»Haben Sie Ihr Zimmer schon gesehen?«

»Noch nicht, Mrs. Groat.«

»Ich hoffe, daß es Ihnen hier gefallen wird.« Es klang eher so, als wäre das Gegenteil davon erwünscht gewesen.

»Wann kann ich mit meiner Arbeit beginnen?« fragte Eunice, die sich in dieser Umgebung durchaus nicht wohl fühlte.

»Sie können jederzeit beginnen.« Die alte Dame schaute sie argwöhnisch von der Seite an. »Sie sind sehr schön ...« Eunice errötete, das Kompliment klang fast wie eine Beleidigung. »Dies wird auch der Grund sein«, schloß Mrs. Groat abwesend.

»Wofür denn?« fragte Eunice liebenswürdig. Sie hatte den Eindruck, eine Geistesschwache vor sich zu haben. Alle Lust an der neuen Stellung war schon verflogen.

»Das gehört nicht hierher«, antwortete Mrs. Groat und entließ sie mit einem Kopfnicken.

Das Zimmer, in das sie jetzt geführt wurde, erschien ihr über alle Maßen schön, und sie war sprachlos über diesen Luxus.

»Sind Sie auch sicher, daß ich hier wohnen soll?« fragte sie ungläubig.

»Jawohl, Miss«, versicherte die Haushälterin und sah das Mädchen sonderbar an.

»Aber das ist doch viel zu prächtig für mich!«

Der Raum wäre selbst in einem Schloß aufgefallen - kostbare Möbel, die Wände mit Brokatseide bezogen, ein französisches Bett mit Schnitzereien und Vergoldung, darüber ein großer Baldachin aus prächtiger Seide, ein Toilettentisch Louis XV. mit eingelegter Goldplatte. Der dazugehörige Kleiderschrank mußte allein ein Vermögen gekostet haben. In der Nähe des Fensters stand ein hübscher Schreibtisch, und einen prachtvollen Bücherschrank mit Ganzlederbänden konnte man vom Bett aus erreichen. Den geräumigen Balkon schmückten farbenprächtige Blumen. Eunice stand auf einem dicken, dunkelblauen Teppich, der den ganzen Raum ausfüllte. Staunend sah sie auf die ganze Pracht.

»Es muß ein Mißverständnis sein, es ist völlig unmöglich, daß ich hier wohnen soll«, wiederholte sie.

»Doch, Miss. Sehen Sie, hier ist Ihr Badezimmer. Wir haben zu jedem Schlafzimmer ein eigenes Bad. Mr. Groat hat das ganze Haus umgebaut, als er es kaufte.«

Eunice öffnete die Balkontür und trat hinaus. Der Balkon zog sich bis zu einer viereckigen Veranda hin, die sich über der Eingangshalle des Hauses befand.

Eunice sah Mrs. Groat an diesem Tage nicht mehr. Als sie nach ihr fragte, erfuhr sie, die alte Dame habe sich mit Kopfschmerzen zurückgezogen. Audi Digby Groat begegnete sie nicht, sie aß ihre erste Mahlzeit ganz allein.

»Mr. Groat ist noch nicht vom Lande zurückgekehrt«, teilte ihr Jackson mit, der sie bei Tisch bediente. »Ist alles nach Ihrem Wunsch, Miss?«

»Ja, ich danke.«

Sie fand diesen Mann wenig sympathisch. Nicht, daß er es an Respekt hätte fehlen lassen oder plump vertraulich gewesen wäre - trotzdem lag etwas Anmaßendes in seinem Benehmen. Sie war froh, als sie ihre Mahlzeit beendet hatte. Enttäuscht ging sie in ihr Zimmer. Sie hätte gerne Mrs. Groat noch einiges gefragt, vor allem, wann sie ausgehen konnte.

Sie schaltete das Licht aus, öffnete die große Balkontür und trat in den kühlen Abend hinaus. Das letzte Abendrot färbte die Wolkenränder.