Wollen ihn nicht hereinlassen,
sagen, daß ich schlaf. Sehr brave Kerln!
Die Stimm?
Das is ja gar nicht die Stimm vom Feldmarschall!
Sie sagen »Herr Baron« zu ihm! Das ist ein Fremder.
Quin-quin, es ist ein Besuch!
Sie lacht.
Fahr Er schnell in seine Kleider,
aber bleib Er versteckt,
daß die Lakaien Ihn nicht sehen.
Die blöde, große Stimm müßt ich doch kennen.
Wer ist denn das? Herrgott, das ist der Ochs.
Das ist mein Vetter, der Lerchenau, der Ochs auf Lerchenau.
Was will denn der? Jesus Maria!
Sie muß lachen.
Quin-quin, hört Er, Quin-quin, erinnert Er sich nicht?
Sie geht ein paar Schritte nach links hinüber.
Vor fünf, sechs Tagen den Brief –
Wir sind im Wagen gesessen,
und einen Brief haben sie mir an den Wagenschlag gebracht.
Das war der Brief vom Ochs.
Und ich hab keine Ahnung, was drin gestanden ist.
Lacht.
Daran ist Er alleinig schuld, Quin-quin.
STIMME DES HAUSHOFMEISTERS draußen.
Belieben Euer Gnaden in der Galerie zu warten!
STIMME DES BARONS draußen.
Wo hat Er Seine Manieren gelernt?
Der Baron Lerchenau antichambrieret nicht.
MARSCHALLIN.
Quin-quin, was treibt Er denn? Wo steckt Er denn?
OCTAVIAN in einem Frauenrock und Jäckchen, das Haar mit einem Schnupftuch und einem Bande, wie in einem Häubchen, tritt hervor, knixt.
Befehln fürstli' Gnadn, i bin halt noch nit recht lang in fürstli'n Dienst.
MARSCHALLIN.
Du, Schatz!
Und nicht einmal mehr als ein Bussl kann ich dir geben.
Küßt ihn schnell.
Er bricht mir ja die Tür ein, der Herr Vetter.
Mach Er, daß Er hinauskomm.
Schlief' Er frech durch die Lakaien durch.
Er ist ein blitzgescheiter Lump! Und komm Er wieder, Schatz.
Aber in Mannskleidern und durch die vordre Tür, wenns
Ihm beliebt.
Setzt sich, den Rücken gegen die Türe, und beginnt ihre Schokolade zu trinken. Octavian geht schnell gegen die kleine Türe und will hinaus. Im gleichen Augenblicke wird die Tür aufgerissen und Baron Ochs, den die Lakaien vergeblich abzuhalten suchen, tritt ein. Octavian, der mit gesenktem Kopf rasch entwischen wollte, stößt mit ihm zusammen.
Octavian drückt sich verlegen an die Wand links von der Türe. Drei Lakaien sind gleichzeitig mit dem Baron eingetreten, stehen ratlos.
DER BARON mit Grandezza zu den Lakaien.
Selbstverständlich empfängt mich Ihre Gnaden.
Er geht nach vorne, die Lakaien zu seiner Linken suchen ihm den Weg zu vertreten.
DER BARON zu Octavian mit Interesse.
Pardon, mein hübsches Kind!
OCTAVIAN dreht sich verlegen gegen die Wand.
DER BARON mit Grazie und Herablassung.
Ich sag: Pardon, mein hübsches Kind.
MARSCHALLIN sieht über die Schulter, steht dann auf, kommt dem Baron entgegen.
DER BARON galant zu Octavian.
Ich hab Ihr doch nicht ernstlich weh getan?
DIE LAKAIEN zupfen den Baron.
Ihre fürstliche Gnaden!
DER BARON macht die französische Reverenz mit zwei Wiederholungen.
MARSCHALLIN.
Euer Liebden sehen vortrefflich aus.
DER BARON verneigt sich nochmals, dann zu den Lakaien.
Sieht Er jetzt wohl, daß Ihre Gnaden entzückt ist, mich zu sehen?
Auf die Marschallin zu, mit weltmännischer Leichtigkeit, indem er ihr die Hand reicht und sie vorführt.
Und wie sollte Euer Gnaden nicht.
