Zu seiner Rechten zog sich ein Graben hin und auf dem Erdaufwurf hinter demselben wandelten Wachen auf und ab. Zur Linken, zwischen dem breiten Rundwege und einer Menge von Gebäuden, zeigte sich zunächst das Doppelgeleis einer Gürteleisenbahn; dahinter erhob sich noch eine zweite Mauer, ähnlich der äußeren, woraus die Gestalt von Stahlstadt leicht zu erkennen war.
Das Etablissement bildete nämlich einen Kreis, der strahlenförmig in einzelne, wiederum befestigte Sectoren zerfiel, welche von einander gänzlich unabhängig waren, außer daß Mauer und Graben sie gemeinschaftlich umschlossen.
Der junge Arbeiter fand bald am Rande des Weges die Marke K vor einem großartig angelegten Thore, an dessen Wölbung derselbe Buchstabe wiederum in Stein gehauen zu sehen war, und stellte sich hier dem Pförtner vor.
Dieses Mal hatte er es nicht mit einem Soldaten zu thun, sondern sah einen Invaliden mit hölzernem Bein und ordengeschmückter Brust vor sich.
Der Invalide prüfte seinen Schein und versah denselben wiederum mit einem Stempel.
»Alles in Ordnung, sagte er darauf, die neunte Straße linker Hand.«
Der junge Mann passirte die zweite befestigte Linie und befand sich nun in dem Sector K; die an dem Thore auslaufende Straße bildete dessen Achse. Nach beiden Seiten erstreckten sich rechtwinkliche lange Reihen von Baulichkeiten.
Das Getöse der Maschinen wurde nach und nach betäubend.
Diese grauen, von hundert Fenstern durchbrochenen Gebäude glichen eher lebenden Ungeheuern als todten Massen. Der neue Ankömmling schien mit einem derartigen Anblick indeß schon vertraut zu sein, denn die Umgebung erregte offenbar seine Aufmerksamkeit nicht sonderlich.
In fünf Minuten befand er sich in der neunten Straße, Atelier siebenhundertdreiundvierzig, und gelangte hier zunächst in einem kleinen Comptoir voller Cartons und Verzeichnisse zu dem Werkmeister Seligmann.
Letzterer nahm den mit allen Bescheinigungen versehenen Zettel des jungen Mannes entgegen und sah diesen nachher wie prüfend an.
»Als Puddler engagirt? sagte er. Sie scheinen mir noch ziemlich jung zu sein?
– Das Alter thut wohl nichts zur Sache, erwiderte jener. Ich zähle fast sechsundzwanzig Jahre und habe schon sieben Monate lang gepuddelt. Wenn Sie es wünschen, kann ich Ihnen meine Atteste vorlegen, auf welche hin ich in New-York von dem Chef des Personals angenommen wurde.«
Der junge Mann sprach zwar deutsch ziemlich geläufig, doch mit einem leichten Accent, der das Mißtrauen des Werkführers erweckte.
»Sind Sie etwa ein Elsässer? fragte er.
– Nein, ich bin Schweizer…. aus Schaffhausen. Bitte, hier meine Legitimations-Papiere.«
Er holte dabei ein ledernes Notizbuch aus der Tasche und zeigte dem Werkmeister einen falschen Paß, ein Wanderbuch und andere Certificate.
»Schon gut, Sie sind einmal angenommen und ich habe Ihnen nur Ihren Platz anzuweisen!« erwiderte Seligmann, beruhigt durch jene amtlichen Zeugnisse.
Er schrieb den Namen Johann Schwartz in ein Register, machte auf dem Annahmeschein eine zugehörige Bemerkung, lieferte dem jungen Manne eine blaue Karte mit seinem Namen und der Nummer 57.938 aus und fügte hinzu:
»Sie haben sich jeden Morgen um sieben Uhr am Thore K
einzustellen, zeigen diese Karte vor, ohne welche Sie auch die äußere Umfassung nicht passiren dürfen, nehmen sich dann von dem Gestell in der Thorstube eine Marke mit Ihrer Matrikelnummer und zeigen mir diese beim Eintreten vor. Um sieben Uhr Abends, wenn Sie wieder weggehen, werfen Sie dieselbe an der Thüre des Ateliers in die Büchse, deren Einwurf nur zu dieser Zeit offen ist.
– Ich weiß schon davon…. kann man hier im Etablissement wohnen? fragte Schwartz.
– Nein, ein Unterkommen müssen Sie sich in der Umgebung suchen; dagegen können Sie aus der Arbeiterküche des Ateliers um billigen Preis ein Mittagsmahl erhalten. Ihr Lohn beträgt anfänglich einen Dollar per Tag. Er steigt jedes Vierteljahr um zwanzig Procent…. für Vergehen giebt es nur eine Strafe, die Entlassung.
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