Deine Geliebte wird von der Fee Fanferlüsch verfolgt, weil sie sich nicht überwinden konnte, einen gewissen Zwerg zu heuraten, der ein Neffe dieser Fee ist, und wegen seiner grünen Farbe der grüne Zwerg, oder auch, weil er gemeiniglich auf einer Bremse zu reiten pflegt, der Bremsen-Reiter genennt wird. Weil die Princessin unbeweglich blieb, so ist sie vor kurzem von dieser grausamen Fee in einen blauen Papilion mit purpurfarbem Saum verwandelt worden, mit der Bedingung, daß diese Bezauberung nicht eher aufhören solle, bis sie in diesem Zustand einen geliebten Liebhaber gefunden hätte, der ihr den Kopf und die Flügel abreißen würde. Unglücklicher Don Sylvio! der blaue Sommer-Vogel, den du diesen Morgen fingest, war deine Princessin; sie sah dich im Walde, und liebte dich so bald sie dich sah; sie floh nur vor dir, weil sie sehen wollte, ob du ihr nachgehen würdest; und ließ sich willig fangen, so bald sie versichert war, daß sie dir selbst in Gestalt eines Sommer-Vogels nicht gleichgültig sei. Als sie sich in deiner Hand sah, bemühte sie sich dir zu sagen, wie angenehm ihr diese Gefangenschaft sei; aber die grausame Fanferlüsch hatte ihr auch die Sprache geraubt, und sie konnte nichts hervor bringen als einen Seufzer, den du unglücklicher Weise für ein Zeichen hieltest, daß sie den Verlust ihrer Freiheit beklage. Dein mitleidiges Herz bewog dich, sie wieder fliegen zu lassen; sie flatterte traurig fort, würde aber vermutlich bald wieder zurück gekehrt sein, wenn sie nicht in eben demselben Augenblick den grünen Zwerg erblickt hätte, der auf seiner Bremse angeritten kam, und die Zähne so ab scheulich gegen sie blöckte, daß sie sich vor Angst zehen tausend Flügel wünschte, um desto schneller entfliehen zu können.

Zum Glück für sie war ich eben im Begriff dich aufzusuchen; ich sah die Gefahr, worin sich die arme Princessin befand, und eilte ihr zu Hülfe, nachdem ich einem meiner Salamander befohlen hatte, das Bildnis der Princessin in deinen Weg zu legen.

Ich setzte dem grünen Zwerge nach, welcher, zu schwach sich mit mir in einen Kampf einzulassen, alle mögliche Gestalten annahm, um mir zu entwischen. Endlich verwandelte er sich in eine kleine Wolke, allein ich ward es so gleich gewahr, und druckte ihn zwischen meinen Händen so fest zusammen, daß er in Tropfen zerfloß. Die Leute, die unten im Feld arbeiteten, sahen daß es Blut regnete, und hielten es für eine böse Vorbedeutung. Der grüne Zwerg befand sich so übel in dieser Presse, daß er in seine eigene Gestalt zurück trat; allein er behielt sie nicht lange; ich verwandelte ihn in einen elfenbeinernen Zahnstocher, mit der Bedingung, daß er seine natürliche Gestalt nicht eher wieder bekommen sollte, bis er gedient hätte, den hintersten Stockzahn eines achtzigjährigen Mädchens auszustochern, die noch eine unbefleckte Jungfer wäre.

Beim Element, unterbrach ihn Pedrillo, ich bin der Fee Radamante ihr gehorsamer Diener, aber sie denkt nicht, was sie tut; auf diese Art wird der arme grüne Zwerg ewig ein Zahnstocher bleiben; denn seht ihr, Herr Don Sylvio, ich will nicht Pedrillo heißen, wenn ihr mir in der alten und in der neuen Welt eine achtzigjährige Jungfer finden könnt, die noch Zähne auszustochern hat, oder ein achtzigjähriges Mädchen mit Zähnen, die noch eine Jungfer ist.

Dafür laß ich den grünen Zwerg sorgen, versetzte Don Sylvio, wenigstens wird er lange genug suchen müssen, daß ich nichts von ihm zu besorgen habe. Aber sagte ich dir nicht schon zweimal, daß ich nicht unterbrochen sein will? wenn wir gute Freunde bleiben sollen, Herr Pedrillo, so laß michs nicht zum drittenmal sagen.

Gut, Herr, erwiderte Pedrillo, fahret nur fort, und erzürnet euch nicht; ich will so still sein wie eine Maus, ihr wisset, daß ich sonst kein Plauderer bin, aber wie ihr von dem Zahnstocher und von der achtzigjährigen Jungfer – –

Zum Henker, rief Don Sylvio, du verfluchtes Plaudermaul, du fängst ja wieder von vornen an – –

Nein, Herr, sagte Pedrillo, ich wollte nur sagen, daß ich euch nicht mehr unterbrechen will, und daß ich es auch diesmal nicht getan hätte, wenn nicht der Zahnstocher – –

Ich wollte, schrie Don Sylvio, daß du selbst ein Zahnstocher wärest; so höre doch und schweige, oder das soll das letzte Wort sein, das du jemals von mir gehöret hast.

Diese Drohung erschreckte den Pedrillo, der seinen jungen Herrn überaus lieb hatte; er legte die Hand auf den Mund, zum Zeichen, daß er nichts mehr sagen wolle, und Don Sylvio fuhr also fort:

Die Fee hielt ein wenig inn, nachdem sie ihre Erzählung geendiget hatte, und ich ergriff diesen Augenblick mich ihr zu Füßen zu werfen, und ihr meine Dankbarkeit in den lebhaftesten Ausdrücken zu bezeugen.

Mächtige Fee, setzte ich hinzu, sie haben so viel für mich getan, vollenden sie ihr Werk; haben sie dem grünen Zwerg die Gestalt eines Zahnstochers geben können, was für Mühe wird es sie kosten, meiner geliebten Princessin ihre eigene wieder zu geben?

Es ist nicht in meiner Macht, erwiderte die Fee, eine Bezauberung aufzulösen, die eine meiner Mitschwestern gemacht hat. Dieses Abenteuer ist für dich aufgehoben. Versäume keine Zeit, Don Sylvio. Nimm deinen getreuen Pedrillo und den kleinen Pimpimp mit dir, und suche den blauen Sommer-Vogel so lange, bis du ihn findest. Ich besorge sehr, daß die boshafte . Fanferlüsch ihren Neffen an ihm und an dir selbst zu rächen; suchen werde; aber laß dich durch keine Schwierigkeiten abschrecken, und sei versichert, daß du meinen Beistand, wo er nötig sein wird, nie vergeblich anrufen sollst.

Mit diesen Worten verschwand die Fee, der Wagen, und die Salamander. Ich befand mich so abgemattet, daß ich in einen tiefen Schlaf fiel, und ich schliefe vielleicht noch, wenn du mich nicht aufgeweckt hättest.

Du hast nun gehört, Pedrillo, was mir die Fee befohlen hat; ich habe keine Zeit zu verlieren. Wir müssen uns auf den Weg machen, meine geliebte Princessin zu suchen, und ich hoffe, daß du dich nicht weigern wirst, mich zu begleiten.

 

Eilftes Capitel

 

Ein Gespräch zwischen Pedrillo und seinem Herrn
Zurüstungen zu der beschlossenen Wanderschaft

Pedrillo hatte seinem Herrn mit großem Vergnügen zugehört, indem er die Geschichte von der Fee, und von der Princessin und vom grünen Zwerg erzählte, denn er war ein ungemeiner Liebhaber von Märchen und Wunder-Geschichten. Allein da er hörte, daß Don Sylvio Ernst daraus machte, und daß es darum zu tun sei in der Welt herum zu ziehen, um einen blauen Sommer-Vogel aufzusuchen, so wollte ihm die Sache nicht recht einleuchten. Er kratzte hinter den Ohren, zuckte die Achseln, und sagte endlich nach einigem Zaudern:

Bei meinem Leben, Herr Don Sylvio, ich weiß nicht was ich sagen soll, aber mir deucht, daß ihr das alles eben so gut hättet träumen können als etwas anders; und wenn ich nicht wißte, daß ihr das ehrlichste Gemüt auf der Welt seid, so möchte einer, Gott verzeih mirs, fast denken – –

Wie? fiel ihm Don Sylvio ein, zweifelst du etwan an der Wahrheit meiner Erzählung?

Nein wahrhaftig, versetzte Pedrillo, daran zweifle ich im geringsten nicht; aber die feurige Kugel und der Frosch, der eine Fee ist, und der grüne Zwerg, der sich in die Princessin verliebte, und der Sommer-Vogel, den ihr heuraten, und in eine schöne Princessin verwandeln sollt, und der Zahnstocher Wenn ich euch die Wahrheit gestehen soll, Herr, aber ihr müßt es nicht übel nehmen, seht ihr, so glaub ich, daß euch alles dieses nur im Traum so vorgekommen ist; man träumet oft gar wunderliche Dinge; zum Exempel, mir träumte letzthin – –

Wahrhaftig, rief Don Sylvio, dem die Geduld ausging, ich habe jetzt nichts zu tun als deine Träume anzuhören. Sage mir, du unvernünftiges Tier, wenn es ein Traum gewesen ist, daß ich die Fee Radiante gesehen habe, und daß sie mir gesagt hat was ich tun soll, um meine unvergleichliche Princessin zu finden; ist es auch ein Traum, daß ich ihr Bildnis an meinem Halse trage?

Mit diesen Worten nahm er das Kleinod, drückte die Feder, und zeigte dem Pedrillo das kleine Bildnis, welches unter dem großen Diamant verborgen lag.

Pedrillo machte große Augen, in dem er das Bild eines Frauenzimmers sah, das, wie ihn deuchte, tausendmal schöner war als die Frau Beatrix selbst.

Beim Sanct Velten, rief er, nun sag' ich kein Wort mehr; so ist das die Princessin, die euch die Fee Radicante versprochen hat, und die in einen blauen Schmetterling verwandelt ist? Nun muß ichs freilich wohl glauben, daß alles die Wahrheit ist, was ihr mir erzählt habt; wahrhaftig, wenn ich sie nicht mit meinen eignen Augen sähe, so hätt ichs nicht geglaubt. Das ist wunderbar! Aber von wem könntet ihr es auch sonst haben als von einer Fee? denn ich wollte meinen Kopfwetten, daß der kleinste dieser Steine wohl zehen Bauren-Höfe wert ist. Aber ich habe oft gelesen, daß solche Sachen bei den Feen nur Kleinigkeiten sind; bei ihnen sind die Diamanten so gemein wie die Gassensteine, und ich bin versichert, daß die Frau Rademante an ihrem Nachtgeschirr größere Edelsteine hat als die Königin, welche Gott erhalten wolle, an ihrem Halsbande. Beim Element, solche Sachen findt man nicht im Schlaf; ihr müßt also wohl gewacht haben, und wenn ihr gewacht habt, so habt ihr nicht träumen können, wie ich sagte, und so muß es wohl wahr sein, daß die Princessin ein Sommer-Vogel ist. Laßt sie mich doch noch einmal sehen – Meiner Treu, das ist doch recht hübsch! Wie freundlich sie einen ansieht? Wenn einer nicht wüßte, daß es nur gemalt wäre, so meinte man, es werde gleich den Mund auftun und reden. Der Henker hole die verfluchten Unholden, die so unbarmherzig sein konnten, ein so hübsches kleines Gesichtgen in ein Unziefer zu verwandeln! Wahrhaftig, Herr Bremsen Reiter, solche schöne Princessinnen macht man nur gleich für deines gleichen, daß dich die Kränke! du Mistfinke, du! Meinst du, weil sie so klein ist, daß ein Mückenflügel ihr ganzes Gesichtgen verdecken könnte, so sei sie nur gleich für einen krummbeinichten, buckligen, grünen Heuströffel gewachsen, wie du bist?

Dummer Junge, fiel ihm Sylvio ein, ich glaube, du bildest dir gar ein, die Princessin sei nicht größer als sie in diesem Bildnis ist? Sie ist hier nur so klein gemalt, weil es die Kleinheit des Raums nicht anders zuließ, aber das verhindert nicht, daß sie nicht zum wenigsten so groß sei als die Diana, oder die schöne Alie, welche gewiß nicht die kleinste gewesen sein muß, da ein so großer Riese als Moulineau war, sie mit Gewalt zur Frau haben wollte; und gesetzt auch, daß sie etwas kleiner wäre, so wäre sie nur dadurch den Gratien desto ähnlicher, welche von den Poeten und Malern kleiner vorgestellt werden als andre Göttinnen, um die Anmut und Lieblichkeit dadurch auszudrücken, um derentwillen sie die Ehre verdienen, die Gespielen und Aufwärterinnen der Göttin der Liebe zu sein.

Das ist auch nur billig, versetzte Pedrillo, denn man sagt im Sprüchwort, was klein ist, das ist artig, und wenn auch gleich die Princessin nicht größer wäre als eine Pariser-Puppe, so wollt ich doch wetten, daß sie das drolligste kleine Ding ist, das man nur an einem Sommer-Tag sehen mag. Pedrillo, mein Freund, fiel ihm Don Sylvio ein, wir verderben hier die Zeit mit unnützem Geschwätz, indessen daß meine Geliebte vielleicht in Gefahr ist – –

Bei meiner Treu, Herr, unterbrach ihn der voreilige Pedrillo, das wollt ich eben sagen; für eine so schöne Princessin könnte auch nichts verdrießlichers sein, als daß sie keinen Augenblick sicher ist, wenn irgend eine verfluchte Dohle oder Krähe daher kommt, und sie ihren Jungen zum Futter wegschnappt, Sapperment, sie würden sie gewiß so gut aufschnabulieren, als ob sie nur ein gemeines Unziefer und nicht eine große Princessin wäre, wie ich nun selbst glaube, daß sie ist, seit dem ihr ich Bildnis gesehen habe.

Was du da sagst, erwiderte Sylvio, macht mir keinen Kummer, ich verlasse mich deshalb vollkommen auf den Schutz der Fee Radiante, allein wenn dieser Schutz mehr als hinlänglich ist, sie gegen alle Dohlen und Krähen der Welt sicher zu stellen, so ist er es doch nicht gegen die Nachstellungen der boshaften Fanferlüsch; denn du hast gehört, daß die Entzauberung des blauen Sommer-Vogels für mich allein vorbehalten ist. Was meinst du, Pedrillo, wär' es nicht am besten, wenn wir uns jetzt gleich auf den Weg machten, da meine Tante nicht zu Hause ist? Wir sind hier alle beieinander, ich und du und Pimpimp; wir wollen gehen und die Princessin suchen, sie mag auch sein wo sie will; für das übrige wird die Fee sorgen.

Ihr seid sehr eilfertig, Gnädiger Herr, erwiderte Pedrillo, aber mir deucht, ihr denkt nicht daran, daß man auf Reisen allerhand Dinge braucht, mit denen man auf den Notfall versehen sein muß – –

Und mir deucht, unterbrach ihn Don Sylvio, du weißt nicht, was du sagst. Wo hast du jemals gehört oder gelesen, daß ein Prinz oder Ritter, der unter dem Schutz der Feen in der Welt herum reist, eine solche Vorsicht gebraucht hätte? Sie haben alle zeit schöne Kleider, feine Wäsche und Geld, so viel sie brauchen; sie übernachten insgemein in bezauberten Palästen, wo sie aufs beste bewirtet werden, und wenn es auch begegnet, daß sie sich in Wäldern und Einöden verirren, so steht doch, eh sie sichs versehen, eine Tafel vor ihnen, die von unsichtbaren Händen gedeckt, und mit den niedlichsten Speisen besetzt wird, und sie schlafen in anmutigen Grotten oder unter Lauben, die von den Nymphen gepflanzt worden, auf einem Lager von Blumen ein.

Das ist alles wohl hübsch und gut, sagte Pedrillo, aber, die Wahrheit zu sagen, Gnädiger Herr, ich möchte mich nicht gar zu sehr darauf verlassen. Man hat unter den Feen seine Freunde – und seine Feinde, und ich habe wohl eher von Prinzen und Princessinnen gelesen, die auf dergleichen Reisen mit guten Zähnen manchmal übel gebissen haben. Vorsicht schadet niemalen, pflegte meine Großmutter zu sagen, ein Sperling in der Hand ist besser als ein Hasel- im Busche; Kurz, wenn ihr euch raten lassen wollt, Herr, so will ich gehen, und etwas Wäsche, und kalte Küche und etliche Flaschen Wein in einen Zwerch-Sack zusammen packen; sorget ihr für einen guten Beutel voll Realen, und wenn das geschehen ist, so wollen wir uns immerhin, weil es nun einmal so sein muß, auf den Weg machen, und gebe der Himmel, daß wir weder blaue noch grüne Zwerge antreffen, die uns unsre Princessin streitig machen.

Don Sylvio, welcher, seine Grillen ausgenommen, der beste Mensch von der Welt war, ließ sich von Pedrillo überreden, und ging mit ihm in das Schloß zurück, nachdem er aus Furcht, den Vorwitz seiner Leute zu erregen, das Kleinod mit dem Bildnis der vermeinten Princessin in seine Tasche gesteckt hatte. Ungeachtet seines Vertrauens auf die Feen, unterließ er doch nicht, indes daß Pedrillo den Keller und die Speiskammer durchnisterte, sich etliche Ringe, die er von seinem Vater geerbt hatte, und seiner ganzen Barschaft zu bemächtigen, welche sich, die Wahrheit zu gestehen, nicht über zehn oder zwölf Ducaten belief, in seinen Augen aber eine Summe war, mit der er sich unter dem Schutz der Radiante bis zu den Gegenfüßlern zu reisen getraute.