eine oder ein paar Seiten aus einem Zähren-Buch kopulieren Seelen und ihre Leiber, oder Kuppelpelze. Asserit A, negat E, verum universaliter ambae; d.h. er bejaht Liebe, sie verneinet sie, aber beide nur so ins Blaue hin, aus dem ich eben herniedersah. Beide gingen wie mein Rückenwind, wie es schien, einer Rotonda zu, in welche nirgends einzuschauen ist als durch ein großes Loch von oben. Fahlands Zeigefinger war eine Hand in margine für das Buch der Natur; sein Herz hatte wie ein Hühnerauge Gefühl für das schöne Wetter, und er fuhr mit den Mautners-Suchnadeln seiner Empfindungen in alle Schönheiten der Natur, in Sterne und Käfer. Fahland, wie seine ganze Diebesbande, hält das Abendrot und ganze Haine bloß als Springwurzeln an das weibliche Herz, damit dieses Vorlegeschloß der Person aufspringe; mit der Erdkugel und einigen Himmelskugeln und der zweiten Welt beeren sie die Schlinge für das dumme Schneußvögelein vor.
Es charmierte mich, daß der Zensor im ästhetischen Fache auf der empfindamen Reise zur Rotonde verblieb; ich half oben dem schwachen Wind mit Rudern nach als dessen Vorspann. Der Zensor ließ schon die Korsarenflagge, das weiße Schnupftuch, flattern und trocknete seinen Augapfel; die Schwarze steckte die weiße auf und trocknete damit auch. – O guter Himmel, treibe sie in die Rotonde und mich oben gerade über das Loch! – Man nehme solchen Zensoren in ästhetischen Fächern das Unglück und also die Klage darüber: so hat man ihnen ihr Liebesglück genommen; wie an dem Räucherstecken der Speck der Schweine, die in die Buchmast gegangen, so tropfen Tropfen dieser Art unaufhörlich und höhlen sich das Herz aus, worauf sie fallen. Ich habe ein Mandel davon beiderlei Geschlechts aufgerechnet, das jetzt ganz verdrüßlich und erkältet wird durch zärtliche Musik, bloß weil das Mandel die besten erotischen Qualen längst verscherzet hat und sich also aller Verluste verlustig sieht, denen etwan in klagenden Arien nachzuweinen wäre.
Das Schnupftuch – dieses Geifertüchlein bärtiger Kinder – ist die beste Herzensfloßfeder, die ich je an solchen Fischen gesehen; die Mädchen sind wie Kalk, den der Freskomaler so lange bearbeiten und bemalen kann, als er naß ist. O warum bin ich nicht der Teufel oder seine Großmutter, um solche Neptunisten – die zu Vulkanisten zu erbärmlich sind – abzuholen und abzutrocknen in der Hölle? –
Der halbe Mond stand mitten auf der Himmelsmoschee wie ein türkischer. Das Paar sah sich nicht um, sondern nur nach dem Mond, der wie ein Juwelenschmuck über dessen Haaren stand; es nahm also geblendet mich und meinen nur noch 100 Schritte von ihnen gehenden Weltkörper nicht wahr. Es war so wind- und landstill, daß ich Fahlanden hinaufhören konnte, da er sagte: »Die Gewalt des ungeheuern Schicksals, Edle, etwa? – Nein, dagegen bin ich löwenstark, sobald nur mein Herz an deinem klopft.« Dieses Zusammenklopfen möchte schwerlich – ohne verrenkte Gruppierung – tulich sein, es müßte denn eines von beiden Herzen rechts vorgeschoben werden.
Endlich besah er den Mond und fragte ihn – oder den bekannten Mann im Mond, wenn er nicht den Mann unter demselben meinte, nämlich mich –, ob er (der Mond, oder der Mondmann oder ich) vielleicht so still und heilig glänze, weil er mit ihm schwelge und leide und wandle. »Ich will dich aber allein und abgesondert anschauen, du Heiliger, in deinem Tempel; komm du mit, du Heilige!« Mit diesen Worten, womit er sich und das einsame Besehen des Monds durch das Rotonden Spundloch introduzierte, war er mit der Schwarzen in den Tempel hinein. – Ich fuhr oben nach.
Matrosen, wie sie sein sollten, wofür dieser Almanach geschrieben, braucht die unsägliche Mühe nicht langweilig abgemalt zu werden, die sich ein Luftschiffer geben muß, wenn er den geizigen Wind – die waagrechte Ferne – die steilrechte – das Öffnen beider Lufthähne – und den Bogen, den er halb sinkend, halb wie eine Bombe zwischen beiden Fernen beschreibt – gerade so berechnen will, daß er zuletzt auf einmal (die Hähne sind ganz aufgedreht) in das Rotondenloch hineinschießet. Verdammt! ich schoß freilich so und ankerte; aber nie verfluchter. Ich blieb mit meiner Sänfte im Introitus stecken, der sie zwischen den beiden Türgriffen so in der Mitte fing, daß ich nicht aufmachen und mich durch Auswurf einiges Ballastes wieder aus dem Schweißloch heben konnte; – ich hatte meinen Ballon gleichsam als eine Peterskuppel auf diesen Tempel gebauet.
