Während ich noch über seine Worte nachsann, erklang irgendwo auf dem Schiff die volle Stimme eines Matrosen, der das »Lied des Passats« sang:

»Ich bin der Wind, den der Seemann liebt -

Ich bin die Stärke und Treue ...«

Manchmal glaubte ich, dass Wolf Larsen verrückt war - oder mindestens halb verrückt. Er hatte so seltsame Launen. Zu anderen Zeiten aber hielt ich ihn für einen großartigen Menschen, für ein verirrtes Genie. Auf jeden Fall war er die perfekte Ausgabe eines Urmenschen, der tausend Jahre oder Generationen zu spät zur Welt gekommen war. Zwischen ihm und den übrigen Männern an Bord gab es keinerlei Gemeinsamkeit. Er spielte mit ihnen, wie andere Leute mit jungen Hunden spielen.

Was Wolf Larsens Launen betrifft, will ich eine Geschichte über Thomas Mugridge erzählen.

Nach dem Mittagessen hatte ich eben die Kajüte in Ordnung gebracht, als der Kapitän und der Koch die Treppe herunterkamen. Normalerweise hielt sich Mugridge nicht in der Kajüte auf und flitzte nur eilig hindurch, wenn er in sein Kämmerchen wollte.

»Du kannst also ›Nap‹ spielen«, sagte Wolf Larsen erfreut. »Das hätte ich mir denken können, denn ich habe es auf einem englischen Schiff gelernt.«

Mugridge war außer sich, konnte kaum fassen, dass der Kapitän so leutselig mit ihm umging. Hochnäsig bemühte er sich, den Mann von Welt zu spielen, und ignorierte mich dabei völlig.

»Hol die Karten, Hump«, befahl Wolf Larsen, während sie sich an den Tisch setzten. »Und bring Zigarren und Whiskey!«

Ich holte die üblichen Likörgläser, musste sie jedoch gegen Becher austauschen. Diese füllte der Kapitän zu zwei Dritteln mit unverdünntem Whiskey. Die beiden prosteten sich zu, zündeten ihre Zigarren an und griffen nach den Karten.

Sie spielten um Geld. Sie steigerten ihre Einsätze, sie tranken Whiskey und tranken ihn aus. Ich schaffte mehr herbei. Wolf Larsen gewann jedes Spiel. Mehrmals trabte der Koch zu seinem Schlafplatz, um mehr Geld zu holen. Bald konnte er kaum noch aus den Augen schauen oder aufrecht sitzen. Bei Wolf Larsen zeigte der Alkohol keinerlei Wirkung. Schließlich hatte der Koch sein letztes Geld gesetzt und verloren. Er schlug seine Hände vors Gesicht und fing an zu weinen.

»Hump«, sagte Wolf Larsen freundlich zu mir, »nehmen Sie doch bitte Mr Mugridges Arm und helfen Sie ihm an Deck. Er fühlt sich nicht wohl.« Leiser fügte er hinzu: »Sagen Sie Johnson, er soll ihm ein paar Eimer Salzwasser über den Kopf gießen!«

Auf Deck vertraute ich den Koch einigen grinsenden Seeleuten an. Während ich die Treppe hinunterging, um den Tisch abzuräumen, hörte ich ihn bereits kreischen.

Wolf Larsen zählte seinen Gewinn. »Einhundertfünfundachtzig Dollar. Das habe ich mir gedacht. Der Bettler ist ohne einen Pfennig an Bord gekommen.«

»Was Sie gewonnen haben, gehört mir, Sir«, sagte ich kühn.

Er grinste spöttisch. »Sie bringen die Zeiten durcheinander, Hump. Mit der Grammatik kenne ich mich etwas aus. ›Gehörte mir‹, sollten Sie sagen, nicht ›gehört mir‹.«

»Das ist keine Frage von Grammatik, sondern von Moral«, antwortete ich.

Eine Weile sagte er nichts. Dann lag Traurigkeit in seiner Stimme. »Wissen Sie, Hump, das ist das erste Mal, dass ich das Wort ›Moral‹ aus dem Munde eines Mannes höre.