Was tut die frühe Stunde unter Personen von Stand?
Hab ich nicht seinerzeit wahrhaftig Tag für Tag
unserer Fürstin Brioche meine Aufwartung gemacht,
da sie im Bad gesessen ist,
mit nichts als einem kleinen Wandschirm zwischen ihr und mir.
Ich muß mich wundern,
Zornig umschauend.
wenn Euer Gnaden Livree –
MARSCHALLIN.
Verzeihen Sie,
man hat sich betragen, wie es befohlen,
ich hatte diesen Morgen die Migräne.
Auf einen Wink der Marschallin haben die Lakaien ein kleines Sofa und einen Armstuhl nach vorne gebracht und sind dann abgegangen.
Der Baron sieht öfters nach rückwärts.
Octavian ist an der Wand gegen den Alkoven hin geschlichen, macht sich möglichst unsichtbar beim Bett zu schaffen.
Marschallin setzt sich auf das Sofa, nachdem sie dem Baron den Platz auf dem Armstuhl angeboten hat.
DER BARON versucht sich zu setzen, äußerst okkupiert von der Anwesenheit der hübschen Kammerzofe. Für sich.
Ein hübsches Kind! Ein gutes, sauberes Kinderl!
MARSCHALLIN aufstehend, ihm zeremoniös aufs neue seinen Platz anbietend.
Ich bitte, Euer Liebden.
DER BARON setzt sich zögernd und bemüht sich, der hübschen Zofe nicht völlig den Rücken zu kehren.
MARSCHALLIN.
Ich bin auch jetzt noch nicht ganz wohl.
Der Vetter wird darum vielleicht die Gnade haben –
DER BARON.
Natürlich.
Er dreht sich um, um Octavian zu sehen.
MARSCHALLIN.
Meine Kammerzofe, ein junges Kind vom Lande.
Ich muß fürchten, sie inkommodiert Euer Liebden.
DER BARON.
Ganz allerliebst! Wie? Nicht im geringsten! Mich? Im Gegenteil!
Er winkt Octavian mit der Hand, dreht sich dann zur Marschallin.
Euer Gnaden werden vielleicht verwundert sein,
daß ich als Bräutigam
Sieht sich um.
indes – inzwischen –
MARSCHALLIN.
Als Bräutigam?
DER BARON.
Ja, wie Euer Gnaden denn doch wohl aus meinem Brief genugsam –
ein Grasaff, appetitlich, keine fünfzehn Jahr!
MARSCHALLIN.
Der Brief, natürlich, ja, der Brief, wer ist denn nur die Glückliche,
ich habe den Namen auf der Zunge.
DER BARON.
Wie?
Nach rückwärts.
Pudeljung! Gesund! Gewaschen! Allerliebst!
MARSCHALLIN.
Wer ist nur schnell die Braut?
DER BARON.
Das Fräulein Faninal. Ich hab Euer Gnaden den Namen nicht verheimlicht.
MARSCHALLIN.
Natürlich! Wo habe ich meinen Kopf. Bloß die Familie. Sinds keine Hiesigen?
OCTAVIAN macht sich mit dem Servierbrett zu tun, wodurch er noch mehr hinter den Rücken des Barons kommt.
DER BARON.
Jawohl, Euer Gnaden, es sind Hiesige.
Ein durch die Gnade Ihrer Majestät Geadelter.
Er hat die Lieferung für die Armee, die in den Niederlanden steht.
MARSCHALLIN bedeutet Octavian ungeduldig mit den Augen, er soll sich fortmachen.
DER BARON mißversteht ihre Miene völlig.
Ich seh, Euer Gnaden runzeln Dero schöne Stirn ob der Mesalliance.
Allein, daß ich es sag, das Mädchen ist für einen Engel hübsch genug.
Kommt frischwegs aus dem Kloster. Ist das einzige Kind.
Dem Mann gehören zwölf Häuser auf der Wied'n, nebst dem Palais am Hof,
und seine Gesundheit soll nicht die beste sein.
MARSCHALLIN.
Mein lieber Vetter, ich kapier schon, wieviels geschlagen hat.
Winkt Octavian, den Rückzug zu nehmen.
DER BARON.
