Der junge Jäger weigerte sich nicht länger und stieg mit Herrn Temple in den Schlitten. Der Neger warf den Hirsch hinten auf das übrige Gepäck. Aber Lederstrumpf, den man auch aufforderte, einzusteigen, erwiderte kopfschüttelnd: »Nein, nein! Ich habe am Weihnachtsabend zu Haus zu tun; nehmen Sie nur meinen jungen Gefährten mit und lassen Sie seine Schulter vom Doktor untersuchen. Er hat weiter nichts zu tun, als die Kugel herauszuschneiden; dann werden meine Kräuter besser und schneller heilen als all seine Salben. Noch eins! Sollten Sie den Indianer John treffen, so nehmen Sie ihn mit. So alt er ist, kann er dem Doktor doch zur Hand gehen, und er hat für alle Quetschungen und Wunden vortreffliche Mittel.«
»Halt!« rief der Jüngling dem Neger zu, der die Pferde antreiben wollte, »Natty, wenn du mein Freund bist, so sage nicht, daß ich verwundet bin und verrate nicht, wo ich mich aufhalte.«
»Verlaß dich auf den alten Lederstrumpf«, erwiderte der Jäger bedeutsam. Dann wandte er sich um und verschwand schnell im Wald, während der Schlitten sich wieder in Bewegung setzte.
Zweites Kapitel
Nachdem der Richter den jungen Jäger, der seine düstere Miene allmählich verlor, lange gemustert hatte, sagte er schließlich: »Sie kommen mir sehr bekannt vor, und doch kann ich mich nicht auf Ihren Namen besinnen.«
»Ich halte mich erst seit drei Wochen in dieser Gegend auf«, entgegnete der Jüngling abweisend, »und Sie waren, wie ich vorhin erfuhr, während dieser Zeit abwesend.«
»Ja, und trotzdem habe ich Sie früher schon einmal gesehen. Was sagst du dazu, Beß? Hältst du mich für fähig, bei einer großen Sitzung mitzureden oder, was für den Augenblick noch nötiger ist, am Weihnachtsabend die Honneurs in Templeton-Hall zu machen?«
»Beides eher, Vater, als einen Hirsch mit der Vogelflinte zu erlegen«, erwiderte eine scherzende Stimme unter den vielen Tüchern. »Doch«, fügte das Mädchen nach kurzem Schweigen hinzu, »wir haben mehr als einen Grund, Gott in unserem Abendgebet zu danken.«
Ein spöttisches Lächeln überflog das Gesicht des Jünglings bei der mutwilligen Bemerkung Elisabeths, verschwand jedoch augenblicklich, als sie mit bewegter Stimme den Nachsatz hinzufügte. Die Pferde hatten allmählich einen Punkt erreicht, von wo aus sie den Stall witterten und griffen mit neuen Kräften aus. Der Richter erwachte nicht eher aus seinem tiefen Nachdenken, als bis er vier Rauchsäulen aus seinen Schornsteinen aufsteigen sah. Das Tal, das Dorf und Marmadukes Haus lagen plötzlich vor ihnen.
»Sieh, Beß«, rief Temple seiner Tochter zu, »dies ist nun dein Haus fürs ganze Leben! Und es gehört Ihnen auch, junger Mann, wenn Sie. bei uns bleiben wollen.«
Bei diesen, in der Wärme des Gefühls ausgesprochenen Worten sahen sich die beiden jungen Menschen stumm an. Das Mädchen schien ablehnend, und der Fremde hatte ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. Der Berg, über den die Reisenden jetzt fuhren, war steil, und der Weg so schmal, daß die größte Sorgfalt beim Fahren angewendet werden mußte. Der Neger zog die Zügel scharf an, und Elisabeth betrachtete die Landschaft, die sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Rechts nach Norden zu lag eine schmale Ebene zwischen bewaldeten Bergen. Das dunkle Grün der Wälder stach grell gegen das glänzende Weiß der weiten Felder ab. Im Westen erhoben sich ebenso hohe, aber nicht so steile Berge, deren Abhänge terrassenförmig angebaut waren. Dicht vor den Reisenden aber im Tal lag an einem der hier häufigen Seen das Dorf Templeton. Es bestand aus ungefähr fünfzig Holzhäusern, deren Architektur wenig Geschmack verriet. Sämtliche Gebäude standen schon so wie in den Straßen einer Stadt, und drei bis vier stattliche Häuser waren mit grünen Jalousien versehen. Mitten in dieser noch dörflichen Ansiedlung erhob sich stolz das Haus des Richters, von einem Garten mit Obstbäumen umschlossen. Eine doppelte Reihe von Pappeln faßte den Weg ein, der vom Haupttor des Anwesens zum Haus hinführte. Das Haus selbst verdankte seine Gestalt einem Herrn Richard Jones, einem Vetter des Richters, der eine gewisse Gewandtheit und manche kleine Talente besaß. Es war ein Steinbau, groß, viereckig und regelmäßig; diese Haupteigenschaften hatte sich Marmaduke ausbedungen, alles übrige aber seinem Vetter überlassen, der am Dach und an den Portalen einige ausgefallene Ideen angebracht hatte.
Der Schlitten glitt jetzt langsam in das Tal. Der Jäger warf einen bewundernden Blick über die Gegend und barg dann sein Gesicht wieder in die Falten des weiten Mantels. Der fröhliche Ton fernen Schellengeläutes zog plötzlich die Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich und verriet einen näher kommenden Schlitten.
An einer Wegbiegung wurden vier Pferde sichtbar, die einen mächtigen Schlitten den Berg hinaufzogen. Unzählige Glöckchen an allen Teilen des Geschirrs vollführten einen nicht geringen Lärm.
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