»Wenn Sie diese Frage in Ihrem Brief erwähnt hätten, würde ich Ihnen telefonisch darüber Auskunft gegeben haben, und Sie hätten sich nicht hierher bemühen müssen. Aber da Sie nun einmal hier sind, wird Sie Steele in die Stahlkammer führen. Dort können Sie die Verträge einsehen.«
Groat sah mißtrauisch zu Jim hinüber.
»Versteht er denn etwas von Pachtverträgen? Und muß ich tatsächlich in Ihren schrecklichen Keller hinuntersteigen, um mich auf den Tod zu erkälten? Können die Akten nicht für mich heraufgebracht werden?«
»Wenn Sie die Freundlichkeit haben, in Steeles Zimmer zu warten, kann er sie Ihnen ja dort hinbringen«, schlug Salter vor, der Groat sowenig mochte wie sein Sekretär. Außerdem hatte er die Groats in Verdacht, daß sie sich, sobald sie in den Besitz des Dantonschen Vermögens kämen, einen anderen Rechtsanwalt nehmen würden.
Jim nahm die Schlüssel und ging hinunter. Bald kehrte er mit einem Paket Akten zu seinem Chef zurück. Mr. Groat hatte sich inzwischen in Steeles kleines Zimmer hinüberbegeben.
»Erklären Sie Mr. Groat alles, was er über die Pachtbriefe wissen will, und wenn Sie mich dazu brauchen, dann rufen Sie mich!«
Jim fand Digby Groat an seinem Tisch sitzen. Er blätterte in einem Buch, das er sich genommen hatte.
»Was bedeutet Daktyloskopie?« Er sah fragend zu Jim auf. »Das Buch handelt davon.«
»Das ist die Lehre von den Fingerabdrücken«, antwortete Jim kurz. Er haßte diese anmaßende Art und ärgerte sich, daß dieser Mensch einfach seine Privatbücher herausnahm.
»Interessíeren Sie sich denn für dergleichen?« fragte Groat und stellte den Band wieder an seinen Platz zurück.
»Ein wenig. Hier sind die gewünschten Pachtverträge. Ich habe sie soeben flüchtig durchgesehen und konnte keine Klausel finden, die die Errichtung eines Hotels ausschließen würde.«
Groat nahm die Dokumente und sah sie Seite für Seite durch.
»Nein«, sagte er schließlich, »es steht nichts davon da - Sie haben recht.« Er legte die Akten auf den Tisch. »Sie interessieren sich also für Fingerabdrücke? Ich wußte nicht, daß sich der alte Salter auch mit Strafprozessen abgibt. - Was ist denn das?« Er zeigte auf ein Bücherbrett neben dem Schreibtisch, das mit schwarzen Heften gefüllt war.
»Das sind meine Privatnotizen.«
Digby Groat lächelte maliziös.
»Worüber machen Sie sich denn Notizen?«
Bevor Jim ihn daran hindern konnte, hatte er eins der Hefte in der Hand.
»Wenn Sie die Güte hätten, mein Privateigentum in Ruhe zu lassen ...« stieß Jim hervor. Er konnte sich im allgemeinen gut beherrschen, aber diese Unverschämtheit ging ihm zu weit.
»Tut mir leid - ich dachte, alles in Salters Kanzlei hätte mit seinen Klienten zu tun.«
»Sie sind aber nicht der einzige Klient!«
»Was wollen Sie mit dem allen?« fragte Groat, als er die Seiten umblätterte.
Jim stand ihm am Schreibtisch gegenüber und ließ ihn nicht aus den Augen. Auf einmal bemerkte er, daß sich das gelbe Gesicht ein wenig verfärbte und der Blick hart wurde.
»Was bedeutet das?« fragte Groat scharf. »Was, zum Teufel, haben Sie da ...« Er brach ab, nahm sich zusammen und lachte. Aber es klang gekünstelt. »Sie sind ein prächtiger Kerl, Steele!« Er nahm seinen alten, nachlässigen Ton wieder auf. »Doch Sie sind töricht, sich über diese Dinge den Kopf zu zerbrechen.«
Er steckte das Heft ins Regal zurück, nahm den zuoberst liegenden Pachtvertrag vom Tisch und begann ihn zu lesen.
»Es ist alles in Ordnung«, erklärte er endlich, legte das Dokument weg und griff nach seinem Hut. »Vielleicht besuchen Sie mich einmal und essen mit mir zu Abend, Steele! Ich habe ein interessantes Laboratorium, das ich an die Rückseite meines Hauses am Grosvenor Square angebaut habe. Der alte Salter nannte mich eben Doktor!« Er lachte, als ob es ein guter Scherz sei. »Nun - auf alle Fälle, wenn Sie zu mir kommen, kann ich Ihnen einiges zeigen, was zum mindesten meinen Titel rechtfertigt.« Dann, schon in der Tür, richtete er seine dunklen Augen nochmals auf Jim. »Nebenbei bemerkt, Mr. Steele -Ihre Privatstudien führen Sie auf ein gefährliches Gebiet, und kein zweites Viktoriakreuz wird Sie für die Unannehmlichkeiten entschädigen können.«
Behutsam schloß er die Tür hinter sich. Jim sah ihm stirnrunzelnd nach.
Was meint er nur damit? überlegte er. Das Notizheft fiel ihm ein, das Mr. Groat in der Hand gehabt und wieder ins Regal geschoben hatte. Das Heft stand ein wenig vor, und Jim hatte sich die Stelle gemerkt.
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