Dann muß ich eben andere Schritte ergreifen...«
»Ergreife nur, ergreife nur«, sagte ich spöttisch, »du wirst ja sehen, wie du dabei hereinfällst.
- Würdest du übrigens vielleicht die Güte haben, mir zu sagen, welche Schritte du etwa
vorhast?«
Mein Spott hatte sie ganz außer sich gebracht.
»Jawohl werde ich es dir sagen«, rief sie zornig, »zuerst werde ich mich von dir scheiden
lassen...«
»Sieh mal sieh!« lachte ich. »Also von mir scheiden lassen! Ich wüßte nicht, daß ich dir schon
einen Scheidungsgrund gegeben hätte. Aber was nicht ist, kann noch werden. - Und was hast du noch
vor?«
Aber sie wollte nicht mehr.
»Du wirst schon sehen«, sagte sie und setzte sich wieder an ihren Tisch und zu ihren
Papieren.
»Ich kann es auch abwarten«, antwortete ich.
Ich nahm die Kognakflasche und legte sie zu dem noch ungegessenen Frühstück in die
Aktentasche.
»Mach dir immerhin schon klar, daß nach dem Gesetz alles mir gehört, da du nichts mit in die Ehe
eingebracht hast: Haus und Einrichtung und Firma, alles mein!«
Ich lachte, als ich ihre zornige Protestbewegung sah.
»Ja, erkundige dich erst einmal bei einem Anwalt, dann wirst du dir die Scheidung noch gewaltig
überlegen. Und nun«, sagte ich und nahm meinen Hut vom Riegel, »überlasse ich dir erst einmal
leihweise meine Firma. Sei recht fleißig, liebe Magda, und löse recht viele vorteilhafte
Abschlüsse auf... na, was denn? Willst jetzt du mir einen Scheidungsgrund geben?!«
Mein Spott hatte sie ganz rasend gemacht. Sie hatte das Nächste, was ihr zur Hand war, einen
Tintenlöscher, ergriffen und nach mir geschleudert. Ich hatte gerade noch ausweichen können. Sie
sah mich schneeweiß und wutzitternd an. Ich hielt es für besser, sie jetzt nicht weiter zu
reizen, stellte den Löscher auf seinen Platz zurück und verließ Kontor und Firma.
Ich war auch fest entschlossen, so bald nicht wieder dorthin zurückzukehren. Mochte sie ruhig
eine Weile dort allein weiterwursteln, ich machte ihnen ja doch nichts zu Dank. Der ganze Kram
langweilte mich schon lange, jetzt hatte ich eine bessere und interessantere Aufgabe gefunden,
die meiner augenblicklichen Stimmung viel mehr entsprach: mein Kampf gegen Magda!
Sie sollte sich nur an mir versuchen, es würde mir direkt Spaß machen, ihr zu beweisen, wieviel
klüger und gesetzeskundiger ich war als sie!
Ich war wieder auf der Wanderung, meine Aktentasche unterm Arm, durch einen schönen, aber schon
recht heißen Tag am Ausgang des Frühlings. Die Königin des Alkohols - ich hatte sie viel zu lange
vergessen. Langweilig war die jedenfalls nicht. Außerdem mußte ich mir endlich meine Schuhe
wieder holen, niemand sollte mir nachsagen können, daß ich in der Trunkenheit meine Kleidung
durch halb Europa verstreute.
Niemand, nicht einmal Magda. Es war ja so ziemlich klar, was diese tüchtige Dame, mit der ich
bisher verheiratet gewesen war, beabsichtigte. Scheidung, nun schön, aber Scheidung ging nicht so
schnell; vor einer Scheidung mußten auch erst einige Vorbereitungen getroffen werden, z. B. eine
Untersuchung durch den Arzt. Magda stand sich sehr gut mit Doktor Mansfeld, schon seit vielen
Jahren. Er hatte sie immer behandelt, wenn sie krank gewesen war, ich kannte ihn weniger, mir
hatte eigentlich noch nie etwas gefehlt. Sie würde ihn schon zu ihrer Auffassung überreden, und
dann sollte vermutlich so etwas kommen wie Entmündigung und Unterbringung in einer
Trinkerheilstätte. Das würde ihr so passen, der guten Magda: der Mann sitzt in einer Anstalt,
natürlich möglichst dritter Klasse, und sie wirtschaftet in und mit seinem Eigentum, leitet die
Firma. Aber es gab andere Ärzte, berühmtere und tüchtigere als der gute alte Doktor Mansfeld, der
schließlich und endlich nur ein einfacher praktischer Arzt war; gleich in den nächsten Tagen
schon würde ich zu einem oder mehreren von ihnen gehen und mir Atteste über meine völlige
Gesundheit geben lassen. Mit einem solchen Ziel vor Augen würde es leicht sein, ein oder zwei
Tage vor dem Arztbesuch überhaupt nichts zu trinken. Sie würde schon sehen, mit wem sie da
angefangen hatte, die gute Magda; trotz fünfzehn Jahre Ehe kannte sie ihren Mann noch lange
nicht! Jedenfalls: Ehe ich ihr mein Eigentum überließ, steckte ich ihr lieber die Villa über dem
Kopf an, das war klar.
So etwa gingen meine Meditationen während meines Weges in jenen Dorfgasthof, und das Ausmalen bis
in alle Details hinein kürzte mir die Zeit auf das Angenehmste. Ich konnte z. B. lange dabei
verweilen, wie ich in irgendeiner Zelle der Trinkerheilanstalt mit eiskaltem Wasser geängstigt
und mit schlechtem Essen gefüttert wurde, während Magda in unserem hübschen Speisezimmer ein
Kalbskotelett mit Stangenspargel aß.
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