Nimm den Mantel herunter, Trinculo; bei meiner Faust! ich will den Mantel!
TRINCULO. Deine Hoheit soll ihn haben.
CALIBAN.
Die Wassersucht ersäuf den Narr'n! Was denkt ihr,
Vergafft zu sein in solche Lumpen? Laßt,
Und tut den Mord erst; wacht er auf, er zwickt
Vom Wirbel bis zum Zeh' die Haut uns voll,
Macht seltsam Zeug aus uns.
STEPHANO. Halt' dich ruhig, Ungeheuer! Madame Linie, ist nicht dies mein Wams? Nun ist das Wams unter der Linie;[654] nun, Wams, wird dir wohl das Haar ausgehn, und du wirst ein kahles Wams werden.
TRINCULO. Nur zu! nur zu! Wir stehlen recht nach der Schnur, mit Eurer Hoheit Erlaubnis.
STEPHANO. Ich danke dir für den Spaß, da hast einen Rock dafür. Witz soll nicht unbelohnt bleiben, solang' ich König in diesem Lande bin. »Nach der Schnur stehlen«, ist ein kapitaler Einfall. Da hast du noch einen Rock dafür.
TRINCULO. Komm, Ungeheuer, schmiere deine Finger, und fort mit dem Übrigen!
CALIBAN.
Ich will's nicht: wir verlieren unsre Zeit
Und werden all' in Baumgäns' oder Affen
Mit schändlich kleiner Stirn verwandelt werden.
STEPHANO. Ungeheuer, tüchtig angepackt! Hilf mir dies hintragen, wo mein Oxhoft Wein ist, oder ich jage dich zu meinem Königreich hinaus. Frisch! trage dies!
TRINCULO. Dies auch.
STEPHANO. Ja, und dies auch.
Ein Getöse von Jägern wird gehört.
Es kommen mehr Geister in Gestalt von Hunden, und jagen sie umher. Prospero und Ariel hetzen diese an.
PROSPERO.
Sasa, Waldmann, sasa!
ARIEL.
Tiger! da läuft's, Tiger!
PROSPERO.
Packan! Packan! Da, Sultan, da! Faß! faß!
Caliban, Stephane und Trinculo werden hinausgetrieben.
Geh, heiß' die Kobold' ihr Gebein zermalmen
Mit starren Zuckungen, die Sehnen straff
Zusammenkrampfen und sie fleck'ger zwicken
Als wilde Katz' und Panther.
ARIEL.
Horch, sie brüllen!
PROSPERO.
Laß brav herum sie hetzen! Diese Stunde
Gibt alle meine Feind' in meine Hand;
In kurzem enden meine Müh'n, und du
Sollst frei die Luft genießen: auf ein Weilchen
Folg' noch und tu' mir Dienst!
Ab.[655]
Fünfter Aufzug
Erste Szene
Vor Prosperos Zelle. Prospero in seiner Zaubertracht und Ariel treten auf.
PROSPERO.
Jetzt naht sich der Vollendung mein Entwurf,
Mein Zauber reißt nicht, meine Geister folgen,
Die Zeit geht aufrecht unter ihrer Last.
Was ist's am Tag?
ARIEL.
Die sechste Stunde, Herr,
Um welche Zeit Ihr sagtet, daß das Werk
Ein Ende nehmen solle.
PROSPERO.
Ja, ich sagt' es,
Als ich den Sturm erregte. Sag, mein Geist,
Was macht der König jetzt und sein Gefolg'?
ARIEL.
Gebannt zusammen auf dieselbe Weise,
Wie Ihr mir auftrugt; ganz wie Ihr sie ließt;
Gefangen alle, Herr, im Lindenwäldchen.
Das Eure Zelle schirmt: sie können sich
Nicht rippeln, bis Ihr sie erlöst. Der König,
Sein Bruder, Eurer, alle drei im Wahnsinn.
Die andern trauren um sie, übervoll
Von Gram und Schreck; vor allen er, den Ihr
»Den guten alten Herrn Gonzalo« nanntet.
Die Tränen rinnen ihm am Bart hinab,
Wie Wintertropfen an der Trauf' aus Rohr.
Eu'r Zauber greift sie so gewaltig an,
Daß, wenn Ihr jetzt sie sähet, Eu'r Gemüt
Erweichte sich.
