Du aber mußt diese Fremden auf unsere Spur lenken. Du mußt ihnen sagen, daß wir zu Scharka reiten wollen. Sie werden uns ganz gewiß folgen und dann sind sie verloren. Wir werden ihnen am Scheïtan kajaji auflauern. Dort können sie weder rechts noch links ausweichen und müssen uns in die Hände laufen.«
»Und wenn sie uns trotz alledem entgehen?« fragte Bybar, der andere Aladschy.
»So fallen sie beim Köhler desto sicherer in unsere Hände. Der Konakdschi mag ihnen von den Schätzen der Höhle erzählen, wie er es all den Andern erzählt hat, welche in die Falle gegangen sind. Es müßte die ganze Hölle mit ihnen im Bunde stehen, wenn sie die Ip merdiwani (* Strickleiter.) fänden, welche empor in die hohle Eiche führt. Das Pferd des Deutschen wird freilich Karanirwan für sich haben wollen. Das Andere aber teilen wir unter uns, und ich denke, daß wir zufrieden sein werden. Ein Mensch, welcher solche Reisen macht und ein solches Pferd besitzt, wie dieser Deutsche, muß sehr viel Geld bei sich haben.«
Da befand er sich freilich in einem außerordentlichen Irrtum. Mein ganzer Reichtum bestand augenblicklich in dem, was ich von ihm hörte. Ich wußte nun, daß Karanirwan der Schut sei. Ich wußte auch, daß die Opfer des Köhlers durch gewisse Schilderungen des Konakdschi in die Höhle gelockt worden waren. Und ich wußte, daß diese Höhle einen zweiten Ein- oder auch Ausgang hatte, welcher in eine hohle Eiche emporführte. Diese Eiche hatte jedenfalls einen bedeutenden Umfang und eine entsprechende Höhe und mußte also so in die Augen fallen, daß sie nicht schwer zu finden war.
Weiter bekam ich nichts mehr zu hören. Der Wirt war voll von Angst und mahnte zum Aufbruch. Die Männer bestiegen ihre Pferde; dem stöhnenden Mübarek wurde in den Sattel geholfen, und bald hörte ich das Plätschern, als sie durch die Furt ritten. Nun stieg ich vom Baum und ging nach dem Hause zurück. Ich wußte nicht, was besser sei, einzutreten oder erst durch den eingeschlagenen Laden zu schauen; da aber vernahm ich Halefs laute Stimme in dem Hause und ging also hinein.
Eigentlich trat man durch die Türe sofort in das große Verkehrszimmer, doch war eine Rutenwand vorgestellt worden, um diesen Raum gegen den direkten Zug zu schützen. Noch hinter derselben stehend, hörte ich Halef in strengstem Ton sagen:
»Ich verbiete dir, dich des Nachts draußen herum zu treiben, während so glorreiche Männer, wie wir sind, hier stehen, um mit dir zu sprechen. Du bist der Wirt dieses armseligen Konak und hast deine Gäste zu bedienen, damit sie sich wohl befinden zwischen deinen drei oder vier morschen Pfählen. Wenn du diese deine Pflicht versäumst, so werde ich sie nachdrücklich dir zum Bewußtsein bringen. Wo kommst du her?«
»Ich war draußen, um heimlich zu beobachten, wohin sich die Männer wenden würden, welche vorhin so ruchlos über dich hergefallen sind,« antwortete der Wirt, welcher natürlich sofort in das Haus zurückgekehrt war.
Nun trat ich bis an den Rand der Scheidewand vor und blickte in die Stube. Da lagen fünf oder sechs Personen gebunden am Boden, von Osko und Omar bewacht, welche sich auf ihre Gewehre stützten. Daneben stand Halef, mit herausgedrückter Brust, in majestätischer Haltung, und vor ihm der Wirt in demütiger Stellung, und neben demselben eine alte Frau, welche mehrere Stricke in den Händen hielt. Der kleine Hadschi befand sich wieder einmal in der ihm so willkommenen Lage, sich das Ansehen eines bedeutenden Mannes zu geben.
»So!« sagte er. »Jetzt nennst du es ruchlos; vorher aber hattest du deine Freude daran.«
»Das war Verstellung, Herr. Ich mußte so tun, um die Schurken nicht noch mehr zu erzürnen. Im Stillen jedoch war ich fest entschlossen, alles zu wagen, um dich aus ihren Händen zu befreien.«
»Das klingt sehr schön. Du willst wohl damit sagen, daß du nicht ihr Verbündeter bist?«
»Ich kenne sie gar nicht.«
»Und doch nanntest du sie alle bei ihren Namen!«
»Die wußte ich, weil sie sich bei denselben nannten.
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