Das Haus am Ende des unvermeidlichen Rasens war kleiner als Benham Abbey. Die viereckige, sattgrüne Rasenfläche diente jedoch nur als Rahmen für den mittendrin angelegten Garten - einen der schönsten, die Nora je gesehen hatte. Karmesinrot, Gold, Kobaltblau und tiefdunkler Purpur mischten sich zu einem harmonischen Wirrwarr. Das Haus war fast vollständig mit hellroten Kletterrosen und Glyzinien überwachsen. Zu beiden Seiten des Rasenplatzes liefen schattige Laubengänge vom Fluß bis zum Haus. Nah beim Ufer stand ein aufgespannter, rot-weiß gestreifter Sonnenschirm. Darunter lag ein Mann in einem Rohrstuhl ausgestreckt. Mühsam stand er auf, als der Kahn am Ufer anlief. Er war hager und hatte ein längliches, kränklich wirkendes Gesicht. Er klemmte ein Monokel ins Auge, um die Besucher zu betrachten.

»Hallo, Long!« rief er langgezogen, als sie ans Ufer stiegen, und streckte dem Inspektor seine schlaffe Hand entgegen, während er seine hellen Augen auf das Mädchen richtete.

»Ich möchte Sie mit Miss Sanders bekannt machen - das ist Mr. Crayley!«

»Jackson Crayley -«, verbesserte der andere. »Wie geht's? Setzen Sie sich, bitte!«

Seine Hand fühlte sich so leblos an, daß Nora die Empfindung hatte, einen Handschuh zu drücken.

»Ich glaube, Miss Sanders würde gern Ihren Garten ansehen.« »Er ist herrlich!« sagte das Mädchen begeistert.

»Ja-a! Nicht schlecht.« Es schien Crayley zu widerstreben, die Schönheit seines Besitzes einzugestehen. »Habe einen guten Obergärtner. Zeigen Sie der jungen Dame alles - und pflücken Sie, was Sie wünschen, Miss... «

Kaum hatten sie sich abgewendet, ließ er sich wieder in seinen Stuhl zurücksinken und vertiefte sich in die Zeitung.

»Was halten Sie von ihm?«

»Er muß sehr - müde sein«, meinte Nora zögernd.

Der Wetter mußte lachen.

»Wahrscheinlich schon so zur Welt gekommen! Viel ist nicht an ihm. Seltsam nur, daß er in der Bank war, als ich Shelton verhaftete, und auch, daß er mich dabei unterstützte, so gut er eben konnte. Natürlich warf ihn Shelton zur Seite. - Mr. Monkford mag ihn gern. Er macht jede Mode mit und hält sich nur zur Saison hier auf. Entweder ist er eben erst aus Deauville zurückgekehrt, oder er will gerade nach Aix abreisen. - Fahren Sie zur Golfwoche nach Heartsease?«

»Ja - warum? Halten Sie es auch für eine Modeveranstaltung?« Er murmelte etwas, was sie nicht verstand, aber aus dem Tonfall schloß sie, daß es nichts sehr Schmeichelhaftes für den Golfsport war.

Als sie zu Crayley zurückkehrten, fanden sie ihn im Gespräch mit einer Dame in einem luxuriös ausgestatteten Boot. Nora konnte sie nur flüchtig sehen, als sie davonruderte. Ein nicht besonders hübsches Mädchen, doch sehr gut gekleidet. »Einfach unmöglich! Kommen die Leute daher und fragen, ob sie meinen Garten ansehen könnten...«, brummte Mr. Jackson Crayley. Als er sich seiner Unhöflichkeit bewußt wurde, fügte er erklärend bei: »Ich meine, mich zu fragen, ob sie Donnerstag kommen und ein paar Freunde mitbringen könnte - das geht zu weit. Ich habe hier doch kein Hotel, keinen öffentlichen Garten oder dergleichen. Wollen Sie schon gehen, Miss...«

»Ich danke Ihnen für die liebenswürdige Erlaubnis, Ihren wunderschönen Garten ansehen zu dürfen, Mr....«

Nora schüttelte die leblose Hand und folgte Long in den Kahn.

»Kommen Sie an einem ändern Tag wieder!« rief Crayley hinterher und sank in seinen Stuhl. Weder seine Stimme noch sein Benehmen konnten seine Genugtuung über die Abfahrt der ungebetenen Gäste verbergen.

Der Wetter ruderte nach Benham Abbey zurück.