PROSPERO.
Glaubst du das wirklich, Geist?
ARIEL.
Meins würd' es, wär' ich Mensch.[656]
PROSPERO.
Auch meines soll's.
Hast du, der Luft nur ist, Gefühl und Regung
Von ihrer Not? und sollte nicht ich selbst,
Ein Wesen ihrer Art, gleich scharf empfindend,
Leidend wie sie, mich milder rühren lassen?
Obschon ihr Frevel tief ins Herz mir drang,
Doch nehm' ich gegen meine Wut Partei
Mit meinem edlern Sinn: der Tugend Übung
Ist höher als der Rache; da sie reuig sind,
Erstreckt sich meines Anschlags ein'ger Zweck
Kein Stirnerunzeln weiter: geh, befrei' sie!
Ich will den Zauber brechen, ihre Sinne
Herstellen, und sie sollen nun sie selbst sein.
ARIEL.
Ich will sie holen, Herr.
Ab.
PROSPERO.
Ihr Elfen von den Hügeln, Bächen, Hainen;
Und ihr, die ihr am Strand, spurloses Fußes,
Den ebbenden Neptunus jagt und flieht,
Wann er zurückkehrt; halbe Zwerge, die ihr
Bei Mondschein grüne saure Ringlein macht,
Wovon das Schaf nicht frißt; die ihr zur Kurzweil
Die nächt'gen Pilze macht; die ihr am Klang
Der Abendglock' euch freut; mit deren Hülfe
(Seid ihr gleich schwache Fäntchen) ich am Mittag
Die Sonn' umhüllt, aufrühr'sche Wind' entboten,
Die grüne See mit der azurnen Wölbung
In lauten Kampf gesetzt, den furchtbar'n Donner
Mit Feu'r bewehrt, und Jovis' Baum gespalten
Mit seinem eignen Keil, des Vorgebirgs
Grundfest' erschüttert, ausgerauft am Knorren
Die Ficht' und Zeder; Grüft', auf mein Geheiß,
Erweckten ihre Toten, sprangen auf
Und ließen sie heraus, durch meiner Kunst
Gewalt'gen Zwang: doch dieses grause Zaubern
Schwör' ich hier ab; und hab' ich erst, wie jetzt
Ich's tue, himmlische Musik gefodert,
Zu wandeln ihre Sinne, wie die luft'ge
Magie vermag: so brech' ich meinen Stab,
Begrab' ihn manche Klafter in die Erde,[657]
Und tiefer, als ein Senkblei je geforscht,
Will ich mein Buch ertränken.
Feierliche Musik.
Ariel kommt zurück; Alonso folgt ihm mit rasender Gebärde, begleitet von Gonzalo; Sebastian und Antonio ebenso, von Adrian und Francisco begleitet: sie treten alle in den Kreis, den Prospero gezogen hat, und stehn bezaubert da. Prospero bemerkt es und spricht.
Ein feierliches Lied, der beste Tröster
Zur Heilung irrer Phantasie! – Dein Hirn,
Jetzt nutzlos, kocht im Schädel dir: da steht!
Denn ihr seid festgebannt. –
Heil'ger Gonzalo! ehrenwerter Mann!
Mein Auge läßt, befreundet mit dem Tun
Des deinen, brüderliche Tropfen fallen.
Allmählich löst sich die Bezaub'rung auf,
Und wie die Nacht der Morgen überschleicht,
Das Dunkel schmelzend, fangen ihre Sinnen
Erwachend an, den blöden Dunst zu scheuchen,
Der noch die hellere Vernunft umhüllt:
O wackerer Gonzalo! mein Erretter,
Und redlicher Vasall dem, so du folgst!
Ich will dein Wohltun reichlich lohnen, beides
Mit Wort und Tat. – Höchst grausam gingst du um
Mit mir, Alonso, und mit meiner Tochter;
Dein Bruder war ein Förderer der Tat –
Das nagt dich nun, Sebastian! – Fleisch und Blut,
Mein Bruder du, der Ehrgeiz hegte, austrieb
Gewissen und Natur; der mit Sebastian
(Des inn're Pein deshalb die stärkste) hier
Den König wollte morden! Ich verzeih' dir,
Bist du schon unnatürlich. – Ihr Verstand
Beginnt zu schwellen, und die nah'nde Flut
Wird der Vernunft Gestad' in kurzem füllen,
Das daliegt, schwarz und schlammig. – Nicht einer drunter,
Der schon mich ansäh' oder kennte. – Ariel,
Hol' mir den Hut und Degen aus der Zelle,
Ariel ab.[658]
Auf daß ich mich entlarv' und stelle dar
Als Mailand, so wie vormals. – Hurtig, Geist,
Du wirst nun eh'stens frei.
