So gehen Sie denn gefälligst mit mir. Ich habe von einem Buchhändler für eine Uebersetzung aus dem Griechischen zehn Louisd'or eingenommen, die meine Frau nichts angehen. Halbpart – ehrlicher, unglücklicher Mann!
HERR VON WALLENFELD. Herr Rektor, das ist freilich sehr gut gedacht; Er schlägt sich vor den Kopf. aber ich Elender, ach!
REKTOR. So nehmen Sie denn meinen armen guten Willen an. Bei Occasion meines Sohnes und Ihrer, muß ich doch sagen, daß wir in Europa mit sammt unserer Kultur kuriose Leute sind.
HERR VON WALLENFELD. Wie das?
REKTOR. Bedenken Sie selbst! – wir haben christliche Orden, welche für Gefangene betteln, die von denen Seesäubern genommen sind; dazu geben wir willig unser Geld her; wir fechten gegen die Seeräuber von Algier; gegen Diebe, welche bei Nacht einbrechen oder sonst rauben, bauen wir Galgen an jede Grenze; auch läßt die christliche Obrigkeit, andern zum Exempel, ihnen selbst aber zur wohl verdienten Strafe, sie ab und zu aufknüpfen: – dahingegen sehen wir ruhig zu, und sitzen daneben, wie bei angezündeten Kerzen ein Räuber und Karten-Pirate, mittelst eines geschickten Daumens, in großer Kompagnie – ein Christenkind nach dem andern auszieht, plündert, zur Verzweiflung treibt, oder zu einem Schelme macht!
HERR VON WALLENFELD seufzt. Es ist wahr.
REKTOR. Stiehlt ein armer Kerl ein paar silberne Schnallen – ei! da ist flugs die ganze Justiz auf den Beinen und hinter ihm her; muß aber Weib und Kind betteln, und stürzt sich einer, dem das grüne Tischchen alles abgenommen hat, in's Wasser, so stehen wir bei dem Leichnam, sagen: das Pharo hat ihn ruinirt, und jedermann geht ruhig heim. Der Räuber fährt in Equipage, die Bestohlnen nehmen demüthig die Hüte vor ihm ab, die Justiz sieht es, bleibt sitzen und denkt: das Pharo hat ihm geholfen. – Jedermann findet das alles ganz natürlich. Das ist denn doch aber sehr unnatürlich, und heißt die Lehre vom freien Willen sehr falsch expliciren.
HERR VON WALLENFELD. Ist mir nicht mehr zu helfen, so will ich andern helfen. Kommen Sie zu Ihrem Sohne. Ich will ihn warnen, ihm sagen, wie es jetzt mit mir steht.
REKTOR. Das traurige Bild möchte mehr wirken, als alle Moral. Thun Sie es, um eines alten Vaters willen.
HERR VON WALLENFELD. Ich will es. Der Gedanke, daß ich diesen Menschen von dem Elend rette, worin ich bin, beruhigt vielleicht die Wellen, die in mir toben. Geht ab.
Zehnter Auftritt.
Vorige. Frau von Wallenfeld. Jakob.
FRAU VON WALLENFELD. Lieber Mann!
HERR VON WALLENFELD im Gehen. Ich komme gleich wieder.
FRAU VON WALLENFELD. Mit wem geht er da, und wohin? –
JAKOB. Gnädige Frau, es ist sehr weit mit ihm gekommen.
FRAU VON WALLENFELD. Wo geht er hin?
JAKOB. Gott weiß es; aber – verzeih' mir's Gott – ich wollte, er ginge in alle Welt! Draußen packen ihn wieder die Raubvögel an.
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