»Bettgardinen.«
»Ach,« rief das Weib lachend und sich vorbeugend, »Bettgardinen!«
»Ihr wollt doch nicht sagen, Ihr hättet sie 'runter genommen, wie er dort lag?« sagte Joe.
»I, freilich,« sagte das Weib. »Warum nicht?«
»Ihr seid geboren, Euer Glück zu machen, und Ihr werdet's auch.«
»Ich werde doch wahrhaftig meine Hand nicht ruhig einstecken, wenn ich sie nur auszustrecken brauche, um was zu kriegen, um so eines Mannes willen, wie der war. Wahrhaftig nicht, Joe,« antwortete das Weib ruhig. »Laßt kein Oel auf die Bettdecken fallen.«
»Seine Bettdecke?« fragte Joe.
»Von wem soll sie denn sonst sein?« antwortete das Weib. »Er wird auch ohne dies nicht frieren, das behaupte ich.«
»Er starb doch nicht etwa an etwas Ansteckendem?« sagte der alte Joe, seine Beschäftigung unterbrechend und sie anblickend.
»Das braucht Ihr nicht zu befürchten,« antwortete die Frau. »Ich hatte ihn nicht so lieb, daß ich dann bei ihm geblieben wäre um solcher Sachen willen. Ha, Ihr könnt durch das Hemd gucken, bis Euch Eure Augen weh thun; Ihr findet kein Loch drin und keine dünne Stelle. Es ist das beste, was er hatte, und fein ist's auch. Sie hätten's verdorben, wenn ich nicht gewesen wäre.«
»Was nennt Ihr, es verderben?« fragte der alte Joe.
»Nun, ihm das Hemd in das Grab anziehen, was sonst?« erwiderte die Frau lachend.
»Es war jemand Narr genug, es ihm anzuziehen, aber ich zog's ihm wieder aus. Wenn Kattun zu so etwas nicht gut genug ist, weiß ich nicht, zu was er sonst gut wäre. Es steht einer Leiche ebenso gut. Er kann nicht häßlicher aussehen, als er in dem aussah.«
Scrooge hörte das Gespräch mit Grausen an. Wie sie da um ihren Raub herum in dem kärglichen Licht der Lampe des Alten saßen, betrachtete er sie mit einem Ekel und einem Abscheu, der nicht größer hätte sein können, wenn es scheußliche Dämonen gewesen wären, die um die Leiche selbst feilschten.
»Ha, ha!« lachte dieselbe Frau, als der alte Joe, einen alten flanellenen Geldbeutel herauslangend, jedem den Preis des Raubes auf den Fußboden hinzählte. »Das ist das Ende von der Geschichte, seht ihr! Er scheuchte jeden von sich, so lange er lebte, um uns zu nützen, da er tot ist! Ha, ha, ha!«
»Geist,« sagte Scrooge, vom Fuß bis zum Scheitel zitternd. »Ich verstehe dich. Das Los dieses Unglücklichen könnte das meinige sein. Mein Leben geht jetzt auf dieses Ziel zu. Gnädiger Himmel, was ist das?«
Er fuhr entsetzt zurück, denn die Scene hatte sich geändert und er stand dicht vor einem Bett, einem einsamen, unverhangnen Bett, wo unter einer groben Decke etwas Verhülltes lag, was, obgleich es stumm war, sich doch in grausenerregender Sprache nannte.
Das Zimmer war sehr finster, zu finster, um etwas genau erkennen zu können, obgleich Scrooge, einem geheimen Gefühle gehorchend, sich umschaute, voll Begier, zu wissen, was für ein Zimmer es sei. Ein bleiches Licht, welches von draußen kam, fiel gerade auf das Bett; und auf diesem, geplündert und beraubt, unbewacht und unbeweint, lag die Leiche dieses Mannes.
Scrooge blickte die Erscheinung an. Ihre reglose Hand wies auf das Haupt des Leichnams. Die Decke war so sorglos zurecht gelegt, daß das geringste Verschieben, die leiseste Berührung von Scrooges Finger das Antlitz enthüllt hätte. Er dachte daran, fühlte, wie leicht es geschehen könnte, und sehnte sich, es zu thun; aber er hatte nicht mehr Macht, die Hülle wegzuziehen, als den Geist an seiner Seite zu entlassen.
O, kalter, starrer, schrecklicher Tod, hier richte deinen Altar auf und umgieb ihn mit den Schrecken, die dir zu Gebote stehen: denn dies ist dein Reich! Aber dem geliebten und verehrten Haupt kannst du kein Haar krümmen, von ihm kannst du keinen Zug widerlich machen. Nicht weil die Hand schwer ist und herabsinkt, wenn man sie fallen läßt, nicht, weil das Herz und der Puls schweigen; sondern weil die Hand offen war und barmherzig, weil das Herz offen war und warm und gut und der Puls ein menschlicher. Töte, Schatten, töte! Und sieh, wie seine guten Thaten aus der Todeswunde hervorströmen, um in der Welt unsterbliches Leben zu sehen.
Keine Stimme flüsterte diese Worte in Scrooges Ohren, aber doch hörte er sie, wie er auf das Bett blickte. Er dachte, wenn dieser Mann jetzt wieder erweckt werden könnte, was würde wohl sein erster Gedanke sein? Geiz, Hartherzigkeit, habgierige Sorge. Ein schönes Ziel haben sie ihm bereitet!
Er lag in dem dunklen leeren Hause und kein Mann, oder Weib, oder Kind war da, um zu sagen, er war gütig gegen mich in dem und in jenem, und dieses einen gütigen Wortes gedenkend, will ich seiner warten. Eine Katze kratzte an der Thür und die Ratten nagten und raschelten unter dem Kamin. Was sie in dem Gemach des Todes wollten und warum sie so unruhig waren, wagte Scrooge nicht auszudenken.
»Geist,« sagte er, »dies ist ein schrecklicher Ort. Wenn ich ihn verlasse, werde ich nicht seine Lehre vergessen, glaube mir. Laß uns gehen.«
Immer noch wies der Geist mit reglosem Finger auf das Haupt der Leiche.
»Ich verstehe dich,« antwortete Scrooge, »und ich thäte es, wenn ich könnte.
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