Es sieht aber so aus, als ob es eine Brandnarbe wäre. Nur - ich kann einfach nicht verstehen, daß Ihre Mutter deswegen den Anfall bekommen haben soll.«

»Ich nehme es aber doch an - es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen.«

Er untersuchte den roten, runden Fleck sehr genau. Er hatte sich schon die größte Mühe gegeben, seine Mutter darüber auszufragen, ohne Erfolg damit zu haben. Seit drei Tagen lag sie apathisch im Bett, und wenn er seine Besuche im Krankenzimmer machte, schien sie ihn weder zu hören noch zu sehen. Jetzt erholte sie sich langsam. Bei der ersten Gelegenheit wollte er eine Erklärung von ihr fordern.

»Haben Sie sonst noch etwas gefunden?« fragte er mißtrauisch. Er fürchtete sich stets vor neuen, unbesonnenen Handlungen seiner Mutter. Ihr katastrophaler Hang zum Stehlen konnte einmal bekanntwerden.

Sie überlegte sich, ob sie ihm von ihrem Fund im Geheimfach erzählen sollte. Er las Zweifel und Unschlüssigkeit in ihrem Gesicht und wiederholte seine Frage.

»Ich fand das Testament Ihrer Mutter«, sagte sie zögernd.

Er hatte sein Frühstück schon beendet und rauchte. Aber die Zigarre fiel auf den Teppich, als er ihre Mitteilung hörte, und sein Gesicht wurde dunkel.

»Ihr Testament!« rief er. »Sind Sie auch ganz sicher? Ihr Testament ist beim Rechtsanwalt deponiert. Es wurde vor zwei Jahren aufgesetzt.«

»Das Testament, das ich gesehen habe, wurde erst vor zwei Monaten unterzeichnet«, erwiderte sie erschrocken. »Ich hoffe, daß ich nicht ein Geheimnis Ihrer Mutter verraten habe.«

»Zeigen Sie mir einmal dieses Dokument!« Digby erhob sich, er sprach abgerissen und heiser, und sie wunderte sich über sein verändertes Wesen.

Sie gingen zusammen in das dürftig eingerichtete Wohnzimmer seiner Mutter. Dort holte sie aus dem Geheimfach das Testament hervor. Er las es genau durch.

»Die Alte ist ganz verrückt geworden!« fuhr er böse auf. »Haben Sie es gelesen?« Er sah sie scharf an.

»Ich habe etwas darin gelesen.« Sie war betroffen von seiner Schroffheit.

Leise vor sich hinmurmelnd, las er das Testament noch einmal durch.

»Wie kamen Sie darauf?«

»Ich habe es zufällig entdeckt.« Sie zeigte ihm, wie sie das Geheimfach gefunden hatte.

»Ich verstehe.« Langsam faltete Digby das Papier zusammen. »Miss Weldon, erzählen Sie mir jetzt, was Sie darin gelesen haben!«

Sie wußte nicht, was sie antworten sollte. Sie war doch eigentlich die Angestellte von Mrs. Groat und fühlte, daß sie eine Indiskretion begangen hatte.

»Ich habe etwas über ein Legat gelesen, das Ihre Mutter Ihnen aussetzte - aber ich habe nicht genau hingesehen.«

»Sie wissen also, daß meine Mutter mir zwanzigtausend Pfund vermacht und den Rest einem ändern?«

Sie nickte.

»Wissen Sie auch, wie dieser andere heißt?«

»Ja, es ist der Marqués von Estremeda.«

Sein Gesicht war aschgrau, seine Stimme zitterte vor Wut.

»Wissen Sie, wie groß das Vermögen meiner Mutter ist?«

»Nein, Mr. Groat. Ich glaube auch, daß es nicht nötig ist, es mir zu sagen.« »Sie besitzt eineinviertel Millionen Pfund - und mir hat sie zwanzigtausend vermacht!« stieß er haßerfüllt hervor.

Er drehte sich rasch um und ging zur Tür. Eunice ahnte, was er vorhatte, lief ihm nach und packte ihn am Arm.

»Mr. Groat!« beschwor sie ihn. »Sie dürfen jetzt nicht zu Ihrer Mutter gehen, das dürfen Sie nicht tun!«

Ihr Dazwischentreten ernüchterte ihn. Langsam ging er zum Kamin, nahm ein Streichholz und zündete das Testament an. Als die Flammen verloschen, zertrat er es mit den Füßen.

»Diese Sache ist geregelt!« Er lächelte und war mit einemmal wieder der alte. »Wie Sie gemerkt haben dürften, ist meine Mutter nicht ganz normal. Es wäre zuviel gesagt, wenn ich sie für vollkommen verrückt erklärte. Ein Marqués von Estremeda existiert überhaupt nicht, soviel ich weiß. Es ist die fixe Idee meiner Mutter, früher einmal mit einem spanischen Adligen befreundet gewesen zu sein.