»Warum habe ich Ihnen eigentlich geklingelt? Ach ja, ich brauche alle Pachtverträge, die sich auf den Grundbesitz des alten Danton in Cumberland beziehen.«
»Will Mrs. Groat die Ländereien verkaufen?«
»Im Augenblick kann sie sie noch nicht verkaufen, aber am dreißigsten Mai erhält sie die Verfügung über das Millionenvermögen Jonathan Dantons, vorausgesetzt, daß kein Einspruch dagegen erhoben wird.«
Jim folgte seinem Chef in dessen Büro. An den Wänden standen vollgestopfte Regale. Das Mobiliar und der Teppich waren abgenutzt. Es roch nach staubigen Akten.
»Detektiv also möchten Sie werden?« fragte Mr. Salter, als er sich hinter seinen Schreibtisch setzte. Er reichte Jim ein Notizblatt und sagte boshaft: »Da, versuchen Sie einmal, mit dem Spürsinn eines Detektivs diese Aktenstücke aufzufinden! Sie liegen unten in der Stahlkammer.«
Jim nahm den Zettel, las ihn und wollte eben eine Frage stellen, als ein Schreiber hereinkam und meldete:
»Mr. Digby Groat - wollen Sie ihn empfangen, Sir?«
2
»Ja«, sagte Mr. Salter kurz und wandte sich belustigt an Jim, der schnell das Büro verlassen wollte. »Sie können ruhig hierbleiben, Steele! Mr. Groat hat mir geschrieben, daß er die Akten durchsehen will, und wahrscheinlich müssen Sie ihn zur Stahlkammer führen.«
Jim erwiderte nichts.
Die Tür öffnete sich, und der Schreiber ließ einen elegant gekleideten jungen Herrn eintreten.
Jim kannte ihn von früher, aber je öfter er ihn sah, desto weniger konnte er ihn leiden. Er hätte mit geschlossenen Augen das schmale, unfreundliche Gesicht, den kurzen, schwarzen Schnurrbart, die müden Augen und blasierten Züge, das große vorspringende Kinn und die etwas abstehenden Ohren zeichnen können - vorausgesetzt, daß er hätte zeichnen können. Und doch machte Digby Groat in mancher Beziehung einen guten Eindruck, das konnte selbst Jim nicht bestreiten. Er mußte einen erstklassigen Kammerdiener haben, denn von der tadellosen Frisur bis zu den blanken Schuhen war nichts an seiner Erscheinung auszusetzen. Sein Anzug, nach dem modernsten Schnitt gearbeitet, stand ihm außerordentlich gut. Als er ins Zimmer trat, verbreitete sich ein leichter Duft von Quelques Fleurs. Jim verzog die Nase. Er haßte Männer, die sich parfümierten, so dezent sie es auch tun mochten.
»Guten Morgen, Salter!« Digby Groat schaute von einem zum andern, mit dem nachlässigen und doch so unverschämten Ausdruck in seinen dunklen Augen, den weder der Rechtsanwalt noch sein Sekretär vertrugen.
Er zog ein seidenes Taschentuch hervor, wischte damit über einen Stuhl und nahm Platz, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Seine zitronengelb behandschuhten Hände legte er wirkungsvoll auf den goldenen Knauf eines Ebenholzspazierstocks.
»Sie kennen doch Mr. Steele, meinen Sekretär?« begann Salter. »Nun, Dr. Groat ... «
Aber der elegante junge Mann unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
»Nennen Sie mich bitte nicht Doktor«, sagte er mit einem leidenden Ausdruck. »Vergessen Sie, daß ich ein medizinisches Studium absolviert und mein Examen als Chirurg bestanden habe. Ich tat es nur zu meiner eigenen Befriedigung. Es wäre mir sehr unangenehm, eine Praxis ausüben zu müssen. Ich würde es nicht aushalten, zu jeder Tages- und Nachtzeit von Patienten gestört zu werden.«
Für Jim war es neu, daß dieser Stutzer Mediziner sein sollte.
»Ich bin hierhergekommen, um die Pachtverträge der Besitzungen in Cumberland einzusehen, Salter«, fuhr Groat fort. »Es ist mir ein Angebot gemacht worden - ich sollte eigentlich sagen, es ist meiner Mutter gemacht worden, und zwar von einem Syndikat, das ein großes Hotel dort errichten will. Möglicherweise gibt es Klauseln in den Verträgen, die solche Bauten verhindern sollen. Wenn dies der Fall ist, dann war es gedankenlos und niederträchtig vom alten Danton, solche Ländereien überhaupt zu erwerben.«
»Mr. Danton tat nichts Gedankenloses und nichts Niederträchtiges«, antwortete Salter ruhig.
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