Früelings-Hochzeitgedichte
1631 Mai.
Der Winter ist fürbei, der Feind der bunten Auen
und aller Blumen Tod; was Juno kan beschauen
auf diesem breiten Rund', ist alles Jammers frei,
der von der Kälte war. Der Winter ist fürbei.
Der angenehme Lenz ist itzt schon angekommen,
hat jenem alle Macht und Leidsein abgenommen
und gar von uns verweist. Der liebe Freund der Lust
hat von der Erden Not und Übel wol gewust,
drumb bricht er so herein. Die beste Zeit der Zeiten,
des Jahres Mark und Saft, die Gunst der Fruchtbarkeiten,
das Wohnhaus aller Pracht, das nichts als Lustigsein,
hat sich nun widerumb bei uns gestellet ein
und machet alles froh. Seht, wie so grüne werden
die Glieder überall der breitgebrüsten Erden,
Feld, Wiesen, Berge, Tal! Ietzt regt sich die Natur,
sie bildet ihre Zier, wo man hin siehet nur.
Wie prangt sie mit der Saat, wenn mit gesunden Reifen
die fromme Cynthia bei Nachte sie muß täufen,
darvon das Gras und Korn früh' aller trunken sind
und taumeln hin und her, wenn sie ein Westenwind
mit sanftem Odem schwenkt! Wenn es beginnt zu tagen,
und furchtsam tritt herfür der Rötin bunter Wagen
und zeigt ihr braunes Liecht der aufgeweckten Welt,
da geht die Wollust an, die mir und dir gefällt.
Das leichte Federvieh verläßt die warmen Nester,
begibt sich ihrer Burg, der halbbegrünten Äster,
spaziert durch freie Luft, singt Schaf' und Schäfer an:
denn auch diß gute Volk nicht lange schlafen kan,
geht für der Sonnen aus. Die Taue sinken nieder,
beperlen Laub und Gras. Der Philli laute Lieder,
die in dem Pusche grast, die wecken Echo auf,
daß manchen hellen Schrei sie durch das Tal tut drauf.
Die lautere Fontein, entsprungen aus der Erden,
mit der Kristallen nicht verglichen mögen werden,
ergeußt das helle Quell und rauschet durch den Grund,
darinnen mancher Hirsch benetzt den dürren Mund
und schlürft ihm nüchtern nein. Der Wälder Raub, die Hinden,
gehn ungescheucht zur Kost. Der Has' ist noch zu finden
in jenem Stücke Korn', in das er gestern lief,
und aße sich so voll, daß er auch da entschlief.
Indessen steigen auf des muntern Phöbus Pferde,
die nichts als Feuer sein; da wird das Punct der Erde
von Neuem ganz belebt. Diß ist die liebe Zeit;
was gött- und menschlich ist, das wird durch sie erfreut.
Die geilen Satyren, die springen aus den Wäldern
und lassen sich ersehn auf allen grünen Feldern,
wo Schäferinnen sind. Pan kömpt zu seiner Schar.
Empanda nimpt für sich des Ackerbaues wahr.
Pomona giebet umb den saftgefüllten Bäumen
den grünen weißen Flor, läßt ihre Gärten räumen.
Die weichen Najaden stehn auf von ihrer Ruhe
und gehen schön geputzt auf ihre Bäder zue,
die marmorsteinern sind. Diana stellt die Netze,
daß sie den langen Tag mit Hetzen sich ergetze.
Der ganze Helikon ist schon umb diese Zeit
umb seine Bücher her und dichtet allbereit
das, was man rühmen muß. Die schönen Pierinnen,
die nun durch Opitzs Gunst auch hochteutsch reden können
und lieber sein als vor, die sagten mir auch für
bei früher Tageszeit diß, was ich schreibe hier,
wie schlecht es immer ist. Die stillen Morgenstunden
sind den Poeten recht, was Hohes zu erkunden
und es zu setzen auf. Was lange bleiben soll,
das will bei früher Zeit bedacht sein oft und wol
und weil man nüchtern ist. Frau Flora schläft nicht lange,
nimmt dieser Zeiten wahr, kömpt mit geschwindem Gange
auf ihre Wiesen zu, beblumet Feld und Wald
und machet Berg und Tal mit Farben wolgestalt.
Sie braucht nach ihrer Lust die warmen Sonnenstrahlen,
darmit sie wunderlich die Tulpen kan vermahlen,
der Gärten frühe Zier. Sie streicht so artlich an
den schönen Rittersporn, als wol kein Mahler kan.
Auf liebe Nägelein, auf gönstige Narcissen,
auf schönen Hiacynth ist sie schon ietzt beflissen.
Der Veilgen süße Gunst, der Anemonen Pracht
macht, daß die kluge Frau oft' in sich selbsten lacht
und denkt: ist das nicht Lust? Des Himmels Angesichte
ist blau und wolkenfrei, die Luft ist hell' und lichte.
Kein Nebel zeucht sich auf, kein Regen und kein Wind
bei dieser Stetigkeit itzt zu befahren sind.
