Gewöhnlich erfährt man im Gespräch mit Bergleuten, daß sie erst nach mehreren Stunden an die Oberfläche gebracht wurden. Manchmal passieren natürlich auch Unfälle mit dem »Käfig«. Der »Käfig« schießt mit der Geschwindigkeit eines Schnellzugs hinauf oder hinab, und er wird von jemandem bedient, der über Tage ist und nicht sehen kann, was geschieht. Er hat sehr genaue Anzeigen, die ihm sagen, wo der Käfig gerade ist, aber es ist möglich, daß er einen Fehler macht, und es ist vorgekommen, daß ein Käfig mit voller Geschwindigkeit auf den Grubenboden krachte. Dieser Tod erscheint mir schrecklich. Denn während die schmale Stahlkiste durch die völlige Dunkelheit saust, muß ein Moment kommen, wo die zehn eingeschlossenen Männer wissen, daß etwas schiefgegangen ist, und an die letzten Sekunden, bevor sie zerschellen, darf man gar nicht denken. Ein Bergmann erzählte mir, daß er einmal in einem Käfig war, mit dem etwas schiefging. Er verlangsamte sich nicht wie sonst, und sie glaubten, das Kabel sei gerissen. Nun, sie kamen wohlbehalten unten an, aber als der Bergmann hinausstieg, bemerkte er, daß ihm ein Zahn herausgebrochen war: so fest hatte er in Erwartung des schrecklichen Aufpralls die Zähne zusammengebissen. Abgesehen von den Unfällen wirken die Bergleute gesund, und das müssen sie offensichtlich auch sein, wenn man die von ihnen verlangten Muskelanstrengungen in Betracht zieht. Sie bekommen mit großer Wahrscheinlichkeit Rheumatismus, und ein Mann, der schwach auf der Lunge ist, hält es in der stauberfüllten Luft nicht lange aus; die charakteristischste Industriekrankheit jedoch ist der Nystagmus. Das ist eine Augenkrankheit, bei der die Augäpfel auf seltsame Art oszillieren, wenn sie in die Nähe einer Lichtquelle kommen. Verursacht wird sie vermutlich durch das Arbeiten im Halbdunkel, und manchmal führt sie zu völliger Blindheit. Bergleute, die auf diese oder eine andere Weise arbeitsunfähig werden, erhalten von der Bergbaugesellschaft eine Abfindung; manchmal eine einmalige lumpige Auszahlung, manchmal eine wöchentliche Rente. Diese Rente liegt nie über 29 Shilling pro Woche; wenn sie unter 15 Shilling fällt, kann der arbeitsunfähige Mann auch etwas von der Arbeitslosenunterstützung oder vom P.A.C. bekommen. Wenn ich ein arbeitsunfähiger Bergmann wäre, würde ich die lumpige Auszahlung vorziehen, denn dann wüßte ich wenigstens, daß ich mein Geld hätte. Arbeitsunfähigkeitsrenten sind nicht durch einen zentralen Fonds garantiert; wenn die Bergbaugesellschaft bankrott geht, ist es aus mit der Rente, obwohl der Bergmann zu den Gläubigern gehört.

In Wigan wohnte ich eine Zeitlang bei einem Bergmann, der an Nystagmus litt. Er konnte durchs Zimmer schauen, aber nicht viel weiter. Während der letzten neun Monate hatte er 29 Shilling pro Woche Abfindung bekommen; aber die Bergbaugesellschaft sprach nun davon, ihn auf eine »Teilausgleichszahlung« von 14 Shilling pro Woche zu setzen. Alles hing davon ab, ob der Arzt ihn für leichte Arbeit »über Tage« gesundschrieb. Überflüssig zu sagen, daß, auch wenn der Arzt ihn gesundschrieb, es keine leichte Arbeit geben würde, aber er könnte Arbeitslosenunterstützung beziehen, und die Gesellschaft hätte 15 Shilling pro Woche gespart. Als ich den Mann zur Bergbaugesellschaft gehen sah, um seine Entschädigung abzuholen, war ich betroffen von den tiefgreifenden Unterschieden, die vom Status her immer noch gemacht werden. Da war ein Mann, der in einem der nützlichsten Berufe der Welt halb erblindet war und der eine Entschädigung bezog, auf die er ein vollkommenes Recht hatte, wenn irgend jemand ein Recht auf irgend etwas hat. Aber er konnte seine Rente nicht eigentlich verlangen – er konnte sie beispielsweise nicht beziehen, wann und wie er wollte. Er mußte einmal pro Woche zu einem Zeitpunkt, den die Bergbaugesellschaft bestimmte, zum Bergwerk gehen, und wenn er dort angekommen war, ließ man ihn stundenlang im kalten Zug warten. Soweit ich weiß, wurde von ihm auch erwartet, daß er die Hand an die Mütze legte und gegenüber dem, der ihm gerade das Geld gab, seine Dankbarkeit zeigte. Auf jeden Fall verlor er einen Nachmittag und mußte Sixpence Busfahrgeld bezahlen. Für ein Mitglied der Bourgeoisie, sogar für so ein allerunterstes Mitglied wie mich, sieht das ganz anders aus. Auch am Rand des Hungers habe ich noch gewisse Rechte, die zu meinem bürgerlichen Status gehören.