Schaut herab, ihr Götter,

Senkt eine Segenskron' auf dieses Paar!

Denn ihr seid's, die den Weg uns vorgezeichnet,

Der uns hieher gebracht.

ALONSO.

Ich sage Amen!

GONZALO.

Ward Mailand darum weggebannt von Mailand,

Daß sein Geschlecht gelangt' auf Napels Thron?

O freut mit seltner Freud' euch; grabt's mit Gold

In ew'ge Pfeiler ein: auf einer Reise

Fand Claribella den Gemahl in Tunis,

Und Ferdinand, ihr Bruder, fand ein Weib,

Wo man ihn selbst verloren; Prospero

Sein Herzogtum in einer armen Insel;

Wir all' uns selbst, da niemand sein war.

ALONSO zu Ferdinand und Miranda.

Gebt

Die Hände mir! Umfasse Gram und Leid

Stets dessen Herz, der euch nicht Freude wünscht!

GONZALO.

So sei es, Amen!

 

Ariel kommt mit dem Schiffspatron und Bootsmann, die ihm betäubt folgen.

 

O seht, Herr! seht, Herr! Hier sind unser mehr.

Ich prophezeite, gäb's am Lande Galgen,

So könnte der Geselle nicht ersaufen.

Nun, Lästerung, der du die Gottesfurcht

Vom Bord fluchst, keinen Schwur hier auf dem Trocknen?

Hast keinen Mund zu Land? Was gibt es Neues?

BOOTSMANN.

Das beste Neue ist, daß wir den König

Und die Gesellschaft wohlbehalten sehn;

Das nächste: unser Schiff, das vor drei Stunden

Wir für gescheitert ansahn, ist so dicht,

So fest und brav getakelt, als da erst

In See wir stachen.

ARIEL beiseit.

Herr, dies alles hab' ich

Besorgt, seitdem ich ging.

PROSPERO beiseit.

Mein flinker Geist!

ALONSO.

All dies geht nicht natürlich zu: von Wundern

Zu Wundern steigt es. – Sagt, wie kamt Ihr her?[663]

BOOTSMANN.

Herr, wenn ich dächte, ich wär' völlig wach,

Versucht' ich, Euch es kund zu tun. Wir lagen

In Totenschlaf und (wie, das weiß ich nicht)

All' in den Raum gepackt; da wurden wir

Durch wunderbar und mancherlei Getöse

Von Brüllen, Kreischen, Heulen, Kettenklirren

Und mehr Verschiedenheit von Lauten, alle gräßlich,

Jetzt eben aufgeweckt; alsbald in Freiheit;

Wo wir in voller Pracht, gesund und frisch,

Sahn unser königliches, wackres Schiff,

Und der Patron sprang gaffend drum herum:

Als wir im Nu, mit Eurer Gunst, wie träumend

Von ihnen weggerissen und verdutzt

Hier wurden hergebracht.

ARIEL beiseit.

Macht' ich es gut?

PROSPERO.

Recht schön, mein kleiner Fleiß! Du wirst auch frei.

ALONSO.

Dies ist das wunderbarste Labyrinth,

Das je ein Mensch betrat; in diesem Handel

Ist mehr, als unter Leitung der Natur

Je vorging: ein Orakel muß darein

Uns Einsicht öffnen.

PROSPERO.

Herr, mein Lehenshaupt,

Verstört nicht Eu'r Gemüt durch Grübeln über

Der Seltsamkeit des Handels; wenn wir Muße

Gesammelt, was in kurzem wird geschehn,

Will ich Euch Stück für Stück Erklärung geben,

Die Euch gegründet dünken soll, von jedem

Ereignis, das geschehn: so lang' seid fröhlich

Und denket gut von allem! –

Beiseit.

 

Geist, komm her!

Mach' Caliban und die Gesellen frei,

Lös' ihren Bann! –

 

Ariel ab.

 

Was macht mein gnäd'ger Herr?

Es fehlen vom Gefolg' Euch noch ein paar

Spaßhafte Bursche, die Ihr ganz vergeßt.

 

Ariel kommt zurück und treibt Caliban, Stephano und Trinculo in ihren gestohlnen Kleidern vor sich her.[664]

 

STEPHANO. Jeder mache sich nur für alle übrigen zu schaffen, und keiner sorge für sich selbst, denn alles ist nur Glück. – Courage, Blitzungeheuer, Courage!

TRINCULO. Wenn dies wahrhafte Kundschafter sind, die ich im Kopfe trage, so gibt es hier was Herrliches zu sehn.

CALIBAN.

O Setebos, das sind mir wackre Geister!

Wie schön mein Meister ist! Ich fürchte mich,

Daß er mich zücht'gen wird.

SEBASTIAN.

Ha, ha!

Was sind das da für Dinger, Prinz Antonio?

Sind sie für Geld zu Kauf?

ANTONIO.

Doch wohl! Der eine

Ist völlig Fisch, und ohne Zweifel marktbar.

PROSPERO.

Bemerkt nur dieser Leute Tracht, ihr Herrn,

Und sagt mir dann, ob sie wohl ehrlich sind.

