Es ist nicht unwahrscheinlich, daß einer von mir stammt.«
»Mag ihn getötet haben wer will«, brummte der Jäger, »ich bin der Meinung, daß er geschossen ist, um gegessen zu werden.« Bei diesen Worten zog er ein großes Messer aus einer ledernen Scheide, die er im Gürtel stecken hatte, und schnitt dem Tier die Gurgel durch.
»Nein, Natty«, erwiderte der Reisende mit unbesiegbar guter Laune, »mir geht es nur um die Ehre. Mit wenigen Dollars ist das Wild bezahlt, aber die Ehre, einen Hirschschwanz auf der Mütze zu tragen, ist unschätzbar.«
»Ja, Richter,« meinte Natty mit einem tiefen Seufzer, »das Wild ist jetzt nicht mehr so leicht zu finden. Einst konnte ich dreizehn Hirsche, die Hirschkälber nicht mitgerechnet, aus der Tür meiner Hütte schießen. Und wollte ich einen Bärenschinken haben, so brauchte ich nur eine Nacht aufzubleiben; das Geheul der Wölfe sorgte schon dafür, daß ich nicht einschlief.«
Es lag etwas Eigentümliches in dem Benehmen des Jägers, das Elisabeths Aufmerksamkeit erregte. Er war lang und mager. Sein Gesicht war abgezehrt, und seine grauen Augen leuchteten unter roten buschigen Augenbrauen hervor. Seine Kleidung war einfach und bestand aus einem hirschledernen Rock und aus ebensolcher Hose. Seinen langen hirschledernen Gamaschen verdankte er den Beinamen Lederstrumpf, den ihm die Ansiedler gegeben hatten. Er begann langsam seine lange Flinte von neuem zu laden.
Unterdessen hatte Temple den Hirsch genauer untersucht und rief, ohne die üble Laune des Jägers zu beachten:
»Ich wollte so gern mein Recht auf die Ehre des Schusses geltend machen, und ist die Wunde am Hals wirklich von meiner Hand, so ist sie hinreichend: dann war der Schuß ins Herz unnötig - war das, was wir einen überflüssigen Actus nennen.«
»Was sagen Sie, mein Freund?« erkundigte sich der Richter sodann freundlich bei Nattys Gefährten. »Sollen wir diesen Dollar in die Höhe werfen und darnach schießen. Das Silber ist das Ihre, wenn Sie verlieren. - Was sagen Sie dazu, mein Freund?«
»Daß ich den Hirsch erlegte«, erwiderte der junge Mann stolz und stützte sich auf seine lange Büchse.
»Hier sind zwei gegen einen«, erklärte Temple lachend, »ich bin überstimmt. Ich muß mich wohl ergeben. Aber verkaufen werden Sie mir doch das Wild. Dann will ich schon eine Geschichte erzählen, die recht glaubhaft klingen soll.«
»Erst wollen wir die Frage, wem der Hirsch von Rechts wegen zukommt, entscheiden«, erwiderte der junge Mann bestimmt. »Mit wieviel Posten war Ihre Flinte geladen?«
»Mit fünf«, antwortete der Richter etwas betroffen. »Sollten fünf nicht genügen, einen Hirsch zu töten?«
»Einer würde genügen«, erwiderte der junge Jäger und ging auf den Baum zu, hinter dem er vorhin hervorgetreten war. »Sie erinnern sich, daß Sie in dieser Richtung geschossen haben, hier sind vier Posten im Baum.«
Marmaduke Temple untersuchte die frischen Spuren in der rauhen Rinde der Fichte und sagte kopfschüttelnd: »Sie sprechen gegen sich selbst, mein junger Advokat, denn wo ist der fünfte?«
»Hier«, erwiderte der Jüngling, indem er den groben Mantel zurückschlug und auf ein Loch in seinem Kleid wies, durch das Blut tropfte.
»Guter Gott!« rief der Richter voll Entsetzen. »Schnell in den Schlitten; es ist nur eine Meile bis ins Dorf, wo wir ärztliche Hilfe haben können. Sie sollen auf meine Kosten verbunden werden und bei mir bleiben, bis Ihre Wunde geheilt ist.«
»Ich danke für Ihre gute Absicht, doch ich kann die Einladung nicht annehmen. Ich habe einen Freund, der beunruhigt wäre, wenn ich in dieser Lage nicht zu ihm käme. Die Wunde ist unbedeutend, die Kugel hat den Knochen nur gestreift. Doch darf ich jetzt wohl hoffen, daß Sie mein Recht auf das Wild anerkennen werden.«
»Anerkennen«, wiederholte Temple bewegt. »Ich gebe Ihnen für immer das Recht, Hirsche und Bären oder was Ihnen sonst gefällt, in meinen Wäldern zu schießen. Lederstrumpf ist der einzige Mensch, dem ich bis jetzt dieses Privilegium gegeben habe. Doch ich kaufe Ihnen den Hirsch ab. Hier ist eine Banknote, die Ihren und meinen Schuß bezahlt.«
Der Jüngling weigerte sich aber, die Banknote anzunehmen und antwortete: »Verzeihen Sie, aber ich brauche das Wildbret selbst.«
»Ärztliche Hilfe können Sie nicht näher und besser als in Templeton finden«, redete der Richter dem jungen Manne noch einmal zu. »Von Nattys Hütte sind wir noch drei Stunden entfernt. Kommen Sie mit uns, junger Freund, und lassen Sie den neuen Doktor Ihre Wunde untersuchen.«
Lederstrumpf stand während dieser Verhandlungen auf seine lange Büchse gelehnt, in tiefes Nachdenken verloren. Aber plötzlich sagte er:
»Es wird das beste sein, Sie gehen mit nach Templeton; denn, ist die Kugel in der Wunde geblieben, so hat meine Hand nicht genug Festigkeit mehr, sie herauszuschneiden, wie ich das sonst getan habe.«
Während Lederstrumpf sprach, hatte Elisabeth eiligst Schachteln und Pakete übereinandergetürmt, um einen bequemen Platz zu schaffen.
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