Und mit Verlaub von Euer fürstlichen Gnaden,
ich dünke mir guts adeliges Blut genug im Leib zu haben für ihrer Zwei.
Man bleibt doch schließlich, was man ist, corpo di Bacco!
Den Vortritt, wo er ihr gebührt, wird man der Frau Gemahlin
noch zu verschaffen wissen, und was die Kinder anlangt, wenn sie denen
den goldnen Schlüssel nicht konzedieren werden – va bene!
Werden sich mit den zwölf eisernen Schlüsseln
zu den zwölf Häusern auf der Wied'n zu getrösten wissen.
MARSCHALLIN.
Gewiß! O sicherlich, dem Vetter seine Kinder,
die werden keine Don Quixotten sein!
OCTAVIAN will mit dem Servierbrett rückwärts vorbei zur Türe hin.
DER BARON.
Warum hinaus die Schokolad! Geruhen nur!
Da! Pst, wieso denn!
OCTAVIAN steht unschlüssig, das Gesicht abgewendet.
MARSCHALLIN.
Fort, geh Sie nur!
DER BARON.
Wenn ich Euer Gnaden gesteh,
daß ich noch so gut wie nüchtern bin.
MARSCHALLIN resigniert.
Mariandl, komm Sie her. Servier Sie Seiner Liebden.
OCTAVIAN kommt, serviert.
DER BARON nimmt eine Tasse, bedient sich.
So gut wie nüchtern, Euer Gnaden. Sitz im Reisewagen seit fünf Uhr früh.
Leise.
Recht ein gestelltes Ding! Bleib Sie dahier, mein Herz. Ich hab Ihr was zu sagen.
Meine ganze Livree, Stallpagen, Jäger, alles –
Er frißt.
alles unten im Hof zusamt meinem Almosenier –
MARSCHALLIN zu Octavian.
Geh Sie nur.
DER BARON.
Hat Sie doch ein Biskoterl? Bleib Sie doch!
Leise.
Sie ist ein süßer Engelsschatz, ein sauberer.
Zur Marschallin.
Sind auf dem Wege zum »Weißen Roß«,
wo wir logieren, heißt bis übermorgen –
Halblaut.
Ich gäb was Schönes drum, mit Ihr –
Zur Marschallin sehr laut.
bis übermorgen –
Schnell zu Octavian.
– unter vier Augen zu scharmutzieren, wie?
MARSCHALLIN muß lachen über Octavians freches Komödienspiel.
DER BARON.
Dann ziehen wir ins Palais von Faninal.
Natürlich muß ich vorher den Bräutigamsaufführer –
Nach rückwärts, wütend.
will Sie denn nicht warten? –
an die wohlgeborne Jungfer Braut deputieren,
der die silberne Rose überbringt
nach der hochadeligen Gepflogenheit.
MARSCHALLIN.
Und wen von der Verwandtschaft haben Euer Liebden
für dieses Ehrenamt sich ausersehen?
DER BARON.
Die Begierde, darüber Euer Gnaden Ratschlag einzuholen,
hat mich so kühn gemacht, in Reisekleidern bei Dero heutigem Lever –
MARSCHALLIN.
Von mir?
DER BARON.
Gemäß brieflich in aller Devotion getaner Bitte.
Ich bin doch nicht so unglücklich mit dieser devotesten Supplik Dero Mißfallen –
Lehnt sich zurück.
Sie könnte aus mir machen, was Sie wollte.
Sie hat das Zeug dazu!
MARSCHALLIN.
Wie denn, natürlich! Einen Aufführer
für Euer Liebden ersten Bräutigamsbesuch,
aus der Verwandtschaft – wen denn nur? Ich werde –
den Vetter Jörger? Wie? Den Vetter Lamberg?
DER BARON.
Dies liegt in Euer Gnaden allerschönsten Händen.
MARSCHALLIN.
Ganz gut. Will Er mit mir zu Abend essen, Vetter?
Sagen wir morgen, will Er? Dann proponier ich Ihm einen.
DER BARON.
Euer Gnaden sind die Herablassung selber.
MARSCHALLIN will aufstehen.
Indes –
DER BARON halblaut.
Daß Sie mir wiederkommt! Ich geh nicht eher fort!