O wunderschöne Zeit! Ja freilich ist sie schöne;
Cupido weiß es wol, zeucht schon an seine Fröne,
schreibt ihm zu eigen zu die ganze Frühlingszeit,
läuft, wie er pfleget stets, in seinen alten Streit,
in den Streit, da er ihm kan untertänig machen,
was ihm will widrig sein, in den Streit, da er Lachen
anstatt des Schießens braucht. Der Kugeln darf er nicht.
Man hat ihm Pfeile zwar und Bogen angedicht't,
jedoch nur angedicht't. Er selbst ist ein Gedichte
und blinde Fantasei. Die gläubliche Geschichte
von diesem Wundergott' ist der Poeten Spiel,
die minstes gläuben selbst, von dem sie melden viel.
Doch sei ihm, wie ihm sei! Er mag ein Gott verbleiben,
ich will das gute Kind nicht aus dem Himmel treiben.
Lieb' ist ein großes Ding. Diß wil mir nur nicht ein,
daß er ein kleiner Knab' und blind darzu soll sein:
ist er ein schwaches Kind, wie, daß er denn kan zwingen
den stärksten Ritter, Mars, ihn zu der Mutter bringen
und zusehn, wie Vulcan ein groß Paar Hörner kriegt,
der doch sein Vater war? Diß heißt ja obgesiegt.
Und ist der Knabe blind? Er muß mir ja vor zielen,
im Fall' er wolle denn nur mit den Pfeilen spielen
und einen Fehlschuß tun. Er spannet in der Welt
und scheust, daß Jupiter auch selbst vom Himmel fällt.
Es sei! Ich kan ihn doch nicht groß und schend machen.
Ein Gott muß er wol sein, weil auch in denen Sachen,
die unbeseelet sind, er übet seine Kraft.
Die Steine lieben sich und halten Schwägerschaft,
der Forst besaamet sich, ein Zweig buhlt mit dem andern.
Ist Liebe nur ein Feur? Wie, daß in Flüssen wandern
die Fische Paar und Paar und treiben, was der Mut
und Lust zu mehren sich im Wasser raten tut?
Ist Liebe denn ein Frost? Wie kömpt es, daß das Lieben
auch mitten in dem Schnee von Allem wird getrieben,
was sich nur lieben kan? Ich finde mich nicht drein,
es muß ein selzem Ding umb Lieb' und Lieben sein.
Ist es der Geist der Welt, von dem man viel will sagen,
und kennt doch niemand ihn? Man nennt es süße Plagen,
die Sinnenmeisterin, die wollustvolle Not,
der Freiheit Untergang, den angenehmen Tod,
und was der Namen mehr die ewigen Poeten
sehr weislich dichten an den sauersüßen Nöten.
Was Lieb' ist, weiß ich nicht, und schreibe doch darvon.
Was hilfts? Unwissenheit ist meiner Einfalt Lohn.
Diß ist der schöne Zweck, darauf wir alle denken,
dahin wir Tag und Nacht die leichten Sinnen lenken,
wenn wir erwachsen sind. Es muß geliebet sein,
soll dieses Alles nicht in Kürzen gehen ein.
Der hohe Himmel liebt die tiefe Schoß der Erden,
mit ihr und mit der See muß Luft vermählet werden,
die beide schwängert itzt. Diß macht der Liebe Band,
daß allzeit Tag und Nacht so bleiben im Bestand
und wechseln friedlich umb. Die Zeiten tauschen abe
mit höchster Einigkeit. Die Sonne steigt herabe,
macht, daß sich Alles liebt. Der Widder und der Stier,
darinnen sie ietzt läuft, die sind verbuhlte Tier',
als wol ein Ieder weiß. Die Zwillinge, die wollen,
daß wir umb diese Zeit uns auch umbfangen sollen
und gehen Paar und Paar. Der silberblasse Mond
heißt uns dem folgen nach, was sie noch nicht gewohnt,
weil sie stets Jungfer bleibt. Der lieben Sterne Blinken,
das lehrt uns, wie auch wir der Liebsten sollen winken.
In Summa, was in sich Luft, See und Erde hält,
das heißt uns lieben itzt und mitte sein gesellt.
Seht, wie der Eppich kan die grünen Arme schlingen
ringsumb den Rüstbaum her und ihn zu Liebe zwingen!
Seht, was die Wicke tut, das buhlerische Kraut,
wie sie ihr brünstiglich dem Stengel anvertraut
und hängt sich fest an ihn! Die stummen Wasserschaaren,
die reißen durch den Strand und tun sich freundlich paaren,
wie denn das Luftvolk auch, da manche Frau und Man
sich schnäbeln züchtiglich umb süße Hochzeit an.
Diß ist die süße Lust, die aus dem Himmel brachte
den heißen Jupiter, die ihn zum Stiere machte.
Der hochverliebte Gott ließ seinen Donner stehn,
im Fall' er muste fort nach andrer Weide gehn.
Man kennet keinen Gott, der nicht geliebet hätte.
Diß ist der Nymphen Kunst, sie lieben in die Wette.
Der geile Schäfergott hält seine Syrinx fest'.
Eh' wird Neptun ein Pferd, eh' er die Ceres läßt.
Die kugelrunde Welt muß unbestrahlet liegen,
wenn Phöbus listig meint die Dafne zu betriegen,
wiewol vergebens nur.
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