Der mißgeschaffne Schurke – seine Mutter

War eine Hex', und zwar so stark, daß sie

Den Mond in Zwang hielt, Flut und Ebbe machte

Und außer ihrem Kreis Gebote gab. –

 

Die drei beraubten mich; und der Halbteufel

(Denn so ein Bastard ist er) war mit ihnen

Verschworen, mich zu morden. Ihr müßt zwei

Von diesen Kerlen kennen als die euren;

Und dies Geschöpf der Finsternis erkenn' ich

Für meines an.

CALIBAN.

Ich werde tot gezwickt!

ALONSO.

Ist dies nicht Stephano, mein trunkner Kellner?

SEBASTIAN.

Er ist jetzt betrunken: wo hat er Wein gekriegt?

ALONSO.

Und Trinculo ist auch zum Torkeln voll:

Wo fanden sie nur diesen Wundertrank,

Der sie verklärt? Wie kamst du in die Brühe?

TRINCULO. Ich bin so eingepökelt worden, seit ich Euch zuletzt sah, daß ich fürchte, es wird nie wieder aus meinen Knochen herausgehn. Vor den Schmeißfliegen werde ich sicher sein.

SEBASTIAN. Nun, Stephano, wie geht's?

STEPHANO. O rührt mich nicht an! Ich bin nicht Stephano, sondern ein Krampf.[665]

PROSPERO. Ihr wolltet hier auf der Insel König sein, Schurke?

STEPHANO. Da wär' ich ein geschlagner König gewesen.

ALONSO auf Caliban zeigend. Nie sah ich ein so seltsam Ding als dies.

PROSPERO.

Er ist so ungeschlacht in seinen Sitten

Als von Gestalt. – Geh, Schurk', in meine Zelle,

Nimm deine Spießgesellen mit: wo du

Vergebung wünschest, putze nett sie auf!

CALIBAN.

Das will ich, ja; will künftig klüger sein

Und Gnade suchen: welch dreifacher Esel

War ich, den Säufer für 'nen Gott zu halten

Und anzubeten diesen dummen Narr'n!

PROSPERO.

Mach' zu! Hinweg!

ALONSO.

Fort! Legt den Trödel ab, wo ihr ihn fandet!

SEBASTIAN.

Vielmehr, wo sie ihn stahlen.

 

Caliban, Stephano und Trinculo ab.

 

PROSPERO.

Ich lade Eure Hoheit nebst Gefolge

In meine arme Zell', um da zu ruhn

Für diese eine Nacht, die ich zum Teil

Mit solchen Reden hinzubringen denke,

Worunter sie, wie ich nicht zweifle, schnell

Wird hingehn: die Geschichte meines Lebens

Und die besondern Fälle, so geschehn,

Seit ich hieher kam; und am Morgen früh

Führ' ich euch hin zum Schiff und so nach Napel.

Dort hab' ich Hoffnung, die Vermählungsfeier

Von diesen Herzgeliebten anzusehn.

Dann zieh' ich in mein Mailand, wo mein dritter

Gedanke soll das Grab sein.

ALONSO.

Mich verlangt

Zu hören die Geschichte Eures Lebens,

Die wunderbar das Ohr bestricken muß.

PROSPERO.

Ich will es alles kund tun, und verspreche

Euch stille See, gewognen Wind, und Segel

So rasch, daß Ihr die königliche Flotte

Weit weg erreichen sollt. –

 

Beiseit.

 

Mein Herzens-Ariel,

Dies liegt dir ob; dann in die Elemente!

Sei frei und leb du wohl! – Beliebt's Euch, kommt![666]

 

Epilog

von Prospero gesprochen

 

Hin sind meine Zauberei'n,

Was von Kraft mir bleibt, ist mein,

Und das ist wenig: nun ist's wahr,

Ich muß hier bleiben immerdar,

Wenn ihr mich nicht nach Napel schickt.

Da ich mein Herzogtum entrückt

Aus des Betrügers Hand, dem ich

Verziehen, so verdammet mich

Nicht durch einen harten Spruch

Zu dieses öden Eilands Fluch.

Macht mich aus des Bannes Schoß

Durch eure will'gen Hände los.

Füllt milder Hauch aus Euerm Mund

Mein Segel nicht, so geht zu Grund

Mein Plan; er ging auf eure Gunst.

Zum Zaubern fehlt mir jetzt die Kunst;

Kein Geist, der mein Gebot erkennt;

Verzweiflung ist mein Lebensend',

Wenn nicht Gebet mir Hülfe bringt,

Welches so zum Himmel dringt,

Daß es Gewalt der Gnade tut

Und macht jedweden Fehltritt gut.

 

Wo ihr begnadigt wünscht zu sein,

Laßt eure Nachsicht mich befrein.[667]

 

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Bibliographische Angaben

William Shakespeare: Der Sturm

Vollständiger, durchgesehener Neusatz bearbeitet und eingerichtet von Michael Holzinger.

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Vermutetes Gemälde von William Shakespeare

ISBN 978-3-8430-2153-1

 

Historische Angaben

Erstmals ins Deutsche übersetzt von Christoph Martin Wieland (1763). Die vorliegende Übersetzung stammt von August Wilhelm Schlegel. Erstdruck in: Shakspeare's dramatische Werke. Übersetzt von August Wilhelm Schlegel, Bd. 3, Berlin (Johann Friedrich Unger) 1798.

 

Textgrundlage

William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Herausgegeben von Anselm Schlösser. Berlin: Aufbau, 1975.

 

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