Früher fiel sein Blick theilnahmslos auf die Schaufenster mit ihren glänzenden Ausstattungen, die er als unnütze Sachen betrachtete, welche ihn nichts angingen. Heute blieb er davor stehen und empfand mit freudiger Erregung, daß alle diese Schätze ihm gehörten, wenn er nur wollte.

»Für mich, sagte er, drehen die Spinnerinnen Hollands ihre Spindeln, für mich erzeugt Elboeuf seine geschmeidigsten Gewebe, construiren die Uhrmacher die feinsten Chronometer, strahlt der Kronleuchter der Großen Oper sein Meer von Licht, klingen die Geigen und schreien sich die Sängerinnen heiser!

Für mich züchtet man Vollblut in den Manegen und erstrahlt das Café Anglais in vollem Glanze!…. Sollte ich nicht auf Reisen gehen? Da könnte ich einmal eine Pagode kaufen, sowie die bronzenen und elfenbeinernen Idole über den Marktpreis bezahlen!…. Dann schaffte ich mir Elephanten an…. ginge auf die Tigerjagd!…. Und die herrlichen Gewehre!…. Das prächtige Boot!…. Ein Boot? Ei mein, aber eine schöne tüchtige Dampfyacht, die mich hinbringt, wohin ich will, und anhält und abfährt nach meinem Belieben. Halt, da ich eben beim Dampf bin, meiner Mutter werd’ ich doch Nachricht zugehen lassen müssen. Wenn ich nun nach Douai führe?…. Aber jetzt ist Unterrichtszeit…. o, das Colleg, man kann ja wohl einmal fehlen. Aber Marcel muß davon wissen.

Ich werde ihm eine Depesche senden, er muß doch begreifen, daß es mich drängt, unter solchen Umständen meine Mutter und meine Schwester zu sehen.« Octave trat in ein Telegraphenbureau, meldete seinem Freunde, daß er abreise und in zwei Tagen zurückkehren werde. Dann sprang er in einen Fiaker und ließ sich nach dem Nordbahnhof fahren.

Sobald er im Waggon saß, setzte er seine Träumereien fort.

Um zwei Uhr Morgens läutete Octave geräuschvoll an der Thüre seines Vaterhauses – an der Nachtklingel – und setzte das friedliche Stadtviertel des Aubette in Aufregung.

»Wer mag denn so krank sein? fragten sich die Gevattern von einem Fenster zum andern.

– Der Doctor ist nicht in der Stadt! rief die alte Magd aus ihrer Luke in der obersten Etage herab.

– Ich bin’s, Octave!…. Machen Sie schnell auf, Francine!«

Nach längerem Warten gelang es Octave, in das Haus einzudringen. Seine Mutter und die Schwester Jeanne liefen eiligst in Nachtkleidern herbei, um die Ursache seines plötzlichen Besuches zu erfahren. Der mit lauter Stimme vorgelesene Brief des Doctors lieferte schnell den Schlüssel zu diesem Räthsel.

Madame Sarrasin war einen Augenblick ganz außer sich. Mit Freudenthränen im Auge, umarmte sie ihren Sohn und ihre Tochter. Es schien ihr, als gehöre ihnen nun die ganze Welt und als könnte das Unglück unmöglich jemals die jungen Leute treffen, welche jetzt einige hundert Millionen besaßen. Die Frauen sind indeß weit mehr als die Männer dazu geschaffen, große Schicksalswandlungen zu ertragen. Madame Sarrasin durchlas den Brief ihres Gatten noch einmal, sagte sich, daß es seine Sache wäre, über ihr Geschick und das der Kinder zu bestimmen, und die Ruhe zog damit wieder in ihr Herz ein.

Jeanne schien über die Freude ihrer Mutter und ihres Bruders beglückt zu sein; ihr dreizehnjähriges Köpfchen selbst aber träumte von keinem größeren Glücke, als sie in diesem kleinen Hause schon genoß, wo sich ihr Leben zwischen dem Unterrichte der Lehrer und den Liebkosungen der Eltern in Frieden und Freuden abspielte.