– Ich weiß nicht, was Euch fehlt?
ADAM wieder zu Even.
Evchen! Ich flehe dich! Um alle Wunden!
Was ist's, das ihr mir bringt?
EVE.
Er wird's schon hören.
ADAM.
Ist's nur der Krug dort, den die Mutter hält,
Den ich so viel –?
EVE.
Ja, der zerbrochne Krug nur.
ADAM.
Und weiter nichts?
EVE.
Nichts weiter.
ADAM.
Nichts? Gewiß nichts?
EVE.
Ich sag Ihm, geh Er. Laß Er mich zufrieden.
ADAM.
Hör du, bei Gott, sei klug, ich rat es dir.
EVE.
Er, Unverschämter!
ADAM.
In dem Attest steht
Der Name jetzt, Frakturschrift, Ruprecht Tümpel.
Hier trag ich's fix und fertig in der Tasche;
Hörst du es knackern, Evchen? Sieh, das kannst du,
Auf meine Ehr, heut übers Jahr dir holen,
Dir Trauerschürz und Mieder zuzuschneiden,
Wenn's heißt: der Ruprecht in Batavia
Krepiert' – ich weiß, an welchem Fieber nicht,
War's gelb, war's scharlach, oder war es faul.
WALTER.
Sprecht nicht mit den Partein, Herr Richter Adam,
Vor der Session! Hier setzt Euch, und befragt sie.
ADAM.
Was sagt er? – Was befehlen Euer Gnaden?
WALTER.
Was ich befehl? – Ich sagte deutlich Euch,
Daß Ihr nicht heimlich vor der Sitzung sollt
Mit den Partein zweideut'ge Sprache führen.
Hier ist der Platz, der Eurem Amt gebührt,
Und öffentlich Verhör, was ich erwarte.
ADAM für sich.
Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen –!
– Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm –
LICHT ihn aufschreckend.
Herr Richter! Seid Ihr –?
ADAM.
Ich? Auf Ehre nicht!
Ich hatte sie behutsam drauf gehängt,
Und müßt ein Ochs gewesen sein –
LICHT.
Was?
ADAM.
Was?
LICHT.
Ich fragte –!
ADAM.
Ihr fragtet, ob ich –?
LICHT.
Ob Ihr taub seid, fragt ich.
Dort Seiner Gnaden haben Euch gerufen.
ADAM.
Ich glaubte –! Wer ruft?
LICHT.
Der Herr Gerichtsrat dort.
ADAM für sich.
Ei! Hol's der Henker auch! Zwei Fälle gibt's,
Mein Seel, nicht mehr, und wenn's nicht biegt, so bricht's.
– Gleich! Gleich! Gleich! Was befehlen Euer Gnaden?
Soll jetzt die Prozedur beginnen?
WALTER.
Ihr seid ja sonderbar zerstreut. Was fehlt Euch?
ADAM.
– Auf Ehr! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir,
Das ich von einem Indienfahrer kaufte,
Den Pips: ich soll es nudeln, und versteh's nicht,
Und fragte dort die Jungfer bloß um Rat.
Ich bin ein Narr in solchen Dingen, seht,
Und meine Hühner nenn ich meine Kinder.
WALTER.
Hier. Setzt Euch. Ruft den Kläger und vernehmt ihn.
Und Ihr, Herr Schreiber, führt das Protokoll.
ADAM.
Befehlen Euer Gnaden den Prozeß
Nach den Formalitäten, oder so,
Wie er in Huisum üblich ist, zu halten?
WALTER.
Nach den gesetzlichen Formalitäten,
Wie er in Huisum üblich ist, nicht anders.
ADAM.
Gut, gut. Ich werd Euch zu bedienen wissen.
Seid Ihr bereit, Herr Schreiber?
LICHT.
Zu Euren Diensten.
ADAM.
– So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf!
Klägere trete vor.
FRAU MARTHE.
Hier, Herr Dorfrichter!
ADAM.
Wer seid Ihr?
FRAU MARTHE.
Wer –?
ADAM.
Ihr.
FRAU MARTHE.
Wer ich –?
ADAM.
Wer Ihr seid!
Wes Namens, Standes, Wohnorts, und so weiter.
FRAU MARTHE.
Ich glaub, Er spaßt, Herr Richter.
ADAM.
Spaßen, was!
Ich sitz im Namen der Justiz, Frau Marthe,
Und die Justiz muß wissen, wer Ihr seid.
LICHT halblaut.
Laßt doch die sonderbare Frag –
FRAU MARTHE.
Ihr guckt
Mir alle Sonntag in die Fenster ja,
Wenn Ihr aufs Vorwerk geht!
WALTER.
Kennt Ihr die Frau?
ADAM.
Sie wohnt hier um die Ecke, Euer Gnaden,
Wenn man den Fußsteig durch die Hecken geht;
Witw' eines Kastellans, Hebamme jetzt,
Sonst eine ehrliche Frau, von gutem Rufe.
