Ich sah oft »liebenswürdige herrliche Gesellschafter«, die es darum waren, weil sie wie Hähne krähen, oder fünf Kartenkünste machen konnten, oder weil sie einen Pudel mit hatten, der halben Menschenverstand besaß; so wurden meine beiden besten Kugeln, die im Kopf und die in der Brust, bloß durch die ärostatische gehoben. – Zur Belohnung bat ich den Hof, nach meiner Auffahrt eine Stunde lang achtzugeben, ich würde oben unter den Sternen dreimal den Novitätentempel umkreisen und mich senken.
Ich ging ins Wirtshaus und fuhr auf – und davon.
Dritte Fahrt
Das Fisch-Eden – das Saturnianer-Land –
das Dörfchen Dorf
Den wahren Himmel auf Erden, sagt' ich oft, besitzt wohl niemand als ein Seefisch. Wär' ich einer, z.B. ein Haifisch, so könnt' ich unter dem Eishimmel des Nordpols hervorbrechen, vor der kalten Zone vorbeischwimmen, dann vor der gemäßigten und am Gleicher halten und wie andere Normänner Menschen rauben – und dann meine Reise um die Welt fortsetzen. – Ich hätte überall etwas zu fressen, nämlich meine Wasser-Sassen, die Stockfische, und wo ich fröre oder schwitzte, säh' ich mein gemäßigtes Klima unter den Floßfedern, in das ich untertauchen könnte. Welches herrliche, freie, weite Reich, worin wir Hai- und andere Fische neben einigen gestrandeten Weltteilen und Inseln, wovon die wenigsten schwimmen, leben ohne Blitz und Überschwemmung, ohne Dürre und Mißwachs und ohne Fischseuche! –
Fast wie einem solchen Fisch im Wasser war mir gestern nachts in der Luft, als ich herauskam aus dem Novitätentempel, welche lüftende Freiheitsluft gegen den Kerkerbrodem unten! Hier ein rauschendes Nachtluft-Meer, drunten ein morastiges Krebsloch! Ich machte die Sänftenfenster dem frischen Luftzug auf und blies vor Lust mit meinem Posthörnchen hinaus. Drunten auf meinem zurückgelassenen Meersboden stieg ein Dieb in eine Kirche ein – unweit davon stieg ein Mönch aus einem Kloster als Selbstdieb heraus – in den Wald liefen Wilddiebe – auf dem Felde Wächter gegen das diebische Wild – ferner Reisende – Sentimentalisten u.s.w. Was ging mich das tiefe Volk an? – Ich ging zu Bette.
Saussure klagt schon über die Schläfrigkeit auf Höhen; auf meiner gedeihen die Mohnköpfe noch besser. Ich erwachte erst, da ich schon über dem Saturnianerlande schwebte. Es verdient seinen schönen Namen, da wirklich Saturns goldnes Alter sich da noch aufhält. Der Hof, der Hofprediger und die Kammer sagen es dem Fürsten an Geburtstagen, weil sie das Land mehr bereisen und kennen als er. Wenn je ein saturnianisches Lustrum so auf der Erde weilte, wie Hesiod es beschreibt – sagen sie und schlagen den alten Sänger auf –, eines, wo die seligen Menschen ohne Ackerbau, ohne Gold und ohne Fleischessen lebten: so ists hier in unser Land versteckt; wo ist, fragen sie, hier mühsamer Bau des Landes, das alle seine Gaben freiwillig gebiert, die freilich nicht von jedem zu genießen sind? Wo wird weniger Blut vergossen und Fleisch gegessen als da, wo fast gar kein Viehstand ist? – Und was das Gold anbelangt, das eben in goldnen Zeitaltern erweislich nur im Namen steckt, so haben wir die echtesten Papiere in Händen, um das Alibi desselben zu dokumentieren; denn das Blei, das unlegiert im Lande rouliert, ist eben die rechte Gedächtnis- und Krönungsmünze des Saturns, den die Chemiker einmütig zum Namenszug dieses Metalles aufgestellt. In andern Ländern wird oft eine Regierung die glückliche unter dem Saturn genannt, weil dieser, wenn nicht seine Landeskinder, doch seine apanagierten Prinzen vor Liebe aufzuessen suchte.
Mittags fütterte ich im saturnianischen Dorfe »Dorf« sowohl mich (freilich mager genug) als das ganze Dorf für 2 Taler 48 5/8 Kreuzer ab. Sämtliche Dörfer kamen vor Erstaunen über die Mildtätigkeit eines so reichen Herrn – da der goldhaltige Paktolus sonst nur von unten, wo er entspringt, hinauffließet, ich aber gerade so viel verschenkte, als der Graf zu Wied-Runkel als seinen Anteil für Niederisenburg-Gränzau zum Kammerzieler7 gibt – und über den famösen Geldhaufen von drittehalb Talern, der in lauter Albus vor ihnen lag – ich sage, sämtliche Dörfer kamen teils vor Erstaunen darüber und teils vom Getränk halb von Sinnen.
Abends fraß ich in Wien.
Ich mag heute nichts mehr schreiben.
