»Du rubbelst dem Herrn sonst die ganze Haut ab!«
Der Kerl namens Yonson, ein vierschrötiger skandinavischer Bursche, richtete sich auf. Sein Gefährte stammte offensichtlich aus London, so wie er sprach. Er hatte ein hübsches, beinahe weiblich wirkendes Gesicht. Auf dem Kopf trug er eine schmutzige Mütze und eine genauso schmutzige Schürze wies ihn als Koch der verdreckten Kombüse aus, in der ich mich befand. Mühsam setzte ich mich auf und Yonson half mir auf die Füße. Der Koch reichte mir grinsend einen dampfenden Becher. »Hier, der wird Ihnen gut tun.«
Der Kaffee schmeckte absolut scheußlich, aber seine Wärme weckte meine Lebensgeister. Während ich trank, betrachtete ich meine wunde Brust und wendete mich an den Skandinavier. »Vielen Dank, Mr Yonson.«
Er musterte seine schwielige Hand. »Mein Name ist Johnson, nicht Yonson.« Sein Englisch war ausgezeichnet, wenn auch etwas schleppend, und seine blauen Augen blickten offen und männlich. Ich mochte ihn auf Anhieb.
»Danke, Mr Johnson«, berichtigte ich mich und streckte ihm meine Hand entgegen.
Erst zögerte er etwas verlegen, doch dann ergriff er sie um sie herzhaft zu schütteln.
»Haben Sie trockene Sachen für mich?«, fragte ich den Koch. »Ja, Sir. Ich laufe gleich runter und hole ein paar von meinen Klamotten, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Und wo befinde ich mich hier?«, wandte ich mich an Johnson, den ich für einen Matrosen hielt. »Was ist das hier für ein Schiff und wohin fährt es?«
»Nach Südwesten - es ist der Schoner Ghost, unterwegs nach Japan zur Robbenjagd.«
»Und wer ist der Kapitän? Ich muss ihn sprechen, sobald ich angezogen bin.«
Johnson suchte nach den richtigen Worten. Er schien sich gar nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. »Der Kapitän heißt Wolf Larsen, jedenfalls nennen ihn alle so. Aber seien Sie vorsichtig! Er spielt heute Morgen verrückt. Der Steuermann ...« Da tauchte der Koch wieder auf. »Schwing die Hufe, Yonson! Der Alte verlangt an Deck nach dir.«
Gehorsam drehte sich Johnson zur Tür, wobei er mir noch einen warnenden Blick zuwarf.
Der Koch trug ein unappetitlich aussehendes Bündel von Kleidungsstücken über dem Arm, das einen säuerlichen Geruch verströmte.
»Das Zeug ist nass weggeräumt worden«, erklärte er. »Hoffentlich bleibt Ihnen so etwas in Zukunft erspart. Habe doch gleich gemerkt, dass Sie etwas Besseres sind.«
Mein neues Outfit bestand aus einem billigen Baumwollhemd voller eingetrockneter Blutflecken, einer verwaschenen Überziehhose, an der das eine Bein kürzer war als das andere, und einem Paar Arbeitsstiefeln. Dazu erhielt ich eine lächerliche Kappe und eine viel zu kleine, schmutzige Jacke.
Ich fand den Koch von Anfang an nicht sympathisch, und als er mir jetzt beim Anziehen half, wuchs meine Abneigung noch. Es drängte mich hinaus an die frische Luft. Außerdem musste ich mich dringend darum kümmern, dass ich an Land gebracht wurde.
»Wem habe ich für diese Kostbarkeiten zu danken?«, fragte ich. Der Kerl grinste übertrieben demütig und schien auf ein Trinkgeld zu warten.
»Mugridge, Sir«, flötete er, »Thomas Mugridge, Sir, stets zu Ihren Diensten.«
»Okay, Thomas, ich werde an Sie denken, wenn meine Sachen getrocknet sind.«
»Vielen Dank, Sir«, sagte er unterwürfig.
Ich ging hinaus an Deck. Ich fühlte mich noch reichlich schwach auf den Beinen, während das Schiff von den Wellen des Pazifiks geschaukelt wurde. Der Nebel war verschwunden und die Sonne glitzerte auf der Wasseroberfläche. Ich spähte nach Osten, wo Kalifornien liegen musste, aber außer ein paar Nebelbänken konnte ich nichts entdecken. Im Norden, gar nicht weit entfernt, erhob sich eine Felsgruppe mit einem Leuchtturm darauf. Und im Südwesten, fast auf unserem Kurs, sichtete ich ein paar Segel.
1 comment