Ich lerne meine Frau Muhme immer besser kennen. Es würde ein sehr mittelmäßiges Glück für Herrn Simonen sein,[447] wenn er mit seiner künftigen Frau Schwiegermutter in einem Haus wohnen sollte. Sie würde ihn entweder bald aus dem Hause oder bald ins Grab beten. Überhaupt geht sie mit ihm und mit mir sehr wunderbar um. Sie hat verlangt, daß wir zu ihr kommen und das Jawort wegen der Heirat mit ihrer Jungfer Tochter abholen sollen. Wir sind von Berlin hieher gereiset. Wir sind schon vier Tage hier. Und alle Tage hat sich ein Hindernis finden müssen, dem Herrn Simon das versprochene Ja zu erteilen. Morgen müssen wir wieder fort. Und der heutige Tag ist endlich zu der Versprechung angesetzt. Gleichwohl sehe ich noch wenig Anstalt dazu.
LORCHEN. Gedulden Sie sich nur bis um vier Uhr, wenn ich bitten darf. Eher nimmt die Frau Richardin keinen Besuch an. Und eher sie sich in ihrer Nachmittagsandacht stören läßt, eher läßt sie Herrn Simonen und zehn andre Freier wieder fortreisen.
FERDINAND. Ich weiß wohl, daß wir erst um vier Uhr herbestellt sind. Allein ich habe noch verschiedenes wegen der Aussteuer mit meiner Frau Muhme auszumachen, und solche Sachen muß man vor dem Jaworte in Richtigkeit bringen. Haben Sie also die Güte und lassen Sie mich melden.
LORCHEN. Das kann ich nicht wagen. Die Andacht geht bei ihr über alles. Sie setzt uns beide in die Ketzerhistorie, wenn wir sie stören. Sie zweifelt ohnedem sehr an der Aufrichtigkeit meiner Tugend, weil ich so eitel bin und zuweilen in dem »Zuschauer« oder sonst in einem weltlichen Buche, wie sie zu reden pflegt, lese.
FERDINAND. So wollen Sie mich nicht melden lassen?
LORCHEN. Sobald es viere schlägt; so will ich Sie melden. Denn ebendiese Stunde hat sie zu weltlichen Geschäften, und also auch zu dem Jaworte, ausgesetzt. Doch um fünf oder längstens um sechs Uhr muß alles getan sein. Länger hält sie sich nicht auf. Denn nach dem kommen zwo von ihren Klientinnen in der Andacht zu ihr, die sie mit erbaulichen Neuigkeiten unterhalten.
FERDINAND. Also wird sie uns wohl nicht zu Tische behalten?
LORCHEN. Ich zweifle sehr daran. Sie hält gar nicht viel auf das Essen.
1 comment