Außer einem Matrosen am Steuerrad, der mich neugierig beobachtete, nahm niemand Notiz von mir. Das allgemeine Interesse konzentrierte sich auf ein Ereignis mittschiffs. Dort lag ein großer Kerl auf einem Lukendeckel ausgestreckt auf dem Rücken. Er war vollständig angekleidet, doch sein Hemd klaffte vorne auseinander. Der Mann war klatschnass. Seine Augen waren geschlossen und er war anscheinend bewusstlos, doch sein Mund stand weit offen. Er rang geräuschvoll nach Atem. Immer wieder ließ ein Matrose einen Eimer aus Segeltuch ins Wasser hinunter, zog ihn herauf und kippte seinen Inhalt über den Bewusstlosen.
Währenddessen schritt jemand neben dem Lukendeckel auf und ab und biss auf dem Ende seiner Zigarre herum. Es war der Mann, dessen zufälliger Blick mich aus dem Meer gerettet hatte. Er war groß und breitschultrig, aber vor allem strahlte er Kraft aus: die zähe Kraft eines wilden Tieres.
Da streckte der Koch seinen Kopf aus der Kombüsentür und deutete auf den Mann mit der Zigarre. Er also war der Kapitän dieses Schiffes, der Alte. Ich wollte gerade auf ihn zugehen, als der bewusstlose Mann von einem heftigen Erstickungsanfall geschüttelt wurde. Sein Körper krümmte sich und bäumte sich auf. Die Muskeln spannten sich und sein Brustkorb hob sich im verzweifelten Kampf um mehr Luft.
Der Kapitän blieb stehen, um den Sterbenden zu beobachten. Dessen Muskeln entspannten sich wieder, sein Kiefer fiel herunter, seine Gesichtszüge erstarrten.
Plötzlich geschah etwas völlig Unerwartetes. Der Kapitän überschüttete den Toten mit einer Flut von Verwünschungen und Flüchen, den schrecklichsten Gotteslästerungen. Anscheinend hatte der Verstorbene an einem wüsten Gelage teilgenommen, bevor man von San Francisco aus in See stach. Jetzt stand Wolf Larsen gleich zu Beginn seiner Reise ohne Steuermann da! Doch genauso plötzlich, wie er damit begonnen hatte, hörte er zu fluchen auf. Er zündete sich seine Zigarre wieder an und sah sich um.
Seine Blicke trafen den Koch.
»Nun, Köchlein?« Seine Stimme war kalt wie Stahl.
»Ja, Sir?«, fragte der Koch unterwürfig.
»Meinst du nicht, dass du deine Nase lang genug herausgestreckt hast? Das ist ungesund, wie du weißt. Der Steuermann ist fort, jetzt kann ich nicht auch noch dich verlieren. Du musst gut auf deine Gesundheit achten, Köchlein. Verstanden?« Das letzte Wort knallte wie ein Peitschenhieb. Der Koch duckte sich.
»Ja, Sir«, meinte er verdattert, während er seinen Kopf zurückzog. Der Rest der Mannschaft machte sich unverzüglich wieder an die Arbeit. Einige Männer allerdings, die keine Matrosen zu sein schienen, unterhielten sich leise miteinander. Wie ich später erfuhr, waren das die Jäger; jene Männer, die die Robben erlegten. Sie genossen mehr Ansehen als die Matrosen.
»Johansen!«, rief Wolf Larsen und ein Seemann trat vor. »Beschaff dir Nadel und Faden und näh den Kerl da ein. Ein Stück Leinwand findest du in der Truhe mit dem Segeltuch. Beeil dich!« »Was sollen wir ihm an die Füße hängen, Sir?«
»Wird sich finden.« Wolf Larsen erhob seine Stimme und brüllte: »Köchlein!«
Daraufhin schoss Thomas Mugridge aus seiner Kombüse wie ein Kastenteufel.
»Lauf runter und füll einen Sack mit Kohle! - Hat einer von euch eine Bibel oder ein Gebetbuch?«, wandte er sich an die herumlungernden Jäger.
Sie schüttelten die Köpfe und einer von ihnen machte einen dummen Witz.
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