Hättet Ihr

Doch meinen Sinn! Was für ein Schlaf wär' dies

Für Eure Standserhöhung! Ihr versteht mich?

SEBASTIAN.

Mich dünket, ja.

ANTONIO.

Und wie hegt Euer Beifall

Eu'r eignes gutes Glück?

SEBASTIAN.

Es fällt mir bei,

Ihr stürztet Euern Bruder Prospero.

ANTONIO.

Wahr!

Und seht, wie wohl mir meine Kleider sitzen,

Weit saubrer wie zuvor. Des Bruders Diener,[625]

Die damals meine Kameraden waren,

Sind meine Leute jetzt.

SEBASTIAN.

Doch Eu'r Gewissen?

ANTONIO.

Ei, Herr, wo sitzt das? Wär's der Frost im Fuß,

Müßt' ich in Socken gehn; allein ich fühle

Die Gottheit nicht im Busen. Zehn Gewissen,

Die zwischen mir und Mailand stehn, sie möchten

Gefroren sein und auftaun, eh' sie mir

Beschwerlich fielen. Hier liegt Euer Bruder, –

 

Nicht besser als die Erd', auf der er liegt,

Wär' er, was jetzt er scheinet, nämlich tot,

Den ich mit diesem will'gen Stahl, drei Zoll davon,

Zu Bett auf immer legen kann; indes Ihr gleichfalls

Die alte Ware da, den Meister Klug,

In Ruh'stand setztet, der uns weiter nichts

Vorrücken sollte. All die andern nehmen

Eingebung an, wie Milch die Katze schleckt;

Sie zählen uns zu jedem Werk die Stunde,

Wozu wir sagen, es sei Zeit.

SEBASTIAN.

Mein Freund,

Dein Fall zeigt mir den Weg: wie du zu Mailand,

Komm' ich zu Napel. Zieh dein Schwert! Ein Streich

Löst vom Tribut dich, den du zahlst; und ich,

Der König, will dir hold sein.

ANTONIO.

Zieht mit mir,

Und heb' ich meine Hand, tut Ihr desgleichen,

Und nieder auf Gonzalo!

SEBASTIAN.

Halt, noch ein Wort!

 

Sie unterreden sich leise.

 

Musik. Ariel kommt unsichtbar.

 

ARIEL.

Mein Herr sieht die Gefahr durch seine Kunst,

Worin Ihr schwebt, sein Freund; und schickt mich aus,

Weil sein Entwurf sonst stirbt, die hier zu retten.

 

Er singt in Gonzalos Ohr.

 

Weil Ihr schnarchet, nimmt zur Tat

Offnen Auges der Verrat

Die Zeit in acht.[626]

Ist Euch Leben lieb und Blut:

Rüttelt Euch, seid auf der Hut!

Erwacht! Erwacht!

ANTONIO.

So laßt uns beide schnell sein!

GONZALO.

Ihr guten Engel, steht dem König bei!

 

Sie erwachen sämtlich.

 

ALONSO.

Wie? Was? He! wach? Wozu mit bloßem Degen?

Warum die stieren Blicke?

GONZALO.

Nun, was gibt's?

SEBASTIAN.

Da wir hier standen, Eure Ruh' bewachend,

Jetzt eben brach ein hohles Brüllen aus,

Als wie von Bullen oder Löwen gar.

Weckt' es Euch nicht? Es traf mein Ohr entsetzlich.

ALONSO.

Ich hörte nichts.

ANTONIO.

Oh, ein Getös', um Ungeheu'r zu schrecken,

Erdbeben zu erregen! Das Gebrüll

Von ganzen Herden Löwen!

ALONSO.

Hörtet Ihr's, Gonzalo?

GONZALO.

Auf meine Ehre, Herr, ich hört' ein Summen,

Und zwar ein sonderbares, das mich weckte;

Ich schüttelt' Euch und rief: als ich die Augen auftat,

Sah ich die Degen bloß. Ein Lärm war da,

Das ist gewiß: wir sollten auf der Hut sein

Und diesen Platz verlassen. Zieht die Degen!

ALONSO.

Gehn wir von hier, und laßt uns weiter suchen

Nach meinem armen Sohn!

GONZALO.

Behüt ihn Gott

Vor diesen wilden Tieren! denn er ist

Gewißlich auf der Insel.

ALONSO.

Laßt uns gehn!

ARIEL für sich.

Ich will, was ich getan, dem Meister offenbaren.

Geh, König, such' den Sohn, nun sicher vor Gefahren!

 

Alle ab.[627]

 

Zweite Szene

Eine andre Gegend der Insel. Caliban kommt mit einer Tracht Holz. Man hört in der Entfernung donnern.

 

CALIBAN.

Daß aller Giftqualm, den die Sonn' aufsaugt

Aus Sumpf, Moor, Pfuhl, auf Prosper fall' und mach' ihn

Siech durch und durch! Mich hören seine Geister.

Und muß doch fluchen. Zwar sie kneifen nicht,

Erschrecken mich als Igel, stecken mich

In Kot, noch führen sie wie Bränd' im Dunkeln

Mich irre, wenn er's nicht geheißen; aber

Für jeden Bettel hetzt er sie auf mich;

Wie Affen bald, die Mäuler ziehn und plärren

Und dann mich beißen; bald wie Stachelschweine,

Die, wo ich barfuß geh', sich wälzen und

Die Borsten sträuben, wenn mein Fuß auftritt;

Manchmal bin ich von Nattern ganz umwunden,

Die mit gespaltnen Zungen toll mich zischen.

 

Trinculo kommt.

 

Seht! jetzt! Hu, hu! Da kommt ein Geist von ihm,

Um mich zu plagen, weil ich's Holz nicht bringe;

Platt fall' ich hin, so merkt er wohl mich nicht.

TRINCULO. Hier ist weder Busch noch Strauch, einen nur ein bißchen vor dem Wetter zu schützen, und schon munkelt ein neues Ungewitter. Ich hör's im Winde pfeifen: die schwarze Wolke da, die große, sieht wie ein alter Schlauch aus, der sein Getränk verschütten will. Wenn es wieder so donnert wie vorher, so weiß ich nicht, wo ich unterducken soll; die Wolke da muß schlechterdings mit Mulden gießen. – Was gibt's hier? Ein Mensch oder ein Fisch? Tot oder lebendig? Ein Fisch: er riecht wie ein Fisch; 's ist ein recht ranziger und fischichter Geruch; so 'ne Art Laberdan, nicht von dem frischesten. Ein seltsamer Fisch! Wenn ich nun in England wäre, wie ich einmal gewesen bin, und hätte den Fisch nur gemalt, jeder Pfingstnarr gäbe mir dort ein Stück Silber. Da wäre ich mit dem Ungeheuer ein gemachter Mann; jedes[628] fremde Tier macht dort seinen Mann; wenn sie keinen Deut geben wollen, einem lahmen Bettler zu helfen, so wenden sie zehn dran, einen toten Indianer zu sehn. – Beine wie ein Mensch! Seine Floßfedern wie Arme! Warm, mein' Seel'! Ich lasse jetzt meine Meinung fahren und behaupte sie nicht länger: es ist kein Fisch, sondern einer von der Insel, den ein Donnerkeil eben erschlagen hat. Donner. O weh! das Ungewitter ist wieder heraufgekommen: das beste ist, ich krieche unter seinen Mantel, es gibt hier herum kein andres Obdach. Die Not bringt einen zu seltsamen Schlafgesellen; ich will mich hier einwickeln, bis die Grundsuppe des Gewitters vorüber ist.

 

Stephano kommt singend, eine Flasche in der Hand.

 

STEPHANO.

Ich geh' nicht mehr zur See, zur See,

Hier sterb' ich auf dem Land. –

 

Das ist eine lausige Melodie, gut bei einer Beerdigung zu singen: aber hier ist mein Trost. Trinkt.

Der Meister, der Bootsmann, der Konstabel und ich,

Wir halten's mit artigen Mädchen,

Mit Lieschen und Gretchen und Hedewig;

Doch keiner fragt was nach Käthchen.

Denn sie macht ein beständig Gekeifel;

Kommt ein Seemann, da heißt's: geh zum Teufel!

Den Pech- und den Teergeruch haßt sie aufs Blut;

Doch ein Schneider, der juckt sie, wo's nötig ihr tut,

Auf die See, Kerls, und hol' sie der Teufel!

Das ist auch eine lausige Melodie; aber hier ist mein Trost.

 

Trinkt.

 

CALIBAN. Plage mich nicht! Oh!

STEPHANO. Was heißt das? Gibt's hier Teufel! Habt ihr uns zum besten mit Wilden und indianischen Männern? Ha! Dazu bin ich nicht nahe am Ersaufen gewesen, um mich jetzt vor deinen vier Beinen zu fürchten; denn es heißt von ihm: so 'n wackrer Kerl, als jemals auf vier Beinen gegangen ist, kann ihn nicht zum Weichen bringen; und es soll auch ferner so heißen, solange Stephano einen lebendigen Odem in seiner Nase hat.[629]

CALIBAN. Der Geist plagt mich – Oh! –

STEPHANO. Dies ist ein Ungeheuer aus der Insel mit vier Beinen, der meines Bedünkens das Fieber gekriegt hat. Wo Henker mag er unsre Sprache gelernt haben? Ich will ihm was zur Stärkung geben, wär's nur deswegen: kann ich ihn wieder zurecht bringen und ihn zahm machen, und nach Neapel mit ihm kommen, so ist er ein Präsent für den besten Kaiser, der je auf Rindsleder getreten ist.

CALIBAN. Plag' mich nicht, bitte! Ich will mein Holz geschwinder zu Haus bringen.

STEPHANO. Er hat jetzt seinen Anfall und redet nicht zum gescheitesten.