Wer mochte es sein? Eunice kannte bereits alle Dienstboten und wußte bestimmt, daß es eine Fremde war. Vielleicht war es eine Bekannte Digby Groats, vielleicht auch eine Freundin der Krankenschwester. Doch die Art, wie sie sich bewegte, war so ungewöhnlich, daß Eunice instinktiv wußte, daß es die geheimnisvolle Person sein mußte, die den Abdruck auf die Fensterscheibe gemacht hatte. Die fremde Dame ging auf eine große Limousine zu, die auf der anderen Seite des Platzes wartete. Sie stieg ein, und der Wagen fuhr sofort davon.

Eunice war mehr aufgeregt als erschrocken. Die blaue Hand mußte irgendeine Warnung bedeuten. Nun wußte sie auch, welchen Weg die Fremde genommen hatte. Sie mußte die Haustür benützt und die Treppe hinaufgestiegen sein. Durch die Tür beim Treppenpodest war sie auf die kleine Veranda über dem Eingang und von da auf den Balkon gelangt. Auf dem Rückweg hatte sie die Tür zum Treppenhaus von innen wieder abgeschlossen.

Sollte sie nach unten gehen und Digby Groat alles erzählen? Nein, sie wollte dieses Geheimnis für Jim aufsparen. Mit einem Tuch wischte sie die blaue Farbe von der Fensterscheibe.

Gefühlsmäßig wußte Eunice, daß die fremde Frau ihr wohlwollte. Aber warum wählte sie einen so umständlichen Weg, setzte sich Gefahren aus, um das Zeichen der blauen Hand anzubringen? Warum schrieb sie nicht einfach einen Brief?

Ein anonymer Brief hätte ihr allerdings wenig Eindruck gemacht, überlegte Eunice. Wahrscheinlich hätte sie ihn zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Diese nächtlichen Besuche riefen zweifellos einen stärkeren Eindruck hervor. Trotzdem war es ja gar nicht sicher, daß die Frau, die sie soeben aus dem Haus hatte kommen sehen, die geheimnisvolle Warnerin war. Eunice kannte den Bekanntenkreis Digby Groats nicht, die Dame in Schwarz war vielleicht eine Bekannte von ihm.

Sie legte sich zu Bett. Lange konnte sie nicht einschlafen. Sie verfiel in einen unruhigen Halbschlummer und wachte immer wieder auf. Schließlich stand sie auf und zog die Vorhänge zurück. Das graue Morgenlicht flutete ins Zimmer. Auf der Straße begann schon der Verkehr. Frische, kühle Morgenluft kam durchs Fenster, das Eunice geöffnet hatte. Sie bekam Hunger und besann sich auf die Pralinen, die Digby ihr gestern abend gebracht hatte. Sie packte ein Stück aus der Stanniolhülle und wollte es gerade in den Mund stecken, als ihr das Erlebnis von gestern abend in den Sinn kam. Die Warnung oder was immer es sein mochte, war genau in dem Augenblick erfolgt, als sie eine Praline essen wollte. Sie legte die Schokolade zurück und ging nochmals ins Bett. Sie wollte lieber warten, bis die Dienstboten aufstanden und sie etwas zu essen bekommen konnte.

11

Als Jim Steele an diesem Morgen seine Wohnung verlassen wollte, brachte ihm ein Eilbote ein großes Paket. Er erkannte sofort die Handschrift von Eunice. In seinem Arbeitszimmer öffnete er das Paket. Der beigelegte Brief war in Eile geschrieben worden und berichtete von den Ereignissen der letzten Nacht.

...