Vierte Fahrt
Der Wiener Schub – das Schul-Pferd – Herr v. Fahland – die sentimentalischen Spitzbuben – das schlimme Rotonden-Loch
Der Siechkobel stieß noch vor tags vom Lande ab, weil ich erst in Wien gewesen. Ein fataler satirischer Südwind trieb mich aber so, daß ich oben gerade mit dem »Wiener Schub«8, dem Vagabonden-Florilegium, parallel fahren mußte. Österreich frankiert dieses Provinzialkonzilium an Baiern – dieser Kreis akzeptiert die ostindische oder europäische Kompagnie von Selbstpanisten als Transitogut und verführt es nach Schwaben – Schwaben behält die Mission, die wie ein Steppenfeuer den Kreis ordentlich unter sich verteilt und besetzt, so daß nachher die Kolonisten und Emissarien einzeln zusammengesucht und aufgehangen werden. Schwaben kann man, insofern diese Metastase der Krankheitsmaterie des Reichskörpers dahin geschieht, nach der Analogie der Ordenslandkarten, die ein Benediktiner-, ein Jesuitendeutschland etc. haben, als ein Vagabundendeutschland mappieren.
Da der Wind mehr gerade ging als der Schub: so konnt' ich bald divergieren und bei einem Postmeister einkehren, dessen Sohn zu nichts taugt als zu seinem Sukzessor. Er ließ mich sein englisches Pferd im Stall besehen und betasten, das sich auf Hutabziehen, Totanstellen, Küssen, Verbeugen versteht. Ich setzt' ihn zu Rede, warum er nicht dem guten Vieh die Erziehung seines Sohnes anvertraue, damit dieser den Fuchs als seinen Ober-Hof- und Konduitenmeister und Schulfuchs ritte. Der Mann ist selber nicht weit her; sonst könnt' er das Kunst- und Musenpferd, das sich so allmählich tot anstellen kann, auch in die Tragödienproben des Pestitzer Theaters reiten, damit die Akteurs vom Fuchse sterben lernten, um zu leben.
Der ganze Tag verdiente überhaupt gar nicht, daß man ihn durchlebte; und am Abend ärgerte mich noch dazu der Abend. Kurz vor Sonnenuntergang sah ich die Stadt Mülanz9 kaum noch 6 Meilen entfernt; »ich kann im Neste pernoktieren«, sagt' ich, »da ich mit so gutem Rückenwinde darauf lossegle.« In der Nähe des Parks, über welchen weg ich in die Stadt fahren mußte, ging im Mondenschimmer Herr v. Fahland (schon ein fataler Name!) mit einem ganz schwarz eingekleideten weiblichen Herzen. Ich kenne – und segelte ich über der höchsten Wolke – Fahlanden am Gange der Arme gleich; er ist in Mülanz Zensor des ästhetischen Fachs. Gott geb' ihm noch heute eine höllische Nacht! O ihr schwachen Weiber, welche von euch, wenn man die gute alte, immer treu und jungfräulich bleibende Abbeville10 aus Billigkeit ausnimmt, hält das größte Feuer aus, das man auf sie gibt, nämlich das poetische? Pulsiert nicht hinter eurer falschen Brust aus Wachs – wie jetzt symbolisch Mode wird – ein ähnliches Herz aus Wachs, das sich nur fest und unverändert erhält in der Kälte, das aber vor der männlichen und poetischen Flamme herunterrinnt, die mit der Spitze gen Himmel zeigt, obwohl mit Grundfläche und Nahrung auf der Erde aufsitzend? –
Die sinnlichen, ehrlichen Roués in Frankreich hatten sonst 365 Weiber in einem Jahre, aber doch nacheinander; aber die poetischen Rouants (diese Seelen-Radebrecher) haben ebenso viele auf einmal zu derselben Zeit und heißen das Simultanliebe, über welche J.P. in seinem Hesperus unverantwortlich leicht weggeht. Ich, Giannozzo, vierreuterscher Frosch- und Frankenritter, muß zwar in manchen Punkten so gut auf meine Brust schlagen als in unzähligen auf fremde Rücken, und es wird niemand, dem ich oft in Paris oder Wien begegnet bin, auf meinem Grabstein hypothekarische Versicherungen einhauen lassen, daß ich ein Tugendspiegel gewesen; aber wahrlich ich beging allzeit meine Todsünde und damit schabab; nie hingegen, nie blies ich ein armes dummes Herz mit Äther auf und ließ den Globen an meinem Faden bald hoch, bald niedrig fliegen und tat zuletzt einen derben Schnitt hinein, daß es mir als ein welkes Häutchen vor die Füße niederfiel nach langem Ziehen, Schwellen, Weinen, Irren und Zagen, und seiner und meiner satt. – –
»Aber du, Fahland, Fahland, hast du nicht acht Bräute in vier Städten und heiratest die neunte in der fünften? Und was hast du so spät im Park mit der schwarzen Schleier-Eule vor?« so sagt' ich oben und sah zu (mit dem Kriegsperspektiv), was er machen wolle.
Auch wußt' ichs voraus. Er steckte ein Buch in die Tasche, ganz entschieden einen Roman und wohl gar von dem aus Feucht-Wangen11 gebürtigen Jean Paul; pagina jungit amicos, d.h.
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