Sie ist die Tochter eines Musikers aus Südafrika.«
»Haben Sie die Narbe an ihrem Handgelenk gesehen?« Es war seine letzte, schwache Hoffnung.
»Wie sieht sie denn aus?«
»Es ist ein kreisrundes, kleines Brandmal, so groß wie ein Halbschillingstück."
»Dorothy hatte keine solche Narbe. Glauben Sie mir, Mr. Steele, Ihre Nachforschungen sind vergeblich, genauso wie die meinen. Genug davon - nur eines will ich Ihnen noch erklären. Dieser Gebäudeblock gehört mir. Mein Mann kaufte ihn und schenkte ihn mir in einer großmütigen Anwandlung einen Tag später. Er gehörte also schon mir, als alle Leute noch glaubten, daß er sein Eigentum wäre. Im allgemeinen war er nicht großzügig - reden wir nicht davon, wie er mich behandelte. Von den Einkünften dieses Besitzes konnte ich leben, außerdem besitze ich ein Vermögen, das ich von meinem Vater geerbt habe. Meine Familie war arm, als ich Mr. Danton heiratete; aber kurz danach starb ein Vetter meines Vaters, Lord Pethingham, und mein Vater erbte dessen großes Vermögen. Der größte Teil fiel später an mich.«
»Wer ist Madge Benson?«
»Müssen Sie das wissen? Sie bedient mich.«
»Warum war sie im Gefängnis?«
»Sie müssen mir versprechen, mich nicht über die Vergangenheit auszufragen, bis ich Ihnen selbst davon erzähle, Mr. Steele! Und jetzt können Sie mich nach Hause begleiten.« Sie sah sich im Zimmer um. »Täglich erhalte ich hier Telegramme, die ich beantworten muß. Ein zuverlässiger Sekretär kommt jeden Morgen und bringt meine Telegramme zur Post. Ich habe alle Behörden von Buenos Aires bis Shanghai in Bewegung gesetzt -jetzt bin ich müde, furchtbar müde! Aber ich bin noch nicht zu Ende, ein hartes Stück Arbeit steht noch bevor, Jim ... Ich darf doch Jim sagen, nicht wahr? Selbst Eunice würde nichts dagegen haben!« Sie lachte, als er rot wurde.
Die Frage, warum sie in einer so ärmlichen Wohnung lebte, die obendrein an der Eisenbahn lag, wenn sie doch ein großes Vermögen besaß, unterdrückte er - sie würde ihm doch keine befriedigende Antwort gegeben haben.
An der Wohnungstür verabschiedete er sich von ihr.
»Gute Nacht, Frau Nachbarin!«
»Gute Nacht, Jim.«
Jim warf sich in seinen großen Sessel. Als die ersten Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen, durchging er immer noch die Erlebnisse dieser Nacht, reihte sie aneinander, begann wieder von vorne.
Am frühen Morgen brachte ein Bote einen Brief von Eunice. Er seufzte, als er ihre verärgerten Zeilen las:
Nicht einmal im Traum hätte ich daran gedacht, daß Sie hinter all dem stehen könnten. Das war nicht schön von Ihnen, Jim! Nur um eine Sensation hervorzurufen, haben Sie mich zu Tode erschreckt, als ich die erste Nacht hier verbrachte, und damit ich in Ihre offenen Arme fallen sollte. Mir ist jetzt alles klar. Sie können Mr. Groat nicht leiden, und Sie wollten, daß ich sein Haus wieder verlasse. Deshalb haben Sie dies alles getan. Es ist sehr schwer, Ihnen zu verzeihen, und es wäre besser, wenn Sie nicht wiederkämen, es sei denn, daß ich Ihnen ausdrücklich schreibe.
»Verdammt!« Aber das hatte er nun schon ein paarmal gesagt. Es war zum Verzweifeln.
Was konnte er tun? Er begann, Briefe zu schreiben, zerriß sie wieder, es war so schwierig, ihr zu erklären, wie der Schlüssel in seinen Besitz gekommen war, ohne Lady Marys Geheimnis zu verraten. Nun würde er sie noch weniger als je davon überzeugen können, daß Digby Groat ein gewissenloser Schuft war.
18
Kaum hatte Eunice den Boten mit dem Brief fortgeschickt, als sie es auch schon bereute. Die bitteren Worte, die sie ihm gesagt hatte, fühlte sie in Wirklichkeit gar nicht, vielmehr war sie überzeugt, daß ihn die Liebe zu ihr in diese ausgefallene Rolle verstrickt hatte. Es kam aber noch etwas anderes hinzu, das Zweifel in ihr weckte. Als sie in Digby Groats Bibliothekszimmer kam, fand sie ihn dabei, eine große Fotografie zu studieren.
»Die Aufnahme ist glänzend gelungen, wenn man bedenkt, bei künstlichem Licht...« Es war eine vergrößerte Fotografie seiner Laboratoriumstür mit dem Aufdruck der blauen Hand.
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