Der Haushofmeister führt den Tenor und den Flötisten nach vorne. Baron, rückwärts, winkt einen Lakaien zu sich, gibt ihm einen Auftrag, zeigt: »Hier durch die Hintertür.«
DIE DREI ADELIGEN TÖCHTER indem sie niederknien.
Drei arme adelige Waisen
erflehen Dero hohen Schutz!
MARCHANDE DE MODES.
Le Chapeau Paméla! La poudre à la reine de Golconde!
DER TIERHÄNDLER.
Schöne Affen, wenn Durchlaucht schaffen,
auch Vögel hab ich da, aus Afrika.
DIE DREI WAISEN.
Der Vater ist jung auf dem Felde der Ehre gefallen,
ihm dieses nachzutun, ist unser Herzensziel.
MARCHANDE DE MODES.
Le chapeau Paméla! C'est la merveille du monde!
TIERHÄNDLER.
Papageien hätt ich da
Aus Indien und Afrika.
Hunderln so klein
und schon zimmerrein.
Marschallin tritt hervor, alles verneigt sich tief.
Baron ist links vorgekommen.
MARSCHALLIN.
Ich präsentier Euer Liebden hier den Notar.
Notar tritt mit Verneigung gegen den Frisiertisch, wo sich die Marschallin niedergelassen, zum Baron links. Marschallin winkt die jüngste der drei Waisen zu sich, läßt sich vom Haushofmeister einen Geldbeutel reichen, gibt ihn dem Mädchen, indem sie es auf die Stirne küßt. Gelehrter will vortreten, seinen Folianten überreichen. Valzacchi springt vor, drängt ihn zur Seite.
VALZACCHI ein schwarzgerändertes Zeitungsblatt hervorziehend.
Die swarze Seitung! Fürstlike Gnade!
alles 'ier ge'eim gesrieben!
nur für 'ohe Persönlikeite!
eine Leikname in 'interkammer
von eine gräflike Palais!
ein Bürgersfrau mit der amante
vergiften der Hehemann!
diese Nackt um dreie Huhr!
MARSCHALLIN.
Laß Er mich mit dem Tratsch in Ruh!
VALZACCHI.
In Gnaden!
tutte quante Vertraulikeite
aus die große Welt!
MARSCHALLIN.
Ich will nix wissen!
Valzacchi mit bedauernder Verbeugung springt zurück. Die drei Waisen, zuletzt auch die Mutter, haben der Marschallin die Hand geküßt.
DIE DREI WAISEN zum Abgehen rangiert.
Glück und Segen allerwegen
Euer Gnaden hohem Sinn!
Eingegraben steht erhaben
er in unsern Herzen drin!
Gehen ab samt der Mutter.
Der Friseur tritt hastig auf, der Gehilfe stürzt ihm mit fliegenden Rockschößen nach. Der Friseur faßt
die Marschallin ins Auge; verdüstert sich, tritt zurück; er studiert ihr heutiges Aussehen. Der Gehilfe indessen packt aus, am Frisiertisch. Der Friseur schiebt einige Personen zurück, sich Spielraum zu schaffen. Nach einer kurzen Überlegung ist sein Plan gefaßt, er eilt mit Entschlossenheit auf die Marschallin zu, beginnt zu frisieren. Ein Lauffer in Rosa, Schwarz und Silber tritt auf, überbringt ein Billett. Haushofmeister mit Silbertablett ist schnell zur Hand, präsentiert es der Marschallin. Friseur hält inne, sie lesen zu lassen. Gehilfe reicht ihm ein neues Eisen. Friseur schwenkt es: es ist zu heiß. Gehilfe reicht ihm, nach fragendem Blick auf die Marschallin, die nickt, das Billett, das er lächelnd verwendet, um das Eisen zu kühlen. Gleichzeitig hat sich der Sänger in Position gestellt, hält das Notenblatt. Flötist sieht ihm, begleitend, über die Schultern.
Drei Lakaien haben rechts ganz vorne Stellung genommen, andere stehen im Hintergrund.
DER SÄNGER.
Di rigori armato il seno
Contro amor mi ribellai
Ma fui vinto in un baleno
In mirar due vaghi rai.
Ahi! che resiste puoco
Cor di gelo a stral di fuoco.
Der Friseur übergibt dem Gehilfen das Eisen und applaudiert dem Sänger. Dann fährt er im Arrangement des Lockenbaues fort.
Ein Bedienter hat indessen bei der kleinen Tür den Kammerdiener des Barons, den Almosenier und den Jäger eingelassen.