Vor allen Dingen sucht' ich mehrere Bannstrahlen aus meinem Souffleurloch auf das mäuschenstille Paar hinunterzuschleudern, eh' es davonlief, und drückte mich in der Sänfte so aus: »O mein Herr Zensor im ästhetischen Fach, der Passagier, der hier in der kläglichen Fassung über Ihnen schwebt – ich meine nicht meines Geistes, sondern des Mastkorbes seine –, kennt Sie sehr gut und hat in der Luft alles gehört und behorcht. Sie Heuchler! – Springt man so um mit Gänslein, wie ganz gewiß das schwarze da unter mir in der Rotonde ist? – Braucht man das Herz zum Diebsdaumen – den Pegasus zum Schießpferd gegen diese einfältigen Trappen – und die schöne Nacht zum Nachtgarn und den Sternenhimmel zum Lerchenspiegel? Herr Federschütz! Stellet ihr Spitzbuben nicht den Mond als Tellerfalle der Nymphen auf und den Regenbogen als Sprenkel? – Ich vermische die Anspielungen, aber ich frage jetzt den Teufel nach Stil, Herr Zensor, aber nicht morum! – Und die Tränen-Stückgießerei! und das eigne Herz, das ihr so zerschnitten vormalt, wie es sonst die Hosen der Vorfahren waren. – – Magdalene sündigte doch, um zu weinen, aber ihr weinet, um zu sündigen, eine teuflische Antithese, aber im Handeln! – Wollte Gott, ich könnte mich nur aus der verdammten Schießscharte, in die ich bloß hineinfeuern muß, hinabmachen. – Sie sollten mich kennen lernen. – – Warum defendiert sich niemand drunten? – Wo stehst du denn, stiller Spitzbube?« –
Aber da ich zufällig einen Blick über den Park warf, stieg das begossene Paar schon weit von mir und meiner Hängekanzel über einen mondhellen Hügel hinüber. Ich schlug daher – weil ich nicht die ganze Nacht in dem Predigt-Eingang hängen wollte – ein Sänftenfenster ein und kroch aufs Dach heraus und war im Zorn gleichsam ein aufs Haus gesetzter roter Hahn. Erst nach langem Toben konnt' ich mir den Park-Inspektor erschreien, der mich gern, da er mich so sitzen sah, auslachte und herunterholte. –
Fünfte Fahrt
Herr v. Gehrischer – die Mülanzer – Plan zu einem Galgen-Jubiläum samt der Jubelrede
Wer könnte einen Tag lang unter den Mülanzern aushalten, wenn er nicht sein Kajüte-Fenster zum Glaser schicken müßte? Herrn Gehrischer, einem Hotel-Bekannten, dem ich in Europa wenigstens dreißigmal entgegenkam, tat ich die Ehre an, sein Gast zu sein zu gleicher Zeit mit zwölf andern. Niemand kann nach jemand weniger fragen als wir beide nach einander; »Giannozzo ist ein sehr pläsanter Hanswurst, gewiß nicht ohne Talent, aber dabei maliziös und impertinent!« sagte er; ich sage, von Gehrischer ist der Stellvertreter der Menschheit. Aus seinem Kopf voll Sprachen und Kenntnisse – aus seinem Stammbuch voll großer Namen – aus einem Bilderkabinett, einem Musikzimmer, einem Büchersaal und Geldkasten, aus allen diesen Perlen der Menschheit setzt er doch nur eine abgeschabte passive Figur wie einen Nußknacker zusammen, der nur andern die Kerne reicht, ein Ding, das (seinesgleichen ausgenommen) nichts macht, kein Werk, kein Glück, kein Unglück, nicht einmal einen Streich. Durchstreicht diesen lebendigen Gedankenstrich, ihr merkt die Korrektur nicht, weil der längere Strich noch da ist. Wie gesagt, er ist der Taschenspiegel der Menschheit. – Hell steigt der Genius vom Himmel nieder, und das Gewölke erglänzet weit, wenn er es durchdringt; und der ätherische Geist berührt die Erde: da verwandelt sich alles – die Felsen gehen auf und zeigen stille große Gestalten – auf die Leinwand und die Mauern fällt der Widerschein von fernen Göttern und ihren Himmeln – alle Körper erklingen, Sehne, Holz und Gold, und die Luft durchfliegen Lieder –; aber die dumpfe Menschenherde hebt ein wenig den Kopf von der Weide verwundert auf und bückt sich wieder und graset weiter; nur einige werden geheiligt und knien verklärt.
Was die Mülanzer anlangt, so treibt dieses ruhige Chor und Käugelag kein Gott von der Gemeinhut; wollt ihr sie aber näher taxieren, ohne euch um mehr als drei Pfund zu verrechnen? Kommt mit mir zum großen Ball, den Gehrischer ihnen heute gab. Ganz Mülanz von Stand ist da, ob er gleich etwas darin setzt – das ist sein einziger Posseß-Titel des Werts –, daß er, wie die alten deutschen Bücher, ohne Titel bleibt.
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