Ariel kommt singend zurück und hilft den Prospero ankleiden.
ARIEL.
Wo die Bien', saug' ich mich ein,
Bette mich in Maiglöcklein,
Lausche da, wenn Eulen schrein,
Fliege mit der Schwalben Reih'n
Lustig hinterm Sommer drein.
Lustiglich, lustiglich leb' ich nun gleich
Unter den Blüten, die hängen am Zweig.
PROSPERO.
Mein Liebling Ariel! Ja, du wirst mir fehlen,
Doch sollst du Freiheit haben. So, so, so!
Unsichtbar, wie du bist, zum Schiff des Königs,
Wo du das Seevolk schlafend finden wirst
Im Raum des Schiffs: den Schiffspatron und Bootsmann,
Sobald sie wach sind, nöt'ge sie hieher;
Und gleich, ich bitte dich.
ARIEL.
Ich trink' im Flug die Luft und bin zurück,
Eh' zweimal Euer Puls schlägt.
Ab.
GONZALO.
Nur Qual, Verwirrung, Wunder und Entsetzen
Wohnt hier: führ' eine himmlische Gewalt uns
Aus diesem furchtbar'n Lande!
PROSPERO.
Seht, Herr König,
Mailands gekränkten Herzog, Prospero:
Und zum Beweis, daß ein lebend'ger Fürst
Jetzt mit dir spricht, umarm' ich deinen Körper
Und heiße dich und dein Gefolge herzlich
Willkommen hier.
ALONSO.
Ob du es bist, ob nicht,
Ob ein bezaubert Spielwerk, mich zu täuschen,
Wie ich noch eben, weiß ich nicht: dein Puls
Schlägt wie von Fleisch und Blut; seit ich dich sah,
Genas die Seelenangst, womit ein Wahnsinn
Mich drückte, wie ich fürchte. Dies erfodert,
Wenn's wirklich ist, die seltsamste Geschichte.[659]
Dein Herzogtum geb' ich zurück, und bitte,
Vergib mein Unrecht mir! – Doch wie kann Prospero
Am Leben sein und hier?
PROSPERO.
Erst, edler Freund,
Laß mich dein Alter herzen, dessen Ehre
Nicht Maß noch Grenze kennt.
GONZALO.
Ob dies so ist,
Ob nicht, will ich nicht schwören.
PROSPERO.
Ihr erprobt
Kunststücke dieser Insel noch, die Euch
Nicht für gewiß die Dinge halten lassen.
Willkommen, meine Freunde!
Beiseit zu Antonio und Sebastian.
Aber ihr,
Mein Paar von Herren, wär' ich so gesinnt,
Ich könnte seiner Hoheit Zorn euch zuziehn
Und des Verrats euch zeihen: doch ich will
Nicht plaudern jetzt.
SEBASTIAN beiseit.
Der Teufel spricht aus ihm.
PROSPERO.
Nein. –
Euch, schlechter Herr, den Bruder nur zu nennen
Schon meinen Mund beflecken würd', erlass' ich
Den ärgsten Fehltritt; alle; und verlange
Mein Herzogtum von dir, das du, ich weiß,
Durchaus mußt wiedergeben.
ALONSO.
Bist du Prospero,
Meld' uns das Nähere von deiner Rettung;
Wie du uns trafst, die vor drei Stunden hier
Am Strand gescheitert, wo für mich verloren
(Wie scharf der Stachel der Erinn'rung ist!)
Mein Sohn! mein Ferdinand!
PROSPERO.
Herr, ich beklag's.
ALONSO.
Unheilbar ist der Schad', und die Geduld
Sagt, sie vermag hier nichts.
PROSPERO.