MARSCHALLIN für sich.
Oho!
Laut.
Bleib Sie nur da! Kann ich dem Vetter
für jetzt noch dienlich sein?
DER BARON.
Ich schäme mich bereits.
An Euer Gnaden Notari eine Rekommandation
wär mir lieb.
Es handelt sich um den Ehevertrag.
MARSCHALLIN.
Mein Notari kommt öfters des Morgens. Schau Sie doch, Mariandel,
ob er nicht in der Antichambre ist und wartet.
DER BARON.
Wozu das Kammerzofel?
Euer Gnaden beraubt sich der Bedienung
um meinetwillen!
Hält sie auf.
MARSCHALLIN.
Laß Er doch, Vetter, sie mag ruhig gehen.
DER BARON.
Das geb ich nicht zu. Bleib Sie dahier zu Ihrer Gnaden Wink.
Es kommt gleich wer von der Livree herein,
ich ließ ein solches Goldkind, meiner Seel,
nicht unter das infame Lakaienvolk.
Streichelt sie.
MARSCHALLIN.
Euer Liebden sind allzu besorgt.
Der Haushofmeister tritt ein.
DER BARON.
Da, hab ichs nicht gesagt?
Er wird Euer Liebden zu melden haben.
MARSCHALLIN zum Haushofmeister.
Struhan, hab ich meinen Notari in der Vorkammer warten?
HAUSHOFMEISTER.
Fürstliche Gnaden haben den Notari,
dann den Verwalter, dann den Kuchelchef,
dann, von Exzellenz Silva hergeschickt,
ein Sänger mit einem Flötisten.
Ansonsten das gewöhnliche Bagagi.
DER BARON hat seinen Stuhl hinter den breiten Rücken des Haushofmeisters geschoben, ergreift zärtlich die Hand der vermeintlichen Zofe.
Hat Sie schon einmal
mit einem Kavalier im Tête-à-tête
zu Abend 'gessen?
OCTAVIAN tut sehr verlegen.
DER BARON.
Nein? Da wird Sie Augen machen.
OCTAVIAN leise, verschämt.
I weiß halt nit; ob i dös derf.
Marschallin, dem Haushofmeister unaufmerksam zuhörend, beobachtet die beiden, muß leise lachen.
Haushofmeister verneigt sich, tritt zurück, wodurch die Gruppe für den Blick der Marschallin frei wird.
MARSCHALLIN zum Haushofmeister.
Warten lassen.
HAUSHOFMEISTER ab.
DER BARON setzt sich möglichst unbefangen zurecht und nimmt eine gravitätische Miene an.
MARSCHALLIN lachend.
Der Vetter ist, ich seh, kein Kostverächter.
DER BARON erleichtert.
Mit Euer Gnaden ist man frei daran. Da gibts keine Flausen, keine Etikette!
keine spanische Tuerei!
Er küßt der Marschallin die Hand.
MARSCHALLIN amüsiert.
Aber wo Er doch ein Bräutigam ist?
DER BARON halb aufstehend, ihr genähert.
Macht das einen lahmen Esel aus mir?
Bin ich da nicht wie ein guter Hund auf einer guten Fährte?
Und doppelt scharf auf jedes Wild nach links, nach rechts!
MARSCHALLIN.
Ich seh, Euer Liebden betreiben es als Profession.
DER BARON stehend.
Das will ich meinen,
Wüßte nicht, welche mir besser behagen könnte.
Ich muß Euer Gnaden sehr bedauern,
daß Euer Gnaden nur – wie drück ich mich aus –
nur die verteidigenden Erfahrungen besitzen!
Parole d'honneur! Es geht nichts über die von der anderen Seite!
MARSCHALLIN lacht.
Ich glaub ihm schon, daß die sehr mannigfaltig sind.
DER BARON.
Soviel Zeiten das Jahr, soviel Stunden der Tag, da ist keine –
MARSCHALLIN.
Keine?
DER BARON.
Wo nicht –
MARSCHALLIN.
Wo nicht?
DER BARON.
Wo nicht dem Knaben Kupido
ein Geschenkerl abzulisten wäre.
