Dank der Macht eines enormen Capitals, erwuchs hier ein Riesen-Etablissement, eine wirkliche Stadt und gleichzeitig Musterwerkstatt wie durch Zauberschlag aus der Erde. Dreißigtausend Arbeiter, meist geborne Deutsche, siedelten sich rings um dieselbe an und bildeten dadurch deren Vorstädte. Binnen wenigen Monaten schon eroberten sich die Erzeugnisse dieser Anstalt durch ihre allseitigen Vorzüge die ausgedehnteste Anerkennung.

Professor Schultze gräbt das Eisenerz und die Steinkohle aus seinen eigenen Bergwerken. Auf Ort und Stelle wandelt er das erstere in Gußstahl um. Auf Ort und Stelle macht er daraus Kanonen.

Was keiner seiner Concurrenten auszuführen vermöchte, das war ihm ein Leichtes. In Frankreich gewinnt man Stahlbarren von vierzigtausend Kilogramm; in England hat man eine schmiedeeiserne Kanone von hundert Tonnen Gewicht hergestellt; Krupp in Essen liefert Gußstahlblöcke von fünfhunderttausend Kilogramm. Herr Schultze kennt keine Grenzen; verlangt von ihm eine Kanone von ganz beliebigem Gewicht und der außergewöhnlichsten Wirkung, er wird sie herstellen, glänzend wie ein Geldstück aus der Münze und in der bedungenen Frist.

Aber – er läßt sich auch dafür bezahlen! Es scheint, als hätten die zweihundertfünfzig Millionen von 1871 nur seinen Appetit gereizt.

In der Kanonen-Industrie, wie überhaupt in allen anderen Dingen, steht man groß da, wenn man das kann, was die Anderen nicht vermögen. Hier verdient auch hervorgehoben zu werden, nicht nur, daß Herrn Schultzes Kanonen früher nie dagewesene Dimensionen erreichten, sondern daß sie, wenn durch den Gebrauch bei ihnen von einer Abnützung überhaupt die Rede sein konnte, doch jedenfalls niemals zersprangen. Das Material von Stahlstadt scheint ganz besondere Eigenschaften zu besitzen. Man erzählt sich über diesen Punkt von mancherlei unbekannten Zuschlägen, von chemischen Geheimnissen.

Sicher ist jedoch nur, daß hierüber Niemand etwas Verläßliches kennt.

Man weiß nur, daß in Stahlstadt das Fabrikations- Verfahren mit eifersüchtiger Strenge geheim gehalten wird.

In diesem von Wüsten umgebenen, von der Welt durch einen Wall von Bergen abgeschlossenen und fünfhundert Meilen von den nächsten kleinen Ansiedlungen entfernten Winkel Nordamerikas würde man freilich vergeblich eine Spur jener Freiheit suchen, welche die Macht der Vereinigten Staaten begründet hat.

Wer etwa bis unter die Mauern von Stahlstadt kommt, der versuche ja nicht, eines der massiven Thore zu passiren, die von Strecke zu Strecke die Linie von Gräben und Festungswerken unterbrechen. Der Wachposten würde Jeden ohne Widerrede zurückweisen. Nach Stahlstadt gelangt man nur mit Hilfe einer geheimen Formel, eines Feldgeschreies oder zum mindesten einer gestempelten, unterzeichneten und in aller Ordnung ausgestellten Erlaubnißkarte.

Diese Erlaubniß besaß offenbar ein junger Arbeiter, der an einem November-Morgen in der Stahlstadt ankam, denn nach Zurücklassung eines alten, abgenützten ledernen Mantelsackes begab er sich nach dem nächsten Thore von dem Dorfe aus.

Es war ein großer, starkknochiger Mensch, nachlässig gekleidet, im Schnitte der amerikanischen Pionniere. Mit einem lockeren Matrosenkittel, einem wollenen Hemd ohne Kragen und mit Streifen besetzten Beinkleidern, die er in die großen Stiefeln gesteckt hatte. Ueber das Gesicht drückte er einen groben Filzhut tief herein, als wollte er den auf der Haut angesammelten Kohlenstaub verbergen, und schritt elastischen Schrittes dahin, während er ein Liedchen in den braunen Bart pfiff.

An der Pforte angekommen, überreichte der junge Mann dem Wachthabenden ein gedrucktes Blatt und ward sofort eingelassen.

»Ihre Ordre ist ausgestellt an Werkmeister Seligmann, Section K, Straße neun, Atelier siebenhundertdreiundvierzig, sagte der Unterofficier. Sie haben nur dem Wege längs der Umfassung, hier rechter Hand bis zur Marke K zu folgen und sich dort dem Pförtner vorzustellen…. Sie kennen die Fabriksordnung?…. Sie sind entlassen, wenn Sie eine andere Section als die Ihrige betreten!« fügte er in dem Augenblicke hinzu, als der neue Ankömmling sich schon entfernte.

Der junge Arbeiter folgte der ihm bezeichneten Richtung und schlug den Weg längs der Umwallung ein.