach als nach etwas anderem fragen,« sagte Johannes; »vielleicht ist das ganz richtig, was Du geträumt hast, denn ich vertraue auf den lieben Gott, der mir schon helfen wird! Aber ich will Dir doch lebewohl sagen, denn wenn ich falsch rate, so bekomme ich Dich nie mehr zu sehen!« Dann küßten sie sich, und Johannes ging in die Stadt nach dem Schlosse. Der ganze Saal war mit Menschen angefüllt, die Richter saßen in ihren Lehnstühlen und hatten Eiderdunenkissen hinter dem Kopfe, denn sie hatten so viel zu [153] denken. Der alte König stand auf und trocknete seine Augen mit einem weißen Taschentuche. Nun trat die Prinzessin herein; sie war noch viel schöner als gestern und grüßte alle lieblich, aber dem Johannes gab sie die Hand und sagte: »Guten Morgen, Du!« Nun sollte Johannes raten, woran sie gedacht habe. Wie sah sie ihn so freundlich an, aber sowie sie ihn das Wort »Schuh« aussprechen hörte, wurde sie kreideweiß im Gesicht und zitterte am ganzen Körper; aber das konnte ihr nichts helfen, denn er hatte richtig geraten! Wie wurde der alte König vergnügt! Er schoß einen Purzelbaum, daß es eine Lust war, und alle Leute klatschten in die Hände für ihn und für Johannes, der das erste Mal richtig geraten hatte. Der Reisekamerad war auch erfreut, als er erfuhr, wie gut es abgelaufen war; aber Johannes faltete seine Hände und dankte Gott, der ihm sicher die beiden andern Male wieder helfen werde. Am nächsten Tage sollte schon wieder geraten werden. Der Abend verging ebenso wie der gestrige. Als Johannes schlief, flog der Reisekamerad hinter der Prinzessin her zum Berge hinaus und prügelte noch stärker, als das vorige Mal, denn nun hatte er zwei Ruten genommen; niemand bekam ihn zu sehen, und er hörte alles. Die Prinzessin wollte an ihren Handschuh denken, und das erzählte er wieder dem Johannes, gerade als ob es ein Traum sei; so konnte derselbe richtig raten, und es verursachte eine große Freude auf dem Schlosse. Der ganze Hof schoß Purzelbäume, gerade so wie er es den König das erste Mal hatte machen sehen; aber die Prinzessin lag auf dem Sopha und wollte nicht ein einziges Wort sagen. Nun kam es darauf an, ob Johannes das dritte Mal richtig raten konnte. Glückte es, so sollte er ja die schöne Prinzessin haben und nach dem Tode des alten Königs das ganze Königreich erben; riet er falsch, so sollte er sein Leben verlieren und der Zauberer würde seine schönen, blauen Augen essen. Den Abend vorher ging Johannes zeitig zu Bette, betete sein Abendgebet und schlief dann ruhig, aber der Reisekamerad band seine Flügel an den Rücken, schnallte den Säbel an seine Seite, nahm alle drei Ruten mit sich, und so flog er nach dem Schlosse. Es war ganz finstere Nacht; es stürmte so, daß die Dachsteine von den Häusern flogen, und die Bäume drinnen im Garten, wo die Gerippe hingen, sich gleich dem Schilfe vom Sturmwind bogen; es blitzte jeden Augenblick, und der Donner rollte gerade, als ob es nur ein einziger Schlag sei, der die ganze Nacht währte. Nun ging das Fenster auf, und die Prinzessin flog heraus; sie war so bleich wie der Tod, aber sie lachte über das böse Wetter, meinte, es sei noch nicht stark genug, und ihr weißer Mantel wirbelte in der Luft herum gleich einem großen Schiffssegel. Aber der Reisekamerad peitschte sie mit drei Ruten, daß das Blut auf die Erde tröpfelte und sie zuletzt kaum weiter fliegen konnte. Endlich kam sie doch nach dem Berge. »Es hagelt und stürmt,« sagte sie; »nie bin ich in solchem Wetter aus gewesen.« »Man kann auch des Guten zu viel haben,« sagte der Zauberer.