Die beglaubigten Copien der Gerichtsbescheide aus Agra und Delhi, die Verkaufsacten, Duplicate der Depositenscheine der Bank von England, ein Bericht über die in Frankreich gethanen Schritte zur Auffindung der Erben Langevol’s, nebst einer großen Menge auf dieselbe Sache bezüglicher Documente verscheuchten auch Doctor Sarrasin’s letzte Zweifel. Er war nach Gesetz und Recht der »next of kin« und Erbe der Begum.
Zwischen ihm und den in den Kellern der Bank von England deponirten fünfhundertsiebenundzwanzig Millionen lag nur noch die Erfüllung gewisser Formalitäten, die einfache Herbeischaffung der beglaubigten Geburts- und Todtenscheine.
Ein so unerhörter Glücksfall bringt ja wohl auch das ruhigste Gemüth in Aufregung, und auch der gute Doctor konnte sich derselben, gegenüber dieser unerwarteten Gewißheit, nicht völlig erwehren. Jedenfalls hielt seine Erregung jedoch nicht lange an und machte sich nur in einer kurzen Promenade durch das Zimmer Luft. Dann gewann er wieder die vollkommene Herrschaft über sich, tadelte jenes vorübergehende Fieber als eine seiner unwürdige Schwäche, warf sich in einen Lehnstuhl und versank eine Zeit lang in tiefes Nachsinnen.
Hierauf schritt er nochmals im Zimmer auf und ab. Jetzt leuchteten seine Augen, aber in reinerem Feuer, man sah, daß sich aus seinem Innern ein großer edelmüthiger Gedanke emporrang. Er erkannte ihn, überlegte, pflegte ihn mit Liebe und adoptirte ihn zuletzt.
Eben klopfte es an der Thür. Mr. Sharp kehrte zurück.
»Ich bitte Sie um Verzeihung wegen meines Zweifels, redete ihn der Doctor vertraulich an. Jetzt bin ich überzeugt und danke Ihnen vorläufig tausendmal für Ihre gehabte Mühe.
– Bitte, bitte…. ein einfaches Geschäft…. mein Metier….
antwortete Mr. Sharp. Darf ich hoffen, daß mir Sir Bryah sein werthes Vertrauen zuwenden wird?
– Das versteht sich von selbst. Ich lege die ganze Sache in Ihre Hände…. nur darum bitte ich: Verschonen Sie mich mit jenem lächerlichen Titel….«
Lächerlich! Ein Titel im Werthe von einundzwanzig Millionen Pfund Sterling! sagten etwa die Gesichtszüge des Mr. Sharp, der aber viel zu sehr Hofmann war, um nicht sofort nachzugeben.
»Wie es Ihnen beliebt, Sie haben zu befehlen, antwortete er mit einer Verbeugung. Ich werde also wieder nach London zurückfahren und erwarte Ihre weitere Entschließung.
– Darf ich diese Actenstücke behalten? fragte der Doctor.
– Gewiß, wir besitzen davon Duplicate.«
Als Doctor Sarrasin allein war, begab er sich nach dem Schreibtische, nahm ein Stück Briefpapier und schrieb wie folgt:
»Brighton, am 28. October 1871.
Mein lieber Sohn! Es ist uns plötzlich ein enormes, ungeheures, übergroßes Vermögen zugefallen! Halte mich nicht etwa für geistig gestört, sondern lies zunächst die gedruckten Actenstücke, welche ich diesem Briefe beilege. Du wirst daraus ersehen, daß ich Erbe des Titels eines englischen oder vielmehr indischen Baronets und eines, jetzt bei der Bank von England deponirten Capitals von mehr als einer halben Milliarde Francs bin.
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