Er zog sein feinstes Hemd mit Spitzen an, ein Wams von grünem Atlas mit schmalen goldnen Spitzen besetzt, und mit rosenfarbem Taffet gefüttert, rosenfarbe Beinkleider und Strümpfe, und der Federbusch auf dem Hut war von eben dieser Farbe. In diesem Aufzug, worin er es mit allen Narcissen und Hyacinthen der Poeten hätte aufnehmen können, wartete er mit Ungeduld auf seinen Reisegefährten, in der festen Entschließung, sich noch vor der Wiederkunft seiner Tante heimlich davon zu machen.
Zwölftes Capitel
Unmaßgebliche Gedanken des Autors
Wenn wir diese Geschichte ein halb Dutzend Jahrhunderte früher hätten schreiben können, so würde dieses Capitel überflüssig gewesen sein. Es gibt Zeiten, wo dasjenige, was man Wunderdinge nennt, so alltäglich ist, daß die Leute nichts wunderlichers finden als eine natürliche Begebenheit. Allein in denjenigen, worin wir leben, scheint die entgegengesetzte Denkungs-Art so sehr überhand genommen zu haben, daß wir kaum hoffen dürfen, unter allen, die diese Geschichte vielleicht lesen werden, auch nur einen einzigen zu finden, den wir bereden könnten, daß in dem vorigen Capitel nichts erzählt worden sei, was nicht alle Tage begegnen könne. Seit der Erfindung der Vergrößerungs-Gläser haben die unsichtbaren Dinge ein böses Spiel, und man braucht nur ein Geist zu sein, um alle Mühe von der Welt zu haben, die Leute von seinem Dasein zu überzeugen. Kurz, wir möchten sagen was wir wollten, so würde uns doch niemand glauben, daß eine Fee Radiante sei, oder daß der blaue Papilion eine Princessin, und ein Zahnstocher jemals ein grüner Zwerg gewesen sei.
Bei solchen Umständen halten wir für das beste, wenn wir nur frei gestehen, daß wir selbst von allem, was Don Sylvio seinem getreuen Pedrillo erzählt hat, eben so wenig glauben als von den Gesichten unsrer frommen Landsmännin, der Schwester Maria von Agreda, oder von den Erzählungen vom roten Mützchen und irgend einem andern Märchen, womit uns ehmals unsre geliebte Amme einzuschläfern pflegte.
Dem ungeachtet nötigt uns die Wahrhaftigkeit, deren wir uns im Lauf dieser ganzen Geschichte befleißigen, zu versichern, daß Don Sylvio in seiner ganzen Erzählung nichts gesagt habe, was nicht in gewissem Sinn eben so würklich war, als es die meisten andre Geschichten aus der Geisterwelt sind.
Um dieses scheinbare Paradoxum zu begreifen, müssen wir uns erinnern, daß es eine zweifache Art von Würklichkeit gibt, welche in concreto nicht allemal so leicht zu unterscheiden ist, als manche Leute denken.
So wie es nämlich allen Egoisten zu trotz, Dinge gibt, die würklich außer uns sind, so gibt es andre, die bloß in unserm Gehirn existieren. Die erstern sind, wenn wir gleich nicht wissen, daß sie sind; die andre sind nur, in so fern wir uns einbilden, daß sie seien. Sie sind für sich selbst nichts, aber sie machen auf denjenigen, der sie für würklich hält, die nämliche Würkung, als ob sie etwas wären; und ohne daß die Menschen sich deswegen weniger dünken, sind sie die Triebfedern der meisten Handlungen des menschlichen Geschlechts, die Quelle unsrer Glückseligkeit und unsers Elends, unsrer schändlichsten Laster und unsrer glänzendesten Tugenden.
Welche Fee oder Zauber-Palast ist schimärischer als dieser Nachruhm, von welchem doch die größten Männer gestanden haben, daß er der Endzweck ihrer schönsten Unternehmungen gewesen sei? Alexander, der den fabelhaften Zug des Bacchus nach Indien realisierte, und sich in tausend freiwillige Gefahren stürzte, damit die Athenienser von ihm zu reden hätten, zog einer eben so unwesentlichen Schimäre nach als Don Sylvio, da er auszog um den blauen Papilion zu entzaubern; in den Augen eines kalten Zuschauers der menschlichen Handlungen ist der erste ein so großer Tor als der andere, und dieser hat wenigstens den Vorzug, daß seine Schimäre keinen Schaden tat, da die Schimäre des Eroberers von Asien eine halbe Welt unglücklich machte.
