Man sagt, daß früherein Bergmann, der morgens eine Frau traf, oft umkehrte und an diesem Tag nicht arbeiten ging.

Bevor ich selber in den Kohlegebieten war, teilte ich die weitverbreitete Illusion, die Bergleute seien relativ gut bezahlt. Man entnimmt ungenauen Angaben, daß ein Bergmann pro Schicht zehn oder elf Shilling erhält, macht eine kleine Multiplikation und kommt zu dem Resultat, daß er rund zwei Pfund pro Woche oder hundertfünfzig Pfund im Jahr verdient. Aber die Feststellung, ein Bergmann verdiene zehn oder elf Shilling pro Schicht, ist irreführend. Zunächst einmal wird nur dem eigentlichen »Abräumer« so viel bezahlt; ein »Dataller«* [* urspr. »Tagelöhner«] zum Beispiel, der für die Abstützung der Decken sorgt, verdient weniger, gewöhnlich acht oder neun Shilling pro Schicht. Außerdem wird der Abräumer in vielen Bergwerken im Akkord bezahlt, so und soviel pro geförderte Tonne, so daß sein Verdienst von der Qualität der Kohle abhängt; eine Maschinenpanne oder ein »Fehler« – d. h. ein Felsstreifen, der durch das Kohlevorkommen läuft, können ihn jedesmal um den Verdienst von einem oder zwei Tagen bringen. Aber ohnehin sollte man nicht davon ausgehen, daß ein Bergmann sechs Tage in der Woche und zweiundfünfzig Wochen im Jahr arbeitet. Höchstwahrscheinlich wird er während einer Reihe von Tagen »beurlaubt«. Der durchschnittliche Schichtverdienst der Bergleute beider Geschlechter und aller Altersstufen betrug 1934 in Großbritannien 9 s. 1¾ d.* [* Aus dem Bergbaujahrbuch und Kohlehandelsverzeichnis für 1935] Wenn jedermann die ganze Zeit gearbeitet hätte, würde das bedeuten, daß ein Bergmann etwas mehr als 142 Pfund im Jahr oder fast 2 Pfund 15 Shilling pro Woche verdient. Das wirkliche Einkommen ist jedoch weit niedriger, denn die 9 s. 1¾ d. sind lediglich eine Durchschnittsrechnung der Schichten, in denen wirklich gearbeitet wurde, und berücksichtigen die andern Tage nicht.

Vor mir liegen fünf Lohnzettel eines Bergmanns in Yorkshire, die für fünf (nicht aufeinanderfolgende) Wochen Anfang 1936 ausgestellt wurden. Wenn man ihren Durchschnitt ausrechnet, kommt man auf einen Bruttolohn von 2 £ 15 s. 2 d.; das macht im Schnitt fast 9 s. 2½ d. pro Schicht. Aber diese Lohnzettel gelten für den Winter, wo in fast allen Bergwerken voll gearbeitet wird. Im Lauf des Frühjahrs läßt der Kohlehandel nach, und mehr und mehr Leute werden »vorübergehend entlassen«, während andere, die auf dem Papier noch eingestellt bleiben, pro Woche ein bis zwei Tage weniger arbeiten. Es ist deshalb offensichtlich, daß das Jahreseinkommen eines Bergmanns mit 150 oder auch nur 142 Pfund in hohem Maße überschätzt wird. Tatsächlich betrug 1934 der durchschnittliche Bruttolohn aller Bergleute in Großbritannien nur 115 £ 11 s. 6 d. Er variierte von Distrikt zu Distrikt beträchtlich, in Schottland stieg er auf 133 £ 2 s. 8 d., während er sich in Durham nur auf 105 £, oder kaum mehr als zwei Pfund pro Woche, belief. Diese Zahlen entnehme ich dem Kohlekasten von Mr. Joseph Jones, Mayor of Barnsley, Yorkshire. Mr. Jones fügt hinzu:

Diese Zahlen schließen den Verdienst von Jugendlichen wie von Erwachsenen und von höheren und niederen Gehaltsklassen ein… auch besonders hohe Einkommen sind in den Zahlen eingeschlossen; das gleiche gilt für die Einkommen bestimmter Beamter und anderer hochbezahlter Leute sowie für höhere Beträge, die für Überstunden bezahlt wurden.
Die Zahlen gehen Durchschnittswerte an und können die Lage Tausender erwachsener Arbeiter, deren Einkommen wesentlich unter dem Durchschnitt liegen und die pro Woche nur 3o bis 40 s. oder weniger bekommen, nicht zeigen.

Hervorhebungen von Mr. Jones. Aber bitte beachten Sie, daß sogar diese schäbigen Löhne noch Bruttolöhne sind. Das bedeutet, daß jede Woche alle möglichen Abzüge von ihnen abgerechnet werden müssen.