Der am Schlusse des ersten Vierteljahres von seinem unmittelbaren Vorgesetzten erstattete Bericht über ihn lautete wörtlich:

»Schwartz (Johann), sechsundzwanzig Jahre, Gießer erster Classe. Ich fühle mich verpflichtet, den jungen Mann der Centralleitung als außergewöhnlich befähigt zu empfehlen ebenso wegen seiner theoretischen Kenntnisse wie wegen hervorragender praktischer Geschicklichkeit und besonderer Erfindungsgabe.«

Nichtsdestoweniger bedurfte es einer ganz außerordentlichen Veranlassung, um Marcel die Aufmerksamkeit seiner Chefs zu sichern. Diese Gelegenheit bot sich denn auch, wie dies ja früher oder später immer zu geschehen pflegt, hier leider unter sehr betrübenden Umständen.

Marcel bemerkte eines Sonntags Morgens mit Verwunderung, seinen kleinen Freund Karl noch nicht gesehen zu haben, obwohl schon zehn Uhr vorüber war, und er ging deshalb zu Frau Bauer hinab, um zu fragen, ob sie den Grund dieser Verzögerung kenne. Er fand Letztere in großer Unruhe.

Schon seit zwei Stunden hätte Karl zu Hause sein müssen. Da er ihre Sorge kannte, erbot er sich, Erkundigungen einzuziehen, und begab sich also nach dem Albrechts- Schacht.

Unterwegs begegnete er mehreren Bergleuten, welche er fragte, ob sie den Knaben gesehen hätten. Alle verneinten das, wechselten mit ihm das gewohnte: »Glück auf!« und Marcel setzte seinen Weg fort.

So kam er gegen elf Uhr nach dem Albrechts- Schachte selbst. Hier herrschte jetzt vollkommene Ruhe im Gegensatze zu dem geschäftigen Treiben der Werktage. Höchstens plauderte eine junge »Modistin« – so nannten die Bergleute scherzweise die Kohlensortirerinnen – mit dem Stempler, den seine Pflicht selbst an Feiertagen an der Mündung des Schachtes zurückhielt.

»Haben Sie den kleinen Karl Bauer, Nummer 41.902

herauskommen sehen?« fragte Marcel den Beamten.

Der Mann prüfte seine Liste und schüttelte den Kopf.

»Hat das Werk noch einen anderen Ausgang?

– Nein, das hier ist der einzige, antwortete der Stempler. Der Durchschlag nach Norden ist noch nicht vollendet.

– So ist der Junge noch unten?

– Jedenfalls, und das ist eigenthümlich, denn des Sonntags haben nur die fünf Extrawächter in der Grube zu bleiben.

– Darf ich hinabsteigen, um nachzusehen?

– Nicht ohne Erlaubniß.

– Es könnte sich ja ein Unfall ereignet haben, sagte da die Modistin.

– Des Sonntags ist kein Unfall möglich.

– Ich muß aber wissen, was mit dem Kinde geschehen ist, fuhr Marcel fort.

– Wenden Sie sich an den Maschinenmeister, dort im Bureau…. wenn er überhaupt da ist….«

In vollem Sonntagsstaate mit einem Hemdkragen so steif wie Weißblech, hatte sich der Maschinenmeister bei Abschluß seiner Rechnungen zum Glück etwas verspätet. Als einsichtiger, gefühlvoller Mann konnte er der Sorge Marcel’s gegenüber nicht theilnahmslos bleiben.

»Wir wollen nachsehen, was geschehen ist!« sagte er.

Der diensthabende Mechaniker erhielt Befehl, sich fertig zu halten, und jener schickte sich an, mit dem jungen Arbeiter in die Grube anzufahren.

»Haben Sie keine Galibert’schen Apparate? fragte der Letztere. Sie könnten uns von Nutzen sein.

– Richtig, man weiß nie, was da in der Tiefe passirt.«

Der Maschinenmeister nahm aus einem Schranke zwei Gefäße, ähnlich den Zinkbehältern, wie sie die »Coco«-

Verkäufer in Paris auf dem Rücken tragen. Das waren zwei Metallkisten mit comprimirter Luft, welche mit den Lippen durch zwei Kautschukrohre mit Hornmundstück, das man zwischen die Zähne nimmt, in Verbindung gesetzt werden.