WALTER.
Wenn Ihr so unterrichtet seid, Herr Richter,
So sind dergleichen Fragen überflüssig.
Setzt ihren Namen in das Protokoll,
Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.
ADAM.
Auch das. Ihr seid nicht für Formalitäten.
Tut so, wie Seiner Gnaden anbefohlen.
WALTER.
Fragt nach dem Gegenstand der Klage jetzt.
ADAM.
Jetzt soll ich –?
WALTER.
Ja, den Gegenstand ermitteln!
ADAM.
Das ist gleichfalls ein Krug, verzeiht.
WALTER.
Wie? Gleichfalls!
ADAM.
Ein Krug. Ein bloßer Krug. Setzt einen Krug,
Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.
LICHT.
Auf meine hingeworfene Vermutung
Wollt Ihr, Herr Richter –?
ADAM.
Mein Seel, wenn ich's Euch sage,
So schreibt Ihr's hin. Ist's nicht ein Krug, Frau Marthe?
FRAU MARTHE.
Ja, hier der Krug –
ADAM.
Da habt Ihr's.
FRAU MARTHE.
Der zerbrochne –
ADAM.
Pedantische Bedenklichkeit.
LICHT.
Ich bitt Euch –
ADAM.
Und wer zerbrach den Krug? Gewiß der Schlingel –?
FRAU MARTHE.
Ja, er, der Schlingel dort –
ADAM für sich.
Mehr brauch ich nicht.
RUPRECHT.
Das ist nicht wahr, Herr Richter.
ADAM für sich.
Auf, aufgelebt, du alter Adam!
RUPRECHT.
Das lügt sie in den Hals hinein –
ADAM.
Schweig, Maulaffe!
Du steckst den Hals noch früh genug ins Eisen.
– Setzt einen Krug, Herr Schreiber, wie gesagt,
Zusamt dem Namen des, der ihn zerschlagen.
Jetzt wird die Sache gleich ermittelt sein.
WALTER.
Herr Richter! Ei! Welch ein gewaltsames Verfahren.
ADAM.
Wieso?
LICHT.
Wollt Ihr nicht förmlich –?
ADAM.
Nein! sag ich;
Ihr Gnaden lieben Förmlichkeiten nicht.
WALTER.
Wenn Ihr die Instruktion, Herr Richter Adam,
Nicht des Prozesses einzuleiten wißt,
Ist hier der Ort jetzt nicht, es Euch zu lehren.
Wenn Ihr Recht anders nicht, als so, könnt geben,
So tretet ab: vielleicht kann's Euer Schreiber.
ADAM.
Erlaubt! Ich gab's, wie's hier in Huisum üblich;
Euer Gnaden haben's also mir befohlen.
WALTER.
Ich hätt –?
ADAM.
Auf meine Ehre!
WALTER.
Ich befahl Euch,
Recht hier nach den Gesetzen zu erteilen;
Und hier in Huisum glaubt ich die Gesetze,
Wie anderswo in den vereinten Staaten.
ADAM.
Da muß submiß ich um Verzeihung bitten!
Wir haben hier, mit Euerer Erlaubnis,
Statuten, eigentümliche, in Huisum,
Nicht aufgeschriebene, muß ich gestehn, doch durch
Bewährte Tradition uns überliefert.
Von dieser Form, getrau ich mir zu hoffen,
Bin ich noch heut kein Jota abgewichen.
Doch auch in Eurer andern Form bin ich,
Wie sie im Reich mag üblich sein, zu Hause.
Verlangt Ihr den Beweis? Wohlan, befehlt!
Ich kann Recht so jetzt, jetzo so erteilen.
WALTER.
Ihr gebt mir schlechte Meinungen, Herr Richter.
Es sei. Ihr fangt von vorn die Sache an. –
ADAM.
Auf Ehr! Gebt acht, Ihr sollt zufrieden sein.
– Frau Marthe Rull! Bringt Eure Klage vor.
FRAU MARTHE.
Ich klag, Ihr wißt's, hier wegen dieses Krugs;
Jedoch vergönnt, daß ich, bevor ich melde
Was diesem Krug geschehen, auch beschreibe
Was er vorher mir war.
ADAM.
Das Reden ist an Euch.
FRAU MARTHE.
Seht ihr den Krug, ihr wertgeschätzten Herren?
Seht ihr den Krug?
ADAM.
O ja, wir sehen ihn.
FRAU MARTHE.
Nichts seht ihr, mit Verlaub, die Scherben seht ihr;
Der Krüge schönster ist entzweigeschlagen.
Hier grade auf dem Loch, wo jetzo nichts,
Sind die gesamten niederländischen Provinzen
Dem span'schen Philipp übergeben worden.
Hier im Ornat stand Kaiser Karl der Fünfte:
Von dem seht ihr nur noch die Beine stehn.
