Er war stärker als ich. Das war alles. Aber das Ganze war völlig unwirklich. Alles scheint immer noch völlig unwirklich, wenn ich daran zurückdenke. Es wird immer ein entsetzlicher Albtraum bleiben.

»Halt, warten Sie mal!« Ich blieb gehorsam stehen.

»Johansen, rufen Sie die Mannschaft zusammen! Da wir jetzt alles im Griff haben, wollen wir gleich das Begräbnis abwickeln, damit kein überflüssiger Plunder an Deck herumliegt.«

Einige Männer packten die Leiche mitsamt dem Lukendeckel. Dann schafften sie sie nach Lee und legten sie auf eines der kleinen Boote, die auf beiden Seiten des Decks über der Reling hingen. An ihrem Fußende wurde ein Kohlensack befestigt.

Unter einem Begräbnis auf See hatte ich mir immer etwas Feierliches vorgestellt, doch jetzt wurde ich eines Besseren belehrt. Smoke, einer der Jäger, erzählte schmutzige Witze. Die Matrosen trampelten geräuschvoll über die Planken und eine der Wachen rieb sich den Schlaf aus den Augen. Die Männer wirkten besorgt. Anscheinend hatten sie keine Lust auf eine Reise mit diesem Kapitän. Von Zeit zu Zeit warfen sie Wolf Larsen verstohlene Blicke zu, die zeigten, dass sie auf der Hut waren.

Als er zum Lukendeckel schritt, wurden alle Mützen abgenommen. Ich musterte die Gesichter. Hier waren zwanzig Männer versammelt, zweiundzwanzig, wenn man den toten Steuermann und mich dazuzählte. Meine Neugier auf sie war wohl begreiflich, da ich für Wochen und Monate mit diesen Leuten auf engstem Raum eingepfercht leben und ihr Schicksal teilen sollte.

Wolf Larsen öffnete seinen Mund um zu beginnen, da fegte eine Bö nach der anderen über den Schoner und drückte ihn auf die Seite. Die Reling tauchte tief ins Wasser und unsere Füße wurden überspült. Ein nasser Schauer ergoss sich über uns. Als er vorüber war, sprach Wolf Larsen.

»Ich erinnere mich nur an eine einzige Stelle des Gottesdienstes: ›Und deine Leiche soll in die See geworfen werden.‹ Also werft ihn hinein!«

Die Männer, die den Lukendeckel hielten, blieben verblüfft stehen. Da herrschte er sie an: »Nun macht schon, zum Teufel!«

Jetzt hoben sie den Deckel am oberen Ende an und der Tote flog in hohem Bogen ins Meer. Der Kohlensack zog ihn in die Tiefe, er war verschwunden.

»Johansen«, befahl Wolf Larsen, »lassen Sie alle Mann an Deck bleiben. Sie sollen die Toppsegel und den Klüver einholen, aber schnell! Ein starker Südwest ist im Anflug. Reffen Sie auch das Großsegel.«

Im Nu war das ganze Deck in Bewegung, mir als Landratte erschien es chaotisch. Der Tote war vergessen. Das Schiff setzte seine Reise fort.

Während ich versuchte mich an meine neue Umgebung zu gewöhnen, musste ich viele Demütigungen und Schmerzen ertragen. Der Koch war mir gegenüber wie ausgewechselt. Während er anfangs diensteifrig und beflissen gewesen war, verhielt er sich jetzt herrisch und angriffslustig. Ich war nun in der Tat kein feiner Herr mehr mit der glatten Haut einer Dame, sondern nur ein gewöhnlicher und recht wertloser Kajütenjunge.

Absurderweise bestand der Koch darauf, dass ich ihn mit »Mr Mugridge« anredete, und sein Benehmen war unerträglich, während er mir meine Pflichten erklärte. Außer meiner Arbeit in der Kajüte mit ihren vier kleinen Kabinen sollte ich in der Kombüse helfen. Dort bildete meine völlige Unerfahrenheit im Hinblick auf Kartoffelschälen oder das Abwaschen schmieriger Töpfe Anlass für unendlichen Spott. Noch bevor es Abend wurde, hasste ich den Koch mehr, als ich je im Leben jemanden gehasst hatte.

Dieser erste Tag wurde für mich noch dadurch erschwert, dass die Ghost unter gerefften Segeln durch einen mächtigen Sturm stampfte.