Es sind drei bedenkliche Gestalten. Der Kammerdiener ist ein junger, großer Lümmel, der dumm und frech aussieht. Er trägt unter dem Arm ein Futteral aus rotem Saffian. Der Almosenier ist ein verwilderter Dorfkooperator, ein vier Schuh hoher, aber stark und verwegen aussehender Gnom. Der Leibjäger mag, bevor er in die schlecht sitzende Livree gesteckt wurde, Mist geführt haben. Der Almosenier und der Kammerdiener scheinen sich um den Vortritt zu streiten und steigen einander auf die Füße. Sie steuern längs der linken Seite auf ihren Herrn zu, in dessen Nähe sie haltmachen.
DER BARON sitzend zum Notar, der vor ihm steht, seine Weisungen entgegennimmt.
Als Morgengabe – ganz separatim jedoch
und vor der Mitgift – bin ich verstanden, Herr Notar? –
kehrt Schloß und Herrschaft Gaunersdorf an mich zurück!
Von Lasten frei und ungemindert an Privilegien,
so wie mein Vater selig sie besessen hat.
NOTAR kurzatmig.
Gestatten Hochfreiherrliche Gnaden die submisseste Belehrung,
daß eine Morgengabe wohl vom Gatten an die Gattin,
nicht aber von der Gattin an den Gatten
bestellet oder stipuliert zu werden fähig ist.
DER BARON.
Das mag wohl sein.
NOTAR.
Dem ist so –
DER BARON.
Aber im besondren Fall –
NOTAR.
Die Formen und die Präskriptionen kennen keinen Unterschied.
DER BARON schreit.
Haben ihn aber zu kennen!
NOTAR erschrocken.
In Gnaden!
DER BARON wieder leise, aber eindringlich und voll hohen Selbstgefühls.
Wo eines hochadeligen Hauses blühender Sproß sich herabläßt,
im Ehebette einer so gut als bürgerlichen Mamsell Faninal
– bin ich verstanden? – acte de présence zu machen
vor Gott und der Welt und sozusagen
angesichts Kaiserlicher Majestät –
da wird, corpo di Bacco! von Morgengabe
als geziemendem Geschenk dankbarer Devotion
für die Hingab so hohen Blutes
sehr wohl die Rede sein.
Sänger macht Miene, wieder anzufangen, wartet noch, bis der Baron still wird.
NOTAR zum Baron leise.
Vielleicht, daß man die Sache separatim –
DER BARON leise.
Er ist ein schmählicher Pedant: als Morgengabe will ich das Gütel!
NOTAR ebenso.
Als einen wohl verklausulierten Teil der Mitgift –
DER BARON halblaut.
Als Morgengabe! geht das nicht in Seinen Schädel!
NOTAR ebenso.
Als eine Schenkung inter vivos oder –
DER BARON schreiend.
Als Morgengabe!
DER SÄNGER während des Gesprächs der beiden.
Ma si caro è'l mio tormento
Dolce è si la piaga mia
Ch'il penare è mio contento
E 'l sanarmi è tirannia.
Ahi! che resiste puoco –
Hier erhebt der Baron seine Stimme so, daß der Sänger jäh abbricht, desgleichen die Flöte.
Notar zieht sich erschrocken in die Ecke zurück.
Marschallin winkt den Sänger zu sich, reicht ihm die Hand zum Kuß. Sänger nebst Flöte ziehen sich unter tiefen Verbeugungen zurück.
Der Baron tut, als ob nichts geschehen wäre, winkt dem Sänger leutselig zu, tritt dann zu seiner Dienerschaft; streicht dem Leiblakai die bäurisch in die Stirn gekämmten Haare hinaus; geht dann, als suchte er jemand, zur kleinen Tür, öffnet sie, spioniert hinaus, ärgert sich, daß die Zofe nicht zurückkommt; ärgert sich, schnüffelt gegens Bett, schüttelt den Kopf, kommt wieder vor.
MARSCHALLIN sieht sich in dem Handspiegel, halblaut.
Mein lieber Hippolyte,
heut haben Sie ein altes Weib aus mir gemacht!
Der Friseur, mit Bestürzung, wirft sich fieberhaft auf den Lockenbau der Marschallin und verändert ihn aufs neue. Das Gesicht der Marschallin bleibt traurig.
MARSCHALLIN über die Schulter zum Haushofmeister.
Abtreten die Leut!
Vier Lakaien, eine Kette bildend, schieben die aufwartenden Personen zur Tür hinaus, die sie dann verschließen.
Valzacchi, hinter ihm Annina, haben sich im Rücken aller rings um die Bühne zum Baron hinübergeschlichen und präsentieren sich ihm mit übertriebener Devotion. Baron tritt zurück.
VALZACCHI.
Ihre Gnade sukt etwas. Ik seh.
Ihre Gnade 'at ein Bedürfnis.
Ik kann dienen.
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