Hier kniete Philipp, und empfing die Krone:
Der liegt im Topf, bis auf den Hinterteil,
Und auch noch der hat einen Stoß empfangen.
Dort wischten seine beiden Muhmen sich,
Der Franzen und der Ungarn Königinnen,
Gerührt die Augen aus; wenn man die eine
Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben,
So ist's, als weinete sie über sich.
Hier im Gefolge stützt sich Philibert,
Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen,
Noch auf das Schwert; doch jetzo müßt er fallen,
So gut wie Maximilian: der Schlingel!
Die Schwerter unten jetzt sind weggeschlagen.
Hier in der Mitte, mit der heil'gen Mütze,
Sah man den Erzbischof von Arras stehn;
Den hat der Teufel ganz und gar geholt,
Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster.
Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,
Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,
Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel,
Hier guckt noch ein Neugier'ger aus dem Fenster:
Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht.
ADAM.
Frau Marth! Erlaßt uns das zerscherbte Paktum,
Wenn es zur Sache nicht gehört.
Uns geht das Loch – nichts die Provinzen an,
Die darauf übergeben worden sind.
FRAU MARTHE.
Erlaubt! Wie schön der Krug, gehört zur Sache! –
Den Krug erbeutete sich Childerich,
Der Kesselflicker, als Oranien
Briel mit den Wassergeusen überrumpelte.
Ihn hatt ein Spanier, gefüllt mit Wein,
Just an den Mund gesetzt, als Childerich
Den Spanier von hinten niederwarf,
Den Krug ergriff, ihn leert', und weiter ging.
ADAM.
Ein würd'ger Wassergeuse.
FRAU MARTHE.
Hierauf vererbte
Der Krug auf Fürchtegott, den Totengräber;
Der trank zu dreimal nur, der Nüchterne,
Und stets vermischt mit Wasser aus dem Krug.
Das erstemal, als er im Sechzigsten
Ein junges Weib sich nahm; drei Jahre drauf,
Als sie noch glücklich ihn zum Vater machte;
Und als sie jetzt noch funfzehn Kinder zeugte,
Trank er zum dritten Male, als sie starb.
ADAM.
Gut. Das ist auch nicht übel.
FRAU MARTHE.
Drauf fiel der Krug
An den Zachäus, Schneider in Tirlemont,
Der meinem sel'gen Mann, was ich euch jetzt
Berichten will, mit eignem Mund erzählt.
Der warf, als die Franzosen plünderten,
Den Krug, samt allem Hausrat, aus dem Fenster,
Sprang selbst, und brach den Hals, der Ungeschickte,
Und dieser irdne Krug, der Krug von Ton,
Aufs Bein kam er zu stehen, und blieb ganz.
ADAM.
Zur Sache, wenn's beliebt, Frau Marthe Rull! Zur Sache!
FRAU MARTHE.
Drauf in der Feuersbrunst von sechsundsechzig,
Da hatt ihn schon mein Mann, Gott hab ihn selig –
ADAM.
Zum Teufel! Weib! So seid Ihr noch nicht fertig?
FRAU MARTHE.
– Wenn ich nicht reden soll, Herr Richter Adam,
So bin ich unnütz hier, so will ich gehn,
Und ein Gericht mir suchen, das mich hört.
WALTER.
Ihr sollt hier reden: doch von Dingen nicht,
Die Eurer Klage fremd. Wenn Ihr uns sagt,
Daß jener Krug Euch wert, so wissen wir
So viel, als wir zum Richten hier gebrauchen.
FRAU MARTHE.
Wieviel ihr brauchen möget, hier zu richten,
Das weiß ich nicht, und untersuch es nicht;
Das aber weiß ich, daß ich, um zu klagen,
Muß vor euch sagen dürfen, über was.
WALTER.
Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geschah dem Krug?
Was? – Was geschah dem Krug im Feuer
Von Anno sechsundsechzig? Wird man's hören?
Was ist dem Krug geschehn?
FRAU MARTHE.
Was ihm geschehen?
Nichts ist dem Krug, ich bitt euch sehr, ihr Herren,
Nichts Anno sechsundsechzig ihm geschehen.
Ganz blieb der Krug, ganz in der Flammen Mitte,
Und aus des Hauses Asche zog ich ihn
Hervor, glasiert, am andern Morgen, glänzend,
Als käm er eben aus dem Töpferofen.
WALTER.
Nun gut. Nun kennen wir den Krug. Nun wissen
Wir alles, was dem Krug geschehn, was nicht.
Was gibt's jetzt weiter?
FRAU MARTHE.
Nun diesen Krug jetzt seht – den Krug,
Zertrümmert einen Krug noch wert, den Krug
Für eines Fräuleins Mund, die Lippe selbst
Nicht der Frau Erbstatthalterin zu schlecht,
Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide,
Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen.
ADAM.
Wer?
FRAU MARTHE.
Er, der Ruprecht dort.
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