Unglücklichgeboren, so kann man mich nennen, so.
REKTOR. Da sei Gott vor! Das kann nicht sein.
HERR VON WALLENFELD flüchtig hin. O ja.
REKTOR. Nein, es wird niemand unglücklich geboren. Astra regunt homines, sed regit astra Deus.
HERR VON WALLENFELD. Mein Herr, was verlangen Sie von mir?
REKTOR. Sie sind doch derjenige gnädige – oder vielmehr gute Herr von Wallenfeld, – der auf dem englischen Kaffeehause bei der Spiel- und Schlachtbank eines gewissen einäugigen Korsaren einen jungen Menschen vom Abgrunde gerettet hat?
HERR VON WALLENFELD. Ja, es war ein junger Mensch da, der mit sichtbarer Angst und wenigem Gelde sehr heftig, unvorsichtig und keck spielte –
REKTOR. Ist mein Sohn gewesen, der von meinem bischen Armuth schon sieben Stück Louisd'or verschleudert hatte, und ich bin gekommen, in Ihnen, der ihn vom Lasterwege gerissen hat, das Werkzeug der Vorsehung zu verehren.
HERR VON WALLENFELD. Nein, mein Herr, an mir ist nichts zu verehren.
REKTOR. Diese kostbare Handlung an meinem Sohne –
HERR VON WALLENFELD. War Zufall – bloßer Zufall. Ich war schon ausgeplündert, stand müßig am Spieltische. Die Verlegenheit, die Jugend, das Gesicht des Menschen interessirte mich. Zufall!
REKTOR. Mit nichten! Ich statuire keinen Zufall.
HERR VON WALLENFELD. Keinen Zufall? Nun, so sagen Sie mir, welche Vorsicht ließ mich, der ich Ihren Sohn heute gerettet habe, zum wüthendsten Spieler werden, der sich und Habe und Gut und Weib und Kind so hintangesetzt hat, daß er in diesem Augenblicke nicht über einen Heller Herr ist? nicht über einen Heller! –
REKTOR. Lieber Herr, Sie setzen mich in Erstaunen. – Aber – Sie werden auf die Boten der Vorsicht am Wege, die da rufen: steh still! Sie werden auf die Tonnen bei den Klippen und Untiefen, die da warnen, nicht geachtet haben –
HERR VON WALLENFELD. Kann sein.
REKTOR. Sondern sind im Lustrausch dabei vorübergegangen.
HERR VON WALLENFELD. Mag so sein, ja! Aber nun ist es geschehen. Was nun?
REKTOR. Wenn Sie einem dankbaren Mann ein Wort erlauben wollen, so meine ich, Sie müßten gerade von der guten Handlung an meinem Sohne den neuen Lebenslauf anfangen –
HERR VON WALLENFELD. Damit ist kein fälliger Wechsel gezahlt.
REKTOR. Mit christlichem Muthe fortfahren –
HERR VON WALLENFELD. Davon essen Weib und Kind nicht, die durch meine Schuld hungern.
REKTOR. Hungern? So feine Leute! Standespersonen! – ei, ei! Nun, wenn dem so ist, so biete ich Ihnen aus schwacher Dankbarkeit, – wenn Sie es annehmen wollen, bis auf bessere Zeiten, fünf Louisd'or zum Darleh'n an.
HERR VON WALLENFELD. Ehrlicher Mann, das darf ich nicht annehmen; denn bei mir kommen keine bessere Zeiten.
REKTOR. Keine bessere? Ja, ja! das ist Eure Lehre vom Zufall. Ich aber sage aus der Lehre vom christlichen Vertrauen, es wird besser mit Ihnen werden.
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