Ich denke eher,
Ihr suchtet ihre Hülfe nicht, durch deren
Sanftmüt'ge Huld bei ähnlichem Verlust[660]
Ich ihres hohen Beistands teilhaft ward
Und mich zufrieden gab.
ALONSO.
Ihr ähnlichen Verlust?
PROSPERO.
Gleich groß für mich, gleich neu; und ihn erträglich
Zu finden, hab' ich doch weit schwächre Mittel,
Als Ihr zum Trost herbei könnt rufen: ich
Verlor ja meine Tochter.
ALONSO.
Eine Tochter?
O Himmel! wären sie doch beid' in Napel
Am Leben, König dort und Königin!
Wenn sie's nur wären, wünscht' ich selbst versenkt
In jenes schlamm'ge Bett zu sein, wo jetzt
Mein Sohn liegt. Wann verlort Ihr Eure Tochter?
PROSPERO.
Im letzten Sturm. Ich merke, diese Herrn
Sind ob dem Vorfall so verwundert, daß
Sie ihren Witz verschlingen und kaum denken,
Ihr Aug' bediene recht sie, ihre Worte
Sei'n wahrer Odem; doch, wie sehr man euch
Gedrängt aus euren Sinnen, wißt gewiß,
Daß Prospero ich bin, derselbe Herzog,
Von Mailand einst verstoßen; der höchst seltsam
An diesem Strand, wo ihr gescheitert, ankam,
Hier Herr zu sein. Nichts weiter noch hievon!
Denn eine Chronik ist's von Tag zu Tag,
Nicht ein Bericht bei einem Frühstück, noch
Dem ersten Wiedersehen angemessen.
Willkommen, Herr! Die Zell' da ist mein Hof.
Hier hab' ich nur ein klein Gefolg', und auswärts
Nicht einen Untertan: seht doch hinein!
Weil Ihr mein Herzogtum mir wiedergebt,
Will ich's mit eben so was Gutem lohnen,
Ein Wunder mind'stens auftun, daß Euch freue
So sehr als mich mein Herzogtum.
Der Eingang der Zelle öffnet sich, und man sieht Ferdinand und Miranda, die Schach zusammen spielen.
MIRANDA.
Mein Prinz, Ihr spielt mir falsch.[661]
FERDINAND.
Mein teures Leben,
Das tät' ich um die Welt nicht.
MIRANDA.
Ja, um ein Dutzend Königreiche würdet
Ihr hadern, und ich nennt' es ehrlich Spiel.
ALONSO.
Wenn dies nichts weiter ist als ein Gesicht
Der Insel, werd' ich einen teuren Sohn
Zweimal verlieren.
SEBASTIAN.
Ein erstaunlich Wunder!
FERDINAND.
Droht gleich die See, ist sie doch mild: ich habe
Sie ohne Grund verflucht.
Er kniet vor Alonso.
ALONSO.
Nun, aller Segen
Des frohen Vaters fasse rings dich ein!
Steh auf und sag, wie kamst du her?
MIRANDA.
O Wunder!
Was gibt's für herrliche Geschöpfe hier!
Wie schön der Mensch ist! Wackre neue Welt,
Die solche Bürger trägt!
PROSPERO.
Es ist dir neu.
ALONSO.
Wer ist dies Mädchen da, mit dem du spieltest?
Drei Stunden kaum kann die Bekanntschaft alt sein.
Ist sie die Göttin, die uns erst getrennt,
Und so zusammenbringt?
FERDINAND.
Herr, sie ist sterblich,
Doch durch unsterbliches Verhängnis mein.
Ich wählte sie, als ich zu Rat den Vater
Nicht konnte ziehn, noch glaubt', ich habe einen.
Sie ist die Tochter dieses großen Herzogs
Von Mailand, dessen Ruhm ich oft gehört,
Doch nie zuvor ihn sah; von ihm empfing ich
Ein zweites Leben, und zum zweiten Vater
Macht ihn dies Fräulein mir.
ALONSO.
Ich bin der ihre;
Doch oh, wie seltsam klingt's, daß ich mein Kind
Muß um Verzeihung bitten!
PROSPERO.
Haltet, Herr:
Laßt die Erinnerung uns nicht belasten
Mit dem Verdrusse, der vorüber ist.
GONZALO.
Ich habe innerlich geweint, sonst hätt' ich[662]
Schon längst gesprochen.
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