Dafür ist man kein Auerhahn und kein Hirsch,
sondern ist man der Herr der Schöpfung,
daß man nicht nach dem Kalender forciert ist, halten zu Gnaden!
Zum Exempel der Mai ist recht lieb für verliebte Geschäft',
das weiß jedes Kind,
aber ich sage:
Schöner ist Juni, Juli, August.
Da hats Nächte!
Da ist bei uns da droben so ein Zuzug
von jungen Mägden aus dem Böhmischen herüber:
Zur Ernte kommen sie und sind ansonsten anstellig und gut –
Ihrer zwei, dreie halt ich oft
bis im November mir im Haus,
dann erst schick ich sie heim.
Und wie sich das mischt,
das junge runde böhmische Völkel,
süß und schwer,
mit denen von uns, dem deutschen Schlag,
der scharf ist und herb wie ein Retzer Wein.
Wie sich das miteinander mischen tut!
Und überall steht was und lauert und rutscht durch den
Gattern
und schlieft zueinander und liegt beieinander
und überall singt was
und schupft was die Hüften
und melkt was
und mäht was
und planscht und plätschert was im Bach und in der Pferdeschwemm.
MARSCHALLIN.
Und Er ist überall dahinter her?
DER BARON.
Wollt ich könnt sein wie Jupiter selig
in tausend Gestalten,
wär Verwendung für jede.
MARSCHALLIN.
Wie, auch für den Stier? So grob will Er sein?
DER BARON.
Je nachdem! alls je nachdem!
Das Frauenzimmer hat gar vielerlei Arten,
wie es will genommen sein.
Da kenn ich mich aus, halten zu Gnaden!
Da ist das arme Waserl,
steht da, als könnt sie nicht bis fünfe zählen,
und ist, halten zu Gnaden, schon die Rechte, wenns drauf ankommt.
Und da ist, die kichernd und schluchzend den Kopf verliert,
die hab ich gern!
Und die herentgegen,
der sitzt im Aug ein kalter, harter Satan,
aber trifft sich schon ein Stündl, wo so ein Aug ins Schwimmen kommt.
Und wenn derselbige innerliche Satan läßt erkennen,
daß jetzt bei ihm Matthäi am letzten ist,
gleich einem abgeschlagenen Karpfen,
das ist schon, mit Verlaub, ein feines Stück.
Kann nicht genug dran kriegen!
MARSCHALLIN.
Er selber ist ein Satan, meiner Seel!
DER BARON.
Und wäre eine, haben die Gnad,
die keiner anschaut
im schmutzigen Kittel, haben die Gnad, schlumpt sie daher,
hockt in der Aschen hinterm Herd,
die wo einer zur richtigen Stund sie angeht,
die hats in sich! Die hats in sich!
Ein solches Staunen! gar nicht Begreifenkönnen!
und Angst! und auf die letzt so eine rasende Seligkeit,
daß sich der Herr, der gnädige Herr!
herabgelassen gar zu ihrer Niedrigkeit.
MARSCHALLIN.
Er weiß mehr als das ABC.
DER BARON.
Da gibt es, die wollen beschlichen sein,
sanft wie der Wind das frisch gemähte Heu beschleicht.
Und welche – da gilts,
wie ein Luchs hinterm Rücken heran
und den Melkstuhl gepackt,
daß sie taumelt und hinschlägt!
Muß halt ein Heu in der Nähe dabei sein.
MARSCHALLIN.
Nein! Er agiert mir gar zu gut!
Laß Er mir doch das Kind!
DER BARON nimmt wieder würdevolle Haltung an.
Geben mir Euer Gnaden den Grasaff da
zu meiner künftgen Frau Gemahlin Bedienung.
MARSCHALLIN.
Wie, meine Kleine da? Was sollte die?
Die Fräulein Braut wird schon versehen sein
und nicht anstehn auf Euer Liebden Auswahl.
DER BARON.
Das ist ein feines Ding! Kreuzsakerlott!
Da ist ein Tropf gutes Blut dabei!
MARSCHALLIN.
Euer Liebden haben ein scharfes Auge!
DER BARON.
Geziemt sich.
Vertraulich.
Find in der Ordnung, daß Personen von Stand in solcher Weise von adeligem Blut bedienet werden,
führe selbst ein Kind meiner Laune mit mir.
