Mein Onkel hinterließ mir vor vielen Jahren eine Menge Geld. Wieviel, kann ich nicht sagen. Arthur hat mein Vermögen von jeher verwaltet. Jedenfalls habe ich immer alles, was ich brauche.«

»Dann maulen Sie nicht!« verwies er sie vergnügt.

»Wahrscheinlich kommen die Ehen der meisten vermögenden Mädchen auf diese Weise zustande, und bis vor kurzem fand ich mich auch damit ab wie mit etwas Unvermeidlichem.«

»Und warum haben Sie Ihre Meinung geändert?« erkundigte er sich und sah, wie ihr das Blut in die Wangen schoß.

»Das weiß ich nicht«, antwortete sie schroff.

Verstohlen sah sie im Gehen zu ihm hinüber. Unwillkürlich mußte sie an ihren Verlobten denken, diesen dürren, leicht reizbaren jungen Mann, der alles hatte, ausgenommen Männlichkeit. Ein Schwächling mit gefolterten Nerven, der bald bat, bald lärmend einzuschüchtern versuchte, unbekümmert um den Eindruck, den er auf die Frau machte, die sein Leben teilen sollte.

Ein paar Minuten später, auf dem Rückweg nach dem alten Willow-Haus, quälte sie sich mit einem Problem, das unlösbar schien.

3

Dick Alford schlenderte langsam in entgegengesetzter Richtung. Von weitem bemerkte er die schmächtige Gestalt seines Bruders am Ende der Ulmenallee. Der Wind hob die Schöße seines Gehrocks, und wie er so dastand, leicht vornübergebeugt und den Kopf vorgestreckt, glich er einem großen, plumpen Vogel. Mit zornverzerrter Miene kam er Dick entgegen.

»Ich überlasse dir vieles, Richard, aber meine Liebesaffären regle ich allein!« Seine Stimme schrillte in kindischer Wut. »In meine Privatangelegenheiten hast du dich nicht zu mischen, verstanden? Ein Mädchen hast du schon weggeschickt - nimm dich in acht mit Leslie!«

»Wie kommst du nur .«

»Du willst nicht, daß ich heirate«, schnitt ihm Harry das Wort ab. »Ich bin kein Dummkopf, Dick! Du bist der nächste Erbberechtigte ... Doch diese Verlobung wirst du nicht hintertreiben!«

Die Brutalität und Ungerechtigkeit der Anklage verschlug Dick im ersten Augenblick den Atem. Dann lachte er laut auf. Szenen dieser Art spielten sich fast täglich ab, nie zuvor jedoch war Harry Alford so weit gegangen. In zehn Minuten würde der Sturm sich ausgetobt haben, Harry wieder der liebenswürdigste Mensch sein - trotzdem, es war nur schwer erträglich.

»Warum diese Vorwürfe?« verteidigte er sich. »Ich ließ die Wenner gehen, weil sie keine Frau für dich war.«

»Ich soll überhaupt nicht heiraten, das willst du!« keifte Harry. »Du wartest darauf, in meine Fußstapfen zu treten. Eine neue Gräfin von Chelford ist das letzte auf der Welt, das du sehen möchtest!«

Dick schwieg. Weiß Gott, sein Bruder sprach die Wahrheit! Ein schwarzer Tag, an dem Harry Alford in dieses Haus eine Frau brachte, die das wie eine Wolke über Fossaway hängende Geheimnis teilen mußte.

4

Dick Alford saß in dem kleinen Zimmer, in dem er meistens arbeitete und das durch die vielen Mappen und Briefordner ein büromäßiges Aussehen bekam. Die auf den Garten hinausgehenden Fenster standen weit offen. Die Septembernacht war so warm, daß er den Rock ausgezogen hatte.

Wenn zwischen Lord Alford und seiner Mutter eine große Ähnlichkeit bestand, so hätte auch der schärfste Beobachter keine Spur einer solchen zwischen Dick Alford und seinem Halbbruder entdecken können. Ein breitschultriger Athlet mit wettergebräuntem Gesicht -seine blauen Augen musterten mit einem spöttischen Lächeln den Diener, mit dem er sich gerade unterhielt. Er schob die Schreibmaschine beiseite und steckte sich die Pfeife wieder an.

»Der Schwarze Abt? O Gott! Haben Sie ihn gesehen, Thomas?«

»Ich nicht, Sir. Aber Mr. Cartwright ...« Und Thomas lieferte einen anschaulichen Bericht über das greuliche Erlebnis des Dorfkrämers. »Wer weiß, ob der Schwarze Abt nicht auch an dem Feuer schuld ist, das während der Erholungsreise des Vikars im Pfarrhaus ausbrach?«

»Das genügt, Thomas! Was Mr. Cartwright betrifft -entweder war er betrunken, oder er sah einen Schatten ...« Er blickte auf den Rasen hinaus, den das bläulichweiße Licht des Vollmonds übergoß. »Bei solchem Mondlicht bildet man sich häufig ein, seltsame Dinge zu sehen. - Hat Lord Alford übrigens nicht jede Diskussion über den Schwarzen Abt verboten?«

»Jawohl, Sir.«

»Dann halten Sie also den Mund!«

An seiner Pfeife saugend schlenderte Dick zur Bibliothek.

Der dreiarmige Kronleuchter war nicht angedreht. Nur die beiden grünbeschirmten Lampen rechts und links auf dem Schreibtisch brannten und machten den Raum noch düsterer.

Beim Anblick des Bruders furchte Lord Alford die Stirn.

»Wirklich, Dick, mir wäre es sehr lieb, wenn du im Hause nicht in Hemdsärmeln und Breeches herumliefest! Es sieht scheußlich aus.«

»Ist aber hübsch warm heute abend.« Dick setzte sich.