Der Unbestechliche

Hofmannsthal, Hugo von

Der Unbestechliche

 

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Hugo von Hofmannsthal

Der Unbestechliche

Lustspiel in fünf Akten

 

 

Personen.

Die Baronin.

 

Jaromir, ihr Sohn.

 

Anna, dessen Frau.

 

Melanie Galattis.

 

Marie Am Rain.

 

Der General.

 

Theodor, Diener.

 

Hermine, eine junge Witwe.

 

Der kleine Jaromir, vier Jahre alt.

 

Die Beschließerin.

 

Die Jungfer.

 

Der Kutscher.

 

Das Küchenmädchen.

 

Der Gärtner.

 

Spielt auf dem Gut der Baronin in Niederösterreich im Jahre 1912.

 

Erster Akt

 

Eine Parkterrasse, die rückwärts durch einen Gartensaal abgeschlossen ist, zu dem man auf einer Freitreppe von fünf oder sechs Stufen emporsteigt.

 

Erste Szene

DIE JUNGFER. Das ist wieder eine Anordnung vom Theodor.

 

Ab.

 

BESCHLIESSERIN eilig auftretend. Ist die Frau Baronin nicht da? Es wäre notwendig, ihren Rat einzuholen. Rasch ab.

GÄRTNER eilig auftretend. Theodor, die Dispositionen müssen geändert werden. Wir haben zu wenig Zimmer. Rasch ab.

 

Alles ist im größten Tempo zu spielen.

 

BESCHLIESSERIN tritt eilig wieder auf. Ist die Frau Baronin nicht da?

GÄRTNER tritt eilig wieder auf. Ist die Frau Baronin nicht da?

JUNGFER tritt eilig wieder auf. Ist die Frau Baronin nicht da?

 

Sie treten alle drei zugleich von verschiedenen Seiten auf.

 

JUNGFER mustert den Gärtner. In der Livree wollen Sie mitservieren? Wer hat das angeordnet?

BESCHLIESSERIN. Wenn man auf mich gehört hätte, – – wenn man die Einteilung so gemacht hätte, wie ich vorgeschlagen, und hätte dem Fräulein Am Rain das kleine Jägerzimmer neben der Frau von Galattis gegeben – –

 

 

Zweite Szene

Baronin ist von links eingetreten, ein Telegramm in der Hand. Jungfer macht der Beschließerin ein Zeichen, sie solle schweigen.

 

BARONIN. Machen Sie kein Geschwätz, Wallisch, Anordnungen treffe ich, und zu ihrer Durchführung ist der Theodor eingesetzt, und damit basta! Zur Jungfer. Den Kutscher will ich sehen, – wie er ist, in der Stalljacke, in Hemdsärmeln, wie er ist!

JUNGFER geht durch die Glastür.

BARONIN liest indessen das Telegramm. Eintreffe Zollerndorf, drei Uhr elf, herzlich Melanie. Das Telegramm ist in der Früh dagelegen – – heißt das jetzt heute oder morgen? Eine zu dumme Form! Kann sie nicht hinschreiben »Mittwoch«!? Was hat sie nur »Melanie« zu unterschreiben? So intim sind wir nicht! – – Und drei Uhr elf kommt kein Schnellzug an, soviel ich weiß – Kann dieses Spatzengehirn von einer Modepuppe nicht ordentlich im Fahrplan nachschauen? Den Gärtner bemerkend. Wer hat denn Sie in dieses Faschingskostüm gesteckt?

BESCHLIESSERIN. Das sind, Euer Gnaden Frau Baronin, diese Bosheiten, diese Willkürlichkeiten, die sich der Theodor gegen jeden einzelnen von uns herausnimmt!

BARONIN. Wallisch, ich habe Sie nicht um Ihre Ansicht gefragt! Zum Gärtner. Und Sie – hinaus! – Als Jäger anziehen, grauen Rock, graue Hose und grüne Lampas – Um vier Uhr dreißig gestellt zum Tee! Abtreten!

GÄRTNER macht rechtsum kehrt und geht.

BARONIN. Sind die Fremdenzimmer endlich vorbereitet?

BESCHLIESSERIN. Ich bitte gehorsamst, daß ich davon nichts gewußt habe, wenn jetzt plötzlich die Frau von Galattis allein kommt ohne den Herrn Gemahl – wenn der Theodor nicht der Mühe wert befindet, mich zu verständigen, wenn angeordnet und wieder umgestoßen wird – –

BARONIN. Kein Wort mehr über den Theodor! Genug!

 

 

Dritte Szene

Jungfer mit dem Kutscher kommt über die Terrasse.

Der Kutscher ist in Stalljacke und einer Schürze.

Beschließerin wartet noch einen Augenblick, geht dann ab.

 

BARONIN zum Kutscher. Es sind auf beiden Bahnhöfen Gäste abzuholen. – Da – Gibt ihm das Telegramm. Erkundigen Sie sich auf der Station, wann der Zug ankommt, von dem hier so beiläufig die Rede ist.

KUTSCHER nimmt das Telegramm und behälts in der Hand. Melde gehorsamst, das geht nicht.

BARONIN. Was geht schon wieder nicht?

KUTSCHER. Zweierlei Abholungen am heutigen Nachmittag.