Dies ist das traurige Geheimnis unserer Familie, Miss Weldon!«

Er lachte. Sie spürte, daß er log.

10

Digby Groat verwünschte sich selbst, daß er sich hatte gehenlassen. Er ärgerte sich jetzt, daß er vor Eunice das Testament zerstört hatte. Es konnte ihn in Schwierigkeiten bringen. Er war überzeugt, daß die großen Verbrecher durch Kleinigkeiten zu Fall gebracht werden. Er, das Haupt der Bande der Dreizehn, der alle Spuren seiner Vergehen so meisterhaft verwischt hatte, daß die tüchtigste Polizei der Welt ihm nichts nachweisen konnte, lief Gefahr, durch irgendeine Dummheit gefaßt zu werden, die er aus Wut oder Eitelkeit beging.

Er mußte Eunice Weldon für sich einnehmen. Ihre Schönheit und Intelligenz faszinierten ihn von Tag zu Tag mehr. Er wußte genau, daß sie Jim Steele traf, den Mann, den er haßte und der sein Todfeind war. Jackson war ihnen schon zweimal bei Ausgängen in die Stadt gefolgt und hatte ihm darüber berichtet. Die Möglichkeit, daß Jim sie liebte, erhöhte nur den Anreiz, das Mädchen für sich zu gewinnen. Es wäre die vollkommenste Rache an Steele. Er mußte Geduld haben und vorsichtig zu Werke gehen. Vor allem mußte er ihr Vertrauen erwerben und durfte auch nicht erwähnen, daß er von den Zusammenkünften mit Jim Steele wußte.

Er hatte an diesem Tag keinen Versuch mehr gemacht, mit seiner Mutter zu sprechen. Die Krankenschwester berichtete ihm, daß sie den ganzen Nachmittag geschlafen habe. Beim Abendessen erwähnte er Eunice gegenüber noch einmal die Szene vom Mittag.

»Sie müssen mich für sehr rücksichtslos halten, Miss Weldon.

Aber Sie wissen nicht, wie mich die vielen Dummheiten meiner Mutter mit der Zeit verärgert und nervös gemacht haben.«

Am liebsten hätte sie darüber nicht mehr gesprochen, denn sie machte sich selbst Vorwürfe, daß sie Digby Groat diese Sache mitgeteilt hatte.

»Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, Miss Weldon, daß alles, was in diesem Hause passiert, vertraulich ist und daß Sie nicht zu Fremden darüber sprechen dürfen.«

Er bemerkte, daß sie rot wurde und nervös mit ihrer Gabel spielte. Daraus schloß er, daß sie bereits Steele von dem Testament erzählt hatte. Zu ihrer größten Beruhigung sprach er jedoch von etwas anderem. Er erwähnte sein Laboratorium und die neuen elektrischen Geräte, die er ausprobieren wollte.

»Darf ich Ihnen mein Laboratorium einmal zeigen, Miss Weldon?«

»Ich würde mich freuen«, versicherte sie, was keineswegs stimmte, denn sein Laboratorium wollte sie überhaupt nicht sehen. Sie wußte von Jim, daß er neulich den kleinen Hund mit Klammern und Schrauben auf dem Operationstisch befestigt hatte. Seither war es für sie eine Stätte des Schreckens. Im Moment freilich erleichterte es sie, von etwas anderem als von dem Vorfall mit dem Testament reden zu können.

Als sie zusammen den Raum betraten, entdeckte sie nichts Schreckliches. Die Wände waren weiß und sauber, die Geräte und Gegenstände ordentlich aufgestellt. Auf Wandbrettern standen lange Reihen von Flaschen und Medikamenten. Er zeigte ihr kleine Glasröhren, geheimnisvolle Instrumente und Apparate. Obwohl sie nichts Ungewöhnliches entdecken konnte, fühlte sie sich erleichtert, als sie den Raum wieder verlassen konnte.

Den Abend hatte sie für sich. Digby ging um neun Uhr aus. Sie wollte lesen oder sich sonstwie den Abend vertreiben. Einige Möbel in ihrem Zimmer hatte sie umgestellt und den ohnehin prächtigen Raum noch hübscher gemacht.

Sie blätterte in den Büchern, die ihr Digby Groat zum Lesen gegeben hatte. Als sie ein Taschentuch aus der Handtasche nahm, berührte sie die kleine, graue Karte, die sie damals auf dem Nachttisch gefunden hatte. Sie holte sie hervor und zerbrach sich aufs neue den Kopf über die Bedeutung der blauen Hand.