MARSCHALLIN.
Wie? Gar ein Mädel? Das will ich nicht hoffen!
DER BARON.
Nein, einen Sohn: trägt lerchenauisches Gepräge im Gesicht.
Halt ihn als Leiblakai.
Wenn Euer Gnaden dann werden befehlen,
daß ich die silberne Rosen darf Dero Händen übergeben,
wird er es sein, der sie heraufbringt.
MARSCHALLIN.
Soll mich recht freuen. Aber wart Er einmal. Mariandel!
DER BARON.
Geben mir Euer Gnaden das Zofel! Ich laß nicht locker.
MARSCHALLIN.
Ei! Geh Sie und bring Sie doch das Medaillon her.
OCTAVIAN leise.
Theres! Theres, gib acht!
MARSCHALLIN ebenso.
Brings nur schnell! Ich weiß schon, was ich tu.
DER BARON Octavian nachsehend.
Könnt eine junge Fürstin sein.
Hab vor, meiner Braut eine getreue Kopie
meines Stammbaumes zu spendieren
nebst einer Locke vom Ahnherrn Lerchenau, der ein großer Klosterstifter war
und Obersterblandhofmeister in Kärnten
und in der Windischen Mark.
OCTAVIAN bringt das Medaillon.
MARSCHALLIN.
Wollen Euer Gnaden leicht den jungen Herrn da
als Bräutigamsaufführer haben?
DER BARON.
Bin ungeschauter einverstanden.
MARSCHALLIN.
Mein junger Vetter, der Graf Octavian.
DER BARON.
Octavian –
MARSCHALLIN.
Rofrano, des Herrn Marchese zweiter Bruder.
DER BARON.
Wüßte keinen vornehmeren zu wünschen!
Wär in Devotion dem jungen Herrn sehr verbunden!
MARSCHALLIN.
Seh Er ihn an!
Hält ihm das Medaillon hin.
DER BARON sieht bald auf das Medaillon, bald auf die Zofe.
Die Ähnlichkeit!
MARSCHALLIN.
Ja, ja.
DER BARON.
Aus dem Gesicht geschnitten!
MARSCHALLIN.
Hab mir auch schon Gedanken gemacht.
DER BARON.
Rofrano! Da ist man wer, wenn man aus solchem Haus!
und wärs auch bei der Domestikentür.
MARSCHALLIN.
Darum halt ich sie auch wie was Besonderes.
DER BARON.
Geziemt sich.
MARSCHALLIN.
Immer um meine Person.
DER BARON.
Sehr wohl.
MARSCHALLIN.
Jetzt aber geh Sie, Mariandel, mach Sie fort.
DER BARON.
Wie denn? Sie kommt doch wieder?
MARSCHALLIN überhört ihn absichtlich.
Und laß Sie die Antichambre herein.
OCTAVIAN geht gegen die Flügeltür rechts.
DER BARON ihm nach.
Mein schönstes Kind!
OCTAVIAN an der Türe rechts.
Derfts eina gehn!
Läuft nach der anderen Türe.
DER BARON ihm nach.
Ich bin Ihr Serviteur! Geb Sie doch einen Augenblick Audienz.
OCTAVIAN schlägt ihm die kleine Tür vor der Nase zu.
I komm glei.
Im gleichen Augenblick tritt eine alte Kammerfrau durch die gleiche Türe ein. Baron zieht sich enttäuscht zurück. Zwei Lakaien kommen von rechts
herein, bringen einen Wandschirm aus dem Alkoven. Die Marschallin tritt hinter den Wandschirm, die alte Kammerfrau mit ihr. Der Frisiertisch wird vorgeschoben in die Mitte. Lakaien öffnen die Flügeltüren rechts. Es treten ein: der Notar, der Küchenchef, hinter diesen ein Küchenjunge, der das Menübuch trägt. Dann die Marchande de Modes, ein Gelehrter mit einem Folianten und der Tierhändler mit winzig kleinen Hunden und einem Äffchen. Valzacchi und Annina hinter diesen rasch gleitend, nehmen den vordersten Platz links ein. Die adelige Mutter mit ihren drei Töchtern, alle in Trauer, stellen sich an den rechten Flügel.
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