Doch wir fangen an zu merken, daß wir uns in Betrachtungen versteigen, die uns weit genug von unsrer Absicht entfernt haben, daß wir verlegen sind einen geschicktern Übergang zu finden, als den die Miscellanien-Schreiber zu machen pflegen, wenn sie nach einem halben dutzend Digressionen wieder dahin zurück wollen, woher sie gekommen sind.
Um also wieder zur Sache zu kommen, so werden wir bei der Erzählung unsers jungen Ritters einen Unterschied machen müssen zwischen demjenigen was ihm würklich begegnet war, und zwischen dem, was seine Einbildungs-Kraft hinzugetan hatte. Wir haben ihn, wie man sich noch erinnern wird, nach dem Abenteuer mit dem Papilion und dem Bildnis in einem Zustand verlassen, worin seine Phantasie auf einen außerordentlichen Grad erhöht war. Die Lebhaftigkeit der Bilder, die sich ihm darstellten, nahm mit der Nacht desto mehr zu, je weniger sie von äußern Empfindungen geschwächet wurde; es brauchte nur noch einen Grad, um sie selbst zu einer Art von Empfindungen zu machen. In einer solchen Disposition wurde er eine feurige Kugel gewahr, die in der Luft daher schwebte, und nach einer Weile nicht weit von ihm zersprang. Dieses nicht ungewöhnliche Meteor, welches ein Naturforscher mit beobachtenden Augen angesehen hätte, vollendete die Bezauberung eines Don Sylvio. Er erinnerte sich, in seinen Märchen öfters solche flammende Kugeln gefunden zu haben, aus denen allemal eine Fee auf einem diamantnen Wagen, von sechs Schwanen oder vier und zwanzig Hammeln mit goldnem Vließ gezogen, hervor kam. Nach seiner Weise war also diese natürliche Erscheinung der Anfang einer übernatürlichen, und mehr brauchte es nicht, um die Phantasien, die schon geformt und zur Geburt zeitig in seinem Kopf lagen, in eine Reihe von vermeinten Empfindungen zu verwandeln, die von einem Traum nur darin unterschieden waren, daß er dabei wachte, und durch ihren Zusammenhang mit seinen vorhergehenden und nachfolgenden Ideen desto stärker betrogen wurde, sie für würklich zu halten.
Dieses ist wenigstens nach unserer Meinung die wahrscheinlichste Erklärung, die man von dergleichen Visionen geben kann; Allein wir sind weit entfernt sie jemanden aufdringen zu wollen. Don Sylvio war allein, da ihm die Fee Radiante erschienen sein soll, und man kann allen Zweiflern, Materialisten, Deisten und Pantheisten kühnlich Trotz bieten, jemals zu erweisen, daß die Fee Radiante, oder ihre Erscheinung etwas unmögliches sei. Wir können also unsre Erklärung für mehr nicht geben als für eine bloße Vermutung, und wenn die Liebhaber des Wunderbaren geneigter sein sollten, hierüber dem Don Sylvio selbst zu glauben, welcher unstreitig ein Augen-Zeuge und außer allem Verdacht eines vorsetzlichen Betrugs ist; so haben wir nicht das geringste dagegen einzuwenden.
Zweites Buch
Erstes Capitel
Ein Exempel, daß Sprödigkeit den Zorn der Venus reizt
Indessen daß Don Sylvio zu seiner abenteuerlichen Wanderschaft Anstalt machte, war Donna Mencia beschäftiget, ihn durch ein Mittel zurück zu halten, von welchem er sich eben so wenig träumen ließ als sie von seiner Liebe zu einem bezauberten Schmetterling.
Wir haben bereits gemeldet, daß sie seit einiger Zeit häufige Reisen in das benachbarte Städtchen tat, um welche Don Sylvio sich zwar nichts bekümmerte, die aber in der Tat auf nichts anders abzielten, als ihm einen schlimmern Streich zu spielen, als er von der vereinigten Bosheit aller Fanferlüschen und Carabossen der ganzen Welt nur immer hätte erwarten können.
