»Die Bande des Schreckens - oh, die Bande des Schreckens!«

Der Mann auf der Fahrbahn war verschwunden, buchstäblich von der Dunkelheit verschluckt. Der Wetter steckte den Revolver in die Tasche zurück und hielt das halb ohnmächtige Mädchen fest. Hinter ihm rief jemand, er drehte sich um und sah seinen Vater mit einem Diener auf sich zukommen.

»Was ist geschehen?«

»Eine kleine Schießerei, scheint mir - doch kommt, wir wollen das Mädchen ins Haus bringen!«

Sie halfen ihr die Stufen hinauf und führten sie in Sir Godleys Arbeitszimmer. Ihr Gesicht war breit und knochig, weder hübsch noch häßlich. Long sah sie sich genauer an. Vergeblich suchte er sich zu erinnern, wo er sie schon gesehen hatte.

Als sie sich von ihrem Schock erholte, starrte sie beunruhigt bald Long, bald dessen Vater an.

»Wo bin ich?«

Die Farbe kehrte allmählich in ihre Wangen zurück, doch zitterte sie am ganzen Körper.

Jetzt erkannte Long sie auch. Es war das Mädchen, das sich draußen in Marlow vom Boot aus mit Jackson Crayley unterhalten hatte. Sie trug eine moderne, teure Abendtoilette, im Halsausschnitt hing eine Diamantbrosche, und auch an den Fingern funkelten die herrlichsten Edelsteine.

»Ich weiß nicht, was geschah«, sagte sie, noch immer heftig zitternd. »Ich sah nur diese...«

Man mußte ihr etwas Wein einflößen, bis sie über ihr ungewöhnliches Erlebnis berichten konnte.

Sie und ihr Bruder besaßen ein Hotel auf dem Lande. In der John Street hatten sie eine kleine Wohnung, wo sie wohnten, wenn sie in die Stadt kamen. Am Abend war sie im Theater gewesen. Nachher entschloß sie sich, des schönen Wetters wegen, zu Fuß nach Hause zu gehen. Als sie am anderen Ende des Berkeley Square anlangte, sah sie vor sich ein Auto anhalten. Sie erreichte den Wagen - in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und zwei Männer sprangen heraus. »Sie hatten weiße Tücher vors Gesicht gebunden. Ich war so erschrocken, daß ich mich nicht wehren konnte, als sie mich in den Wagen zerren wollten. Mit einem Mal tauchte ein dritter Mann auf und rief: ›Ihr Esel, das ist nicht Nora Sanders!‹ «

»Nora Sanders?« wiederholte der Wetter. »Sind Sie sicher, daß der Name so lautete?«

»Ja. Der Mann, der midi festhielt, war so erschrocken, daß er mich losließ und davonlief. Da hörte ich jemand rufen: ›Weg mit ihr!‹ Ein Schuß fiel, dann kamen Sie...» Mit Ausnahme der verblüfften Zwischenfrage hatte der Inspektor schweigend zugehört.

»Ich habe Sie schon einmal gesehen, Sie sind Miss...«

»Alice Cravel«, sagte sie. »Mein Bruder und ich sind die Besitzer von Little Heartsease.«

»Little Heartsease!« Long nahm es mit Bestürzung zur Kenntnis und fragte von neuem: »Sind Sie ganz sicher, daß der Name Nora Sanders gefallen ist?«

»Vollkommen sicher.«

»Kennen Sie sie?«

»Ich kenne sie mehr dem Namen nach. Sie ist Sekretärin von Miss Revelstoke, die gewöhnlich die Golfwoche in Little Heartsease verbringt. Wir erwarten sie nächsten Montag. Besonders gut kenne ich Miss Sanders nicht, sie war aber schon voriges Jahr in Little Heartsease. Sie ist sehr hübsch.« Nachdenklich biß sich der Wetter auf die Unterlippe. »In welchem Theater waren Sie heute abend?« Ohne zu zögern nannte das Mädchen ein bekanntes Theater.

Little Heartsease! Nicht nur Nora Sanders, auch Joshua Monkford würde dort wohnen. Der Bankier hatte zwei Zimmer bestellt, eines davon für ihn, Long. In Heartsease sollte Monkford den Tod finden. Der Wetter glaubte nicht an Zufälle, vor allem nicht an so auffallend unwahrscheinliche Zufälle. Er ließ ein Taxi kommen und brachte das Mädchen nach Hause.