Octavian sieht herum, nimmt den Spiegel, richtet sein Haar. Baron bemerkt den Kellner und Kellnerjungen, die noch mehr Kerzen anzünden wollen, winkt ihnen, sie sollten es sein lassen. In ihrem Eifer bemerken sie es nicht.

Baron, ungeduldig, reißt den Kellnerjungen von der Leiter, löscht einige ihm zunächst brennende Kerzen mit der Hand aus. Valzacchi zeigt dem Baron diskret den Alkoven und durch eine Spalte des Vorhanges das Bett. Der Wirt mit noch mehreren Kellnern eilt herbei, den vornehmen Gast zu begrüßen.

 

WIRT.

Haben Euer Gnaden weitere Befehle?

DIE KELLNER.

Befehlen mehr Lichter? Ein größeres Zimmer? Befehlen noch mehr

Silber auf den Tisch?

DER BARON eifrig beschäftigt, mit einer Serviette, die er vom Tisch genommen und entfaltet hat, alle ihm erreichbaren Kerzen auszulöschen.

Verschwindts! Macht mir das Madel nicht verruckt!

Was will die Musik? Hab sie nicht bestellt.

WIRT.

Schaffen vielleicht, daß man sie näher hört?

Im Vorsaal da, als Tafelmusik.

DER BARON.

Laß Er die Musik wo sie ist.

 

Bemerkt das Fenster rechts rückwärts im Rücken des gedeckten Tisches.

 

Was is das für ein Fenster da?

 

Probiert, ob es hereinzieht.

 

WIRT.

Ein blindes Fenster nur.

 

Verneigt sich.

 

Darf aufgetragen werdn?

 

Alle fünf Kellner wollen abeilen.

 

DER BARON.

Halt, was wollen die Maikäfer da?

DIE KELLNER an der Tür.

Servieren, Euer Gnaden!

DER BARON winkt ab.

Brauch niemand nicht. Servieren wird mein Kammerdiener da,

einschenken tu ich selber. Versteht Er?

 

Valzacchi bedeutet sie, den Willen Seiner Gnaden wortlos zu respektieren. Schiebt sie zur Tür hinaus.

 

DER BARON zu Valzacchi, indem er aufs neue eine Anzahl von Kerzen auslöscht, darunter mit einiger Mühe die hoch an der Wand brennenden.

Er ist ein braver Kerl. Wenn Er mir hilft, die Rechnung runterdrucken,

dann fallt was ab für Ihn. Kost' sicher hier ein Martergeld.

 

Valzacchi unter Verneigung ab.

Octavian ist nun fertig.

Baron führt ihn zu Tisch, sie setzen sich.

Der Lakai am Büfett sieht mit unverschämter Neugierde der Entwicklung des Tete-a-tete entgegen, stellt Karaffen mit Wein vom Büfett auf den Eßtisch.

Baron schenkt ein. Octavian nippt. Baron küßt Octavian die Hand. Octavian entzieht ihm die Hand. Baron winkt dem Lakaien abzugehen, muß es mehrmals wiederholen, bis der Lakai endlich geht.

 

OCTAVIAN schiebt sein Glas zurück.

Nein, nein, nein, nein! I trink kein Wein.

DER BARON.

Geh, Herzerl, was denn? Mach doch keine Faxen.

OCTAVIAN.

Nein, nein, i bleib net da.

 

Springt auf, tut, als wenn er fort wollte.

 

DER BARON packt ihn mit seiner Linken.

Sie macht mich deschparat.

OCTAVIAN.

Ich weiß schon, was Sie glauben! O Sie schlimmer Herr!

DER BARON sehr laut.

Saperdipix! Ich schwör bei meinem Schutzpatron!

OCTAVIAN tut sehr erschrocken, läuft, als ob er sich irrte, statt zur Ausgangstür gegen den Alkoven, reißt den Vorhang auseinander, erblickt das Bett. Gerät in übermäßiges Staunen, kommt ganz betroffen auf den Zehen zurück.

Jesus Maria, steht a Bett drin, a mordsmäßig großes.

Ja mei, wer schlaft denn da?

DER BARON führt ihn zurück an den Tisch.

Das wird Sie schon sehen. Jetzt komm Sie, setz Sie sich schön.

Kommt gleich der mitn Essen. Hat Sie denn kein' Hunger nicht?

 

Legt ihm die Linke um die Taille.

 

OCTAVIAN.

Au weh, wo Sie ja doch ein Bräutigam tun sein.

 

Wehrt ihn ab.

 

DER BARON.

Ah laß Sie schon einmal das fade Wort!

Sie hat doch einen Kavalier vor sich

und keinen Seifensieder:

Ein Kavalier läßt alles,

was ihm nicht konveniert,

da draußen vor der Tür. Hier sitzt kein Bräutigam

und keine Kammerjungfer nicht.

Hier sitzt mit seiner Allerschönsten ein Verliebter beim Souper.

 

Zieht ihn zu sich.

Octavian lehnt sich kokett in den Sessel zurück, mit halbgeschlossenen Augen.

 

DER BARON erhebt sich, der Moment für den ersten Kuß scheint ihm gekommen. Wie sein Gesicht dem der Partnerin ganz nahe ist, durchzuckt ihn jäh die Ähnlichkeit mit Octavian. Er fährt zurück und greift unwillkürlich nach dem verwundeten Arm.

Is ein Gesicht! Verfluchter Bub!

Verfolgt mich als a Wacher und im Traum!

 

Octavian öffnet die Augen, blickt ihn frech und kokett an. Baron, nun wieder versichert, daß es die

Zofe ist, zwingt sich zu einem Lächeln. Aber der Schreck ist ihm nicht ganz aus den Gliedern. Er muß Luft schöpfen, und der Kuß bleibt aufgeschoben. Der Mann unter der Falltür öffnet zu früh und kommt zum Vorschein. Octavian, der ihm gegenübersitzt, winkt ihm eifrig zu verschwinden. Der Mann verschwindet sofort. Baron, der, um den unangenehmen Eindruck von sich abzuschütteln, ein paar Schritte getan hat und sie von rückwärts umschlingen und küssen will, sieht gerade noch den Mann. Er erschrickt heftig, zeigt hin.

 

OCTAVIAN als verstünde er nicht.

Was ist mit Ihm?

DER BARON auf die Stelle deutend, wo die Erscheinung verschwunden ist.

Was war denn das? Hat Sie den nicht gesehn?

OCTAVIAN.

Da is ja nix!

DER BARON.

Da is nix?

 

Nun wieder ihr Gesicht angstvoll musternd.

 

So?

Und da is auch nix?

 

Fährt mit der Hand über ihr Gesicht.

 

OCTAVIAN.

Da is mei G'sicht.

DER BARON atmet schwer, schenkt sich ein Glas Wasser ein.

Da is Ihr Gsicht – und da is nix – mir scheint,

ich hab die Kongestion.

 

Setzt sich schwer, es ist ihm ängstlich zumute. Der Lakai kommt, serviert. Die Musik von draußen stärker.

 

OCTAVIAN.

Die schöne Musik!

DER BARON wieder sehr laut.

Is mei Leiblied, weiß Sie das?

 

Winkt dem Lakaien abzugehen, Lakai geht.

 

OCTAVIAN horcht auf die Musik.

Da muß ma weinen.

DER BARON.

Was?

OCTAVIAN.

Weils gar so schön is.

DER BARON.

Was, weinen? Wär nicht schlecht.

Kreuzlustig muß Sie sein, die Musik geht ins Blut.

Gspürt Sies jetzt

auf die letzt, gspürt Sies dahier,

daß Sie aus mir

kann machen alles frei, was Sie nur will?

OCTAVIAN zurückgelehnt, wie zu sich selbst sprechend, mit unmäßiger Traurigkeit.

Es is ja eh alls eins, es is ja eh alls eins,

was ein Herz auch noch so gach begehrt.

 

Indes der Baron ihre Hand faßt.

 

Na was willst denn halt, so mit aller Gwalt,

geh, es is ja alls net drumi wert.

DER BARON.

Was hat Sie? Is sehr wohl der Müh wert!

OCTAVIAN immer gleich melancholisch.

Wie die Stund hingeht, wie der Wind verweht,

so sind wir bald alle zwei dahin.

Menschen sein ma halt, richt'ns nicht mit Gwalt,

weint uns niemand nach, net dir net und net mir.

DER BARON.

Macht Sie der Wein leicht immer so? Is ganz gewiß Ihr Mieder, das aufs Herz Ihr druckt.

OCTAVIAN mit geschlossenen Augen gibt keine Antwort.

DER BARON steht auf und will ihr aufschnüren.

Jetzt wirds frei mir ein bisserl heiß.

 

Schnell entschlossen nimmt er seine Perücke ab und sucht sich einen Platz, sie abzulegen.