Man erinnert sich vielleicht noch, daß die Donna Mencia, ungeachtet ihrer außerordentlichen Sprödigkeit, in ihrer ersten Jugend keine gänzliche Feindin der Liebe gewesen war; und wenn wir die Wahrheit unverblümt sagen sollen, so ist vielleicht niemalen ein Frauenzimmer gewesen, dem die Tugend, wozu die Umbarmherzigkeit der Mannsleute sie verurteilte, beschwerlicher gefallen wäre. Man will so gar wissen, daß seit dem sie sich aus der großen Welt in eine Einsamkeit zurück gezogen, welche der erzwungenen Sprödigkeit nicht sehr günstig zu sein pflegt, ihre Bedürfnisse mehr als einmal so dringend geworden, daß sie (wenn wir es anders ohne Beleidigung des Geschlechts, zu dem sie gehörte, sagen können) so gar einem gewissen Stall bedienten im Hause, Aufmunterungen gegeben, die vielleicht nicht ohne Würkung geblieben wären, wenn die Reizungen der jungen Maritorne diesen plumpen Liebhaber nicht gegen alle Vorzüge eines hochadelichen Gerippes unempfindlich gemacht hätten. Was auch an dieser Anecdote sein mag, so ist gewiß, daß sie in diesem Stück unglücklich genug war, um genötiget zu sein, in den unzulänglichen Täuschungen einer aufgereizten Einbildungs-Kraft den Schatten eines Vergnügens zu suchen, dessen Größe ihre Unerfahrenheit nach der Wut ihrer Begierden abmaß. Der Abscheu, den sie vor den Erzählungen eines Bocaz und selbst vor den unschuldigsten Scherzen eines Lope de Vega bezeugte, hinderte nicht, daß die Gespräche, die irgend ein moderner Sotades der berühmten Aloysia Sigea aufgeschoben, das Buch waren, welches allezeit unter ihrem Hauptküssen lag; eine Gewohnheit, die sie vielleicht mit dem Exempel des heiligen Chrysostomus zu rechtfertigen glaubte, welcher den eben so sotadischen Comödien des Aristophanes die nämliche Ehre widerfahren ließ.
So unanständig es vielleicht scheinen möchte, daß wir durch Aufdeckung dieser Heimlichkeiten die Vorteile vernichtet haben, welche die Welt von dem erbaulichen Beispiel der keuschen Donna Mencia hätte ziehen können, so nötig war es, die Pflichten der historischen Treue in diesem Stücke zu erfüllen, da eine übertriebene Discretion die Wahrhaftigkeit unsrer Geschichte, in Absicht dessen, was wir nun zu melden haben, nicht wenig hätte verdächtig machen können.
Um also unsre Leser nicht länger aufzuhalten, so war es nur mehr als zu gewiß, daß weder ihre Tugend, noch der Stolz auf ihre Geburt noch sechzig Frühlinge, die sie bereits erlebt hatte, ihr zärtliches Herz gegen die Liebe zu schützen vermochten, die ein gewisser Procurator von Xelva so glücklich war ihr einzuflößen.
Sie hatte ihn bei einer bejahrten Freundin kennen gelernt, bei der er in Geschäften öftere Besuche ablegte, und die Nachrichten, die sie von seinen Umständen einzog, schienen dem Anschlag überaus günstig zu sein, den sie beim ersten Anblick auf seine Person gemacht hatte.
Dieser würdige Mann nennte sich Rodrigo Sanchez, und war, sein Talent für die Rabulisterei ausgenommen, durch seine körperliche Vorzüge merkwürdiger als durch die Annehmlichkeiten seines Geistes. Er war ein untersetzter Mann von mittler Größe, breit geschuldert, krause Haare, kleine funkelnde Augen, die von großen schwarzen Augbrauen, wie von einem dunkeln Gebüsche, beschattet wurden, eine große Habichts-Nase und ein paar Beine, die im Notfall stark genug gewesen wären, einen Atlas zu unterstützen.
Wir können nicht für gewiß sagen, ob die Figuren von dieser Art den Spröden von Profession überhaupt so gefährlich sind als man bemerkt haben will; gewiß ist, daß Herr Rodrigo in den Augen der Donna Mencia ein Adonis war, und die Ehre hatte beim ersten Anblick über die Abneigung zu siegen, so sie jederzeit gegen den Ehestand hatte spüren lassen, und den Wunsch in ihr zu erregen, mit ihm an dieses Joch gespannt zu werden, ungeachtet er kaum vierzig Jahre hatte, und noch ein Junggeselle war.
Wenn die Augen dieses neuen Adonis nicht dankbar genug waren, in ihr eine Venus zu sehen, so hatte er doch, so bald er merkte, daß es um eine Heurat zu tun sei, einen Beweggrund, der auf Leute von seiner Art eben so kräftig zu würken pflegt, als die persönlichen Reizungen auf Liebhaber von feinerm Metall.
Der Herr Procurator hatte von einem ältern Bruder, der ein Juwelen-Händler gewesen war, eine Nichte, Mergelina genannt, die seit dem Tode ihrer Eltern, nebst einem Vermögen von hundert tausend Ducaten unter seiner Vormundschaft stund. So gleichgültig ihm seine Nichte für ihre eigene Person war, so zärtlich liebte er ihre Ducaten, und er hatte schon lang umsonst auf ein gesetzmäßiges Mittel studiert, sich derselben, oder doch eines guten Teils davon zu bemächtigen, als die Leidenschaft, die er das Glück hatte der Donna Mencia einzuflößen, ihm eine erwünschte Gelegenheit zu geben schien, seine Absicht zu erreichen. Seine Nichte, welche unstreitig ein sehr reizendes Vermögen besaß, hatte bereits etliche Freier abgewiesen, weil sie nur bürgerlich waren; denn sie hatte sichs nun einmal in den Kopf gesetzt, entweder eine Edelfrau zu werden oder als Jungfer zu sterben. Herr Rodrigo zweifelte also nicht sie zu allem zu bereden, was er nur wollte, in so fern er ihr einen Hidalgo zum Mann geben könnte; allein die Schwierigkeit war, einen zu finden, der so gefällig wäre, als es Herr Rodrigo haben wollte. Die Nachrichten, die er von der Freundin der Donna Mencia erhielt, machten ihm Hoffnung, daß sich niemand zu seinen Absichten besser schicken könne, als Don Sylvio, welcher ihm als ein junger Edelmann beschrieben wurde, der ohne alle Erfahrung oder Kenntnis der Welt, ungemein großmütig und dabei gewohnt sei, sich in allem von seiner Base regieren zu lassen. Er beschloß also sein Glück zu versuchen, und von dem verliebten Anstoß der alten Mencia so viel Vorteil zu ziehen, als nur immer möglich sein möchte. Freilich spielte er die Rolle eines seufzenden Schäfers so lächerlich, als man sich vorstellen kann, allein er brachte doch Feuer genug darein, um eine so zärtliche Person, als Donna Mencia war, zu überreden, daß er der Verliebteste unter allen Menschen sei.
Allein, so bald sich diese Dame ihres Sieges gewiß hielt, erinnerte sie sich dessen, was sie ihrer Tugend und ihrem Character schuldig war, und machte so viele Umstände, daß der Herr Procurator, welcher sich wenig auf die Kunst verstund, die Spröden zahm zu machen, die Geduld zehnmal verloren hätte, wenn er durch keine stärkere Gewalt als die bejahrten Annehmlichkeiten seiner Grausamen zurück gehalten worden wäre. Das beste für ihn war, daß es ihr selbst so viel Mühe kostete, die keusche Flamme, wovon sie brannte, zu verbergen, daß sie für gut befand, seine Probzeit um so mehr abzukürzen, als sie keine Ursache hatte an der Stärke seiner Leidenschaft zu zweifeln. Sie willigte also endlich ein den Herrn Rodrigo glücklich zu machen, die zweifache Heurat des Oheims mit der Tante, und des Neffen mit der Nichte wurde beschlossen, und der Herr Procurator setzte einen Contract auf, worin die Vorteile der erstern nicht vergessen waren.
Donna Mencia hatte ihren Neffen allzuwohl gezogen, als daß sie an seiner Einwilligung im geringsten hätte zweifeln sollen. Indes machte ihr der Gedanke doch einige Mühe, daß diese doppelte Verbindung dem Adel ihres Geschlechts, auf den sie immer stolz gewesen war, in den Augen der Welt nicht wenig derogieren würde; und so sehr auch die Heftigkeit ihrer Leidenschaft durch die blendenden Verdienste des Herrn Rodrigo Sanchez gerechtfertiget zu werden schien, so würde sie sich doch kaum haben entschließen können, derselben eine so große Bedenklichkeit aufzuopfern, wenn Herr Rodrigo, der ein starker Genealogiste war, ihr nicht Hoffnung gemacht hätte, in kurzem einen Stammbaum zu Stande zu bringen, in welchem er den Ursprung seiner Familie in gerader Linie von einem natürlichen Sohn des Castilianischen Königs Sancho des Großen herleiten wollte.
Zweites Capitel
Ein Gemälde im Geschmacke des Calot
Don Sylvio, der den Kopf von Schmetterlingen und grünen Zwergen voll hatte, ließ sich wenig davon träumen, daß seine gnädige Tante, indes, daß er auf die Befreiung seiner beflügelten Princessin dachte, damit umging, ihn mit einem Bürger-Mädgen von Xelva zu verheuraten, und, wenn man die Wahrheit sagen soll, mit dem häßlichsten Dinge, das jemals geheuratet worden ist.
Er war also nicht wenig bestürzt, da er sie, ehe noch Pedrillo mit den Zurüstungen zur Reise fertig war, in Gesellschaft eines Frauenzimmers und einer Mannsperson, die ihm gänzlich unbekannt waren, zurück kommen sah. Er erstaunte noch mehr, da er diese fremde Figuren in der Nähe betrachtete, und insonderheit kam ihm die junge Dame so außerordentlich vor, daß er sie Anfangs für eine angekleidete Meerkatze hielt.
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