Wo bist du hingegangen? Wo hast du die Nacht verbracht? Mein Gott! Fange nicht wieder an, ich würde verrückt werden ... Sag, Auguste, wo bist du hingegangen?«

»Wo ich zu tun hatte, zum Donnerwetter!« sagte er mit einem Achselzucken. »Um acht Uhr war ich in La Glacière8 bei dem Freund, der eine Hutfabrik aufmachen soll. Ich habe mich verspätet. Da habe ich lieber gleich da geschlafen ... Außerdem, weißt du, habe ich es nicht gern, daß man mir nachspioniert. Laß mich in Ruhe!«

Die junge Frau begann wieder zu schluchzen. Die schallenden Stimmen und die schroffen Bewegungen Lantiers, der die Stühle umkippte, hatten eben die Kinder geweckt. Sie setzten sich halb nackt im Bett auf und entwirrten mit ihren Händchen ihr Haar; und als sie ihre Mutter weinen hörten, stießen sie ein schreckliches Geschrei aus und weinten ebenfalls, obwohl sie die Augen kaum richtig aufbekamen.

»Aha! Da haben wir das Gezeter!« schrie Lantier wütend. »Ich warne euch, ich mache mich wieder auf und davon! Und diesmal haue ich allen Ernstes ab ... Ihr wollt also nicht still sein? Na, mir langt's, ich gehe dahin zurück, wo ich herkomme.« Er hatte bereits seinen Hut wieder von der Kommode genommen.

Doch Gervaise stürzte auf ihn zu und stammelte:

»Nein, nein!«

Und sie erstickte die Tränen der Kleinen unter Liebkosungen. Sie küßte ihr Haar und legte sie mit zärtlichen Worten wieder schlafen. Auf einen Schlag beruhigt, lachten die Kleinen auf dem Kopfkissen und kniffen sich zum Spaß.

Inzwischen hatte sich ihr Vater, ohne auch nur seine Stiefel auszuziehen aufs Bett geworfen, er sah todmüde aus, und sein Gesicht war von einer durchwachten Nacht blaugeädert. Er schlief nicht ein, er behielt die Augen weit offen und ließ sie rings durchs Zimmer schweifen.

»Das ist ja sauber hier!« murmelte er. Nachdem er Gervaise eine Weile angeschaut hatte, fügte er dann boshaft hinzu: »Du wäschst dich wohl gar nicht mehr?«

Gervaise war erst zweiundzwanzig Jahre alt. Sie war groß, ein bißchen dünn und hatte feine Züge, die bereits von den Härten ihres Lebens verzerrt waren. Ungekämmt, in Pantoffeln, in ihrer weißen Unterjacke, auf der die Möbel Spuren ihres Staubs und ihrer Speckigkeit hinterlassen hatten, schien sie durch die Stunden der Angst und Tränen, die sie soeben verbracht hatte, um zehn Jahre gealtert zu sein. Lantiers Bemerkung bewirkte, daß sie ihre furchtsame und ergebene Haltung aufgab.

»Du bist ungerecht«, sagte sie, in Fahrt kommend. »Du weißt genau, daß ich alles tue, was ich kann. Es ist nicht meine Schuld, wenn wir hier gelandet sind ... Ich möchte dich mit den beiden Kindern in einer Stube sehen, in der nicht mal ein Ofen ist, damit man Wasser warm machen kann ... Anstatt dein Geld durchzubringen, hätten wir uns gleich, als wir in Paris angekommen sind, einrichten sollen, wie du es versprochen hattest.«

»Na, hör mal!« schrie er. »Den Zaster, den hast du mit mir verjubelt! Heute steht es dir nicht zu, auf die guten Bissen zu spucken!«

Doch sie schien ihn nicht zu hören, sie fuhr fort:

»Schließlich kann man sich mit etwas Mut noch herauswinden ... Ich habe gestern abend Madame Fauconnier aufgesucht, die Wäscherin aus der Rue Neuve de la Goutted'Or